Das Hechelmeckerli

Eine Geschichte von Bälgen und Kaffeekapseln.

Also, kann sein das hier wird ein klein wenig unsachlich, aber ich bin gerade sauer. Und zwar auf diese „genetischen“ Amihecheln. Das ist der größte Betrug seit der Erfindung der Kaffeekapseln und es muss mal einer das Maul aufmachen. Habe beschlossen das bin ich.

Ich geh‘ mal zurück in die gute alte Zeit, als ich gerade genug Geld hatte die indischen und chinesischen Hecheln hinter mir zu lassen und meine Bälge bei Ted Hebert kaufte. Der züchtete einen bodenständigen Hahn, gesund, wetterfest, freilaufend, ja geradezu freifliegend, der unter freier Sonne die Flur durchstreifte und seine Körnerdiät mit allerlei Protein auffrischte. Ted Hebert bevorzugte den persönlichen Kontakt zu seinem Geflügel und beutete seine Frau Sue als Mitarbeiterin aus. Trotzdem folgte er den Erkenntnissen von Mr. Hackle himself, Andy Minor. Die mit um die 20 Dollar spottbilligen Hebert Professional Bälge waren ein Traum. Genug Hecheln von 10 bis 20, schöne Spades an den Seiten und erfreulich viele Federn, mit denen man einen Bugger binden konnte. Die Kiele waren perfekt, und das Profil der Fibern war konischer und irgendwie fetter als diese Kakteenstacheln moderner Bälge. Der Glanz war unvergleichlich, und es galt die Theorie, die Sonne würde die Hecheln gleichsam härten und polieren.

Dann muss irgendein Idiot in der Szene angefangen haben, Bälge nach den kleinsten Hechel zu bewerten. Wie viele 22er bis 28er Hecheln hat der Balg? Andere Idioten folgten, es bildete sich ein Idiotenmarkt, und die Züchter begannen ihre Bälge auf 24er und 26er Hecheln zu züchten. Nun ist es in der Zucht so, dass man immer etwas verliert, wenn man an anderer Stelle etwas gewinnt. Die für den Binder so interessante Ausgeglichenheit der Bälge ging verloren, sie wurden also schlechter, aber das Marketing wurde besser.

Die weltweit meistverkaufte Trockenfliege ist Größe 14, und Größe 16 folgt knapp dahinter, die 12er hat Bronze und die 18er den ehrenvollen Vierten. Die 20er und kleiner fallen kaum ins Gewicht. Nicht nur das, auch wir Fliegenbinder kaufen die Haken in genau dieser Reihenfolge. Wir brauchen also Bälge, die im 12er bis 18er Bereich ihr Optimum haben. Wir wollen Fibern, die steif sind, gut glänzen, eine konische Form und wenig Flaum haben. Der Kiel sollte vom Durchmesser zu den Fibern passen und flexibel sein. Die Fibern sollten eng stehen. Und für mich persönlich genügt mir eine Hechel mit einem „sweet spot“ für eine Fliege. Die Reste überlanger Federn empfinde ich als Müll und bin stets verlegen mit ihrer nachhaltigen Aufbewahrung. Und ich will genug Spades an einem Balg finden, für perfekte Schwänzchen.

Nachdem man also den ausgeglichenen Balg genetisch ruiniert hatte, begann man uns Bindern immer mehr Sorten und Sparten anzubieten. Man zerlegte die einmal gezüchteten Hähne in verschiedene Balgtranchen, ließ bezahlte Meinungsbildnerfliegenbinder Muster erfinden und vermarkten, und verkaufte nun spezielle Streamerbälge, Salzwasserbälge, Buggerbälge, Trockenbälge, Schwanzfibernbälge und, neulich erst gesehen, „swing necks“ für Steelheadfliegen. Das ist nichts anderes als die Erfindung der Kaffeekapsel. Mein Kaffee kostet 6 Euro, in Kapseln verfüllt läge er bei 30 Euro.

Man hat uns in den bekannten „lock in“ getrieben und verkauft uns die Nachteile der Genetik erfolgreich als Vielfalt. Halbiert, wie Brötchen. Die Hühnerbarone gackern vor Vergnügen. Nur warum sehen dann die Trockenfliegen auf den alten Fotos aus den Jahren 1950 bis 1990 besser aus als unsere? Was also will ich. Gar nichts, wird schon einer kommen und den „classic neck“ züchten, und ich tue derweil nichts lieber als große Mengen indischer oder chinesischer Bälge zu durchsuchen, auf der Suche nach dem Starstück. Erinnert an zurück in die Zukunft. 

Ingo Karwath