Spulenachser

Alle zehn Jahre ein Fisch, der die Rolle bis zum Knoten leert. Könnte mehr sein.

Anfassen ist schon schön. Selbst so. Mein Guide, mein Fisch.

Mein erster richtig großer Fisch war ein Wels, den ich mit zwölf im Pressegger See fing. Er biss auf einen DAM Turbler, den ich hinter meinem kleinen Schlauchboot geschleppt hatte. Alsbald wurde dann ich geschleppt, und zwar auf den See hinaus, und zwei Männer in einem Holzkahn kamen zur Rettung. Sie wollten mir die Angel wegnehmen, was ich aber partout nicht zuließ. Der Waller wurde nach einigem Hin und Her, bis zur leeren Rolle, ich wusste ja noch gar nicht so richtig was ein Drill überhaupt ist, letztlich mit einem Gaff aus dem Wasser geholt, mit einer Keule erschlagen, und am nächsten Abend in der Pension von allen Gästen gemeinsam aufgegessen. Er war einen Meter und zwanzig Zentimeter lang. Man trug mich auf einem Stuhl durch den Garten, hoch über den Köpfen der anderen, und ließ mich hochleben. Ich fühlte mich großartig. Fand aber noch am gleichen Abend eine Freundin, und hab‘ in dem Urlaub keine Angel mehr angefasst.

Aber von solchen Triumphen will ich nicht reden, und ich habe das auch nie wirklich toppen können. Ja, da sind schon ein paar große Fische und großartige Tage auf der Liste, aber eben auch fünf Spulenachsenfische. Und von denen will ich mal erzählen. Der erste widerfuhr mir an der Mörrum in Pool 4 im Mai. Alle guten Plätze waren besetzt, und an der Grenze von 3 und 4 am rechten Ufer warf ich hoffnungslos meinen „General Practitioner“ aus. Ich fischte eine Wood Nr. 3 und eine Husky Multiplier, zu leicht für Mai, und wie sich zeigen sollte, war das ein Fehler. Ich bekam nämlich keinen Biss, ich bekam einen Einschlag. Ein riesiger Lachs zeigte sich im Sprung, stürmte stromab, rechts am Holzweg entlang, unter der Eisenbahnbrücke durch, und während mir andere zur Hilfe eilten, war auch schon alles vorbei. Spulenachse blank, Rute horizontal, und das Backing riss am Knoten. Kein Peng, kein Ping, ganz leise. Ich war fertig mit der Welt. Viel zu jung für solche Tragödien. Mitte zwanzig.

Den zweiten Spulenachsenfisch erlebte ich in Kanada. Ich war ehrlich gesagt ein wenig auf dem hohen Ross, weil meine Technik mit der Trockenfliege so ausgereift war, dass ich praktisch jeden Fisch zuverlässig hakte und zur Hand bekam. Das waren die alten Zeiten, und ich hatte in zwei Wochen über 60 Fische bis zu 102 cm zu Buche. An einem letzten Heli-Tag waren wir den Copper hochgeflogen und der Pilot suchte uns eine schöne Stelle. Stromauf war kein Problem, aber gleich stromab von der Landestelle war eine kleine Schlucht und kein Weiterkommen. Ich musste natürlich genau davor ein paar Würfe versuchen, und bekam eine wilde Steelhead auf den Bomber. Sie sprang einmal und raste dann stromab, zwischen den Felswänden hindurch, immer weiter Richtung Skeena, und dann war da kein Meter mehr auf der Rolle und das Vorfach riss. Den Fisch hätte ich gern gesehen. Auch wenn ich den Tag noch andere fing, das nagte schon an der Seele. Ich war Anfang dreißig.

Achsenfisch Nr. 3 biss am Old Bridge an der Gaula, ein sehr ruhiges Stück unterhalb der Stromschnelle vom Bridepool. Ich hatte Sink and Draw mit einem GP gefischt und bekam einen brutalen Biss. Keine Pause, kein Sprung, kein Geschüttel, nur eine langsame Flucht rüber und dann runter, zur nächsten Stromschnelle, folgen ging gar nicht, und wieder komplett leergespult und alles futsch, Lachs, Schnur und Backing. Ich brauchte neue Schnur aus dem Laden, sofort. Auf dem Rückweg nach Storen begegnete ich Bernd Kuleisa an der schmalen Brücke und erzählte ihm die Story. Er sagte später, ich hätte geweitete Pupillen gehabt und wirr geredet wie ein Junkie. Anfang 40, und immer noch nicht cool.

Der Vierte passierte am Oststrand von Langeland. Biss, und dann eine Flucht zum offenen Meer, die einfach nicht aufhörte. Ich hatte eine ATH S2 im Einsatz, an der Rolle konnte es schon mal nicht liegen. Wieder Spulenachse blank, aber dieses Mal riss das Vorfach. Ich war etwas älter, so Anfang 50, und mit ‚shit happens‘ war das erledigt. Vermutlich ebenfalls ein Lachs.

Ja, und der letzte Spulenachsenfisch, dieses Jahr im August in Bogen Sondre 1, der Fischer 66 und pensioniert, biss auf einen 6er Zwilling am 35er, zog rüber zur Straße, schüttelte dort eine Zeit den Kopf und schwamm dann drüben einfach stromab. In das weiße Wasser links oberhalb von BS 2, bis ich wieder die Spulenachse sah. Auf einer Bogdan 100 ist ja nicht so viel Backing. Der Knoten hielt, aber das Lachs war weg. Beide Haken leicht aufgebogen. Inzwischen kann ich das gut annehmen, denn der Fluss gab mir ja die ersten 49 Prozent von einem herausragenden Erlebnis. Aber 51 Prozent, so lernte ich mal von Simon, machen eine gute Ehe aus. Anscheinend bekommt man in jedem Fischerjahrzehnt einen Spulenachser. Bei mir kommt es jedenfalls hin. Bin gespannt auf den nächsten.

 Ingo Karwath