Färben

Die Farbe ist der Ort, an dem Gehirn und Weltall sich begegnen (Cézanne).

Weiße Bälge, Vollausrüstung, und der Wille zum Färben – mehr braucht es nicht.

Heidewitzka, was, gleich so’n Klopper als Anfang. Ich habe berechtigte Zweifel, dass meinem Gehirn das gelingen könnte, denn schon Oberstudienrat Ostertag, mein Kunstlehrer, vergab meist nur die Drei an meine Werke. Gelegentlich hatte ich einen genialen Ausreißer nach oben. Es ist schön, sich an einzelne Lehrer zu erinnern, und die meist recht originellen Kunst-, Musik- und Religionslehrer stehen nicht selten ganz oben auf der Liste der Erinnerung, denn die Einstellung zu diesen drei Passionen begleitet uns ein Leben lang. Physik meist nicht so. Aber ich schweife ab. Wir Fliegenbinder sind den Farben ja durchaus zugetan, aber auch nicht zu sehr, denn Grau ist unsere Farbe. „Let your imitation be of any colour, as long as it is grey!“, sagte Lunn, und ich tipp‘ das hier erst mal hin und schau später nach. Lachs und Meerforelle brachten selbst in England Farben ins Spiel, die importierte Regenbogenforelle nicht minder, und heute, mit weltweiten Reisen zu den wildesten Fischen und Orten, sagen wie Giant Trevally auf Kiribati, und nicht zuletzt auch wegen der Hechte, gibt es kaum eine Schattierung in pink und lila, die man nicht bekommen könnte. Jedenfalls in Kunststoff! Aber suchen sie mal Pfauenkiele und Bälge in den Farben der Serie „La Loue“. Gefärbte Pfauenkiele, immerhin, fand ich bei einem rumänischen Versand, und bekam sie auch flott geliefert. Einen rosa Trockenbalg jedoch nicht, und das ist ja nur eine der nötigen extravaganten Farben. Da ich in einem Sachzwang stecke, das Fliegenlexikon „La Loue“ ist geschrieben, aber ich kann die Muster nicht binden, muss nun mein Gehirn dem Weltall begegnen.

Die erste Begegnung dieser Art hat erstmals vor langer, langer, langer Zeit stattgefunden und ging bunt aus. Ich wollte Federn für Meerforellen färben und hatte mir im Göttinger Karstadt Simplicol gekauft. Das klappte gleich wunderbar, und nachdem ich den alten Topf abgewaschen hatte, setzte ich mir Kartoffeln für das Mittagessen auf. Mein altes Fang- und Notizbuch verzeichnet am 11.3.85 den Eintrag: Kann man rote Kartoffeln essen? Das hat mich nicht weiter davon abgehalten, Federn zu färben, und mein schönes „commonsense“ Lederbuch mit den weißen Filzseiten füllte sich prächtig. Nach einer Woche Regen in Dänemark, ich war eigentlich ständig nass, waren die Filzseiten später so psychedelisch bunt wie ein Hippie VW. Dass ich nicht fixiert hatte, als Student muss man sparen, hatte sich gerächt. Später schlauer geworden und mit Farben von Rit, Veniard und Simplicol, passierte das nicht wieder. Aber alle gefärbten Federn färben ein wenig ab, auch die gekauften. Das hat keinerlei Bedeutung, denn Grundhänger, Uferhänger, Fischzähne und Rost sind stets schneller als Farben ausbleichen könnten.

Das Buch für den Profi.

Damit das Färben gut ausgeht, greife ich lieber zu A.K. Best seiner Färbebibel. Ein sehr empfehlenswertes Buch, aber für den Gelegenheitsfärber doch ein wenig über den Rand der Bedürfnisse. Für den Semiprofi oder den Profi, der mal eben 20 rote Bucktails für einen Auftrag benötigt, ein unentbehrliches Buch. Die Zeit hat es ein wenig überholt, denn die von A.K. vorgeschlagene Methode, Pulverfarben zunächst in Suspensionen zu überführen, haben die Firmen nun selbst übernommen. Sowohl RIT als auch Simplicol gibt es flüssig in Flaschen. Dann fange ich mal an und begleite den Vorgang mit der Kamera.

Trennung.

Zunächst die Bälge vorsichtig von der Rückseite her halbieren. So wie ein Buchbinder Pappe ritzt, mit einem schwachen, ziehenden Schnitt, den man wiederholt, bis man fast durch ist. Dann reißen und keine Feder wurde beschädigt.

Nun werden die Bälghälften ausgiebig mit Pril gewaschen. Oder was immer die Küche hergibt, Frosch, Fairy, und wie sie alle heißen. Nur fettfreie Bälge lassen sich färben.

Das Bad ist eingelassen.

Ich beginne mal mit „Krebsrot“ und mache ein Farbbad nach Anweisung. Dazu rechne ich mich von drei Galonen auf drei Liter herunter und gebe 30 flüssige Gramm Farbe in den Topf. Dazu einen Teelöffel Pril, 30 Gramm Salz und 20 flüssige Gramm Essigessenz.

Temperatur und Bewegung sind der Schlüssel.

Diese Mischung wird auf 70 Grad erhitzt, das überprüfe ich mit meinem eigenen Wecktherometer, und gebe den Topf dann mit einer Simmerplatte auf eine kleine Flamme. Für Nichtköche, eine Simmerplatte ist ein Topfuntersetzer für den Herd, um geringe Temperaturen halten zu können.

Der feuchte Balg geht auf Tauchstation.

Jetzt kommt der nasse Balg in das Bad. Wichtig ist Bewegung, also alle 5 Minuten einmal bewegen, und die Temperatur muss gehalten werden. Beides ist wichtiger als alles andere!

Noch nass, aber es wird zuversichtlich krebsrot.

Nach einer halben Stunde kann man den Balg vorläufig spülen und das Ergebnis abschätzen. Entweder ist es okay, oder man färbt im Halbstundenrhythmus weiter. Man muss kein Wasser nachfüllen, aber schön die Temperatur halten.

Ist man völlig zufrieden, den Balg mit Feinwaschmittel kalt spülen und danach sofort fixieren. Simplicol Fixierer und RIT Fixierer lassen sich austauschen, die wirken auch bei der jeweiligen Fremdfirma. Man kann auch zunächst mit Essigwasser fixieren und dann noch einmal mit Natronwasser, so eine Art chemischer Schrotschuss, aber ich neige mehr zum gekauften Produkt. So ein Balg ist deutlich teurer als ein T-Shirt und wird uns jahrelang begleiten.

La Loue, es kann losgehen.

Nach getanener Arbeit blickt der Färber zufrieden auf verschiedene halbe Bälge in den „La Loue“ Tönen. Könnte vielleicht doch das Gehirn dem Weltall begegnet sein? Ich glaube ja nicht, aber eine 50er Äsche könnte mich umstimmen.

Färbetipps

Meine „Grundsuppe“ sind immer 3 Liter Wasser, 30 Gramm Salz, 20 Gramm Essigessenz und ein Teelöffel Pril. Hinzu kommt die Farbe.

Flüssige Farben kann man gut mischen. Bewährte Rezepte sind: 30 Gramm Pearl Grey und 10 Gramm Tan für Light Dun. 60 Gramm Pearl Grey und 30 Gramm Tan für Medium Dun. 90 Gramm Pearl Grey und 15 Gramm Tan für Dark Dun. Immer ausgehend von weiß, und alle paar Minuten kontrollieren.

Für schwarze Bälge braucht man eine Übergangsfarbe, also z.B. erst orange, trocknen lassen, dann schwarz.

Schöne braune Bälge erhält man nur, wenn man mit Ginger anfängt, entweder natur oder gefärbt.

Ein weißes Küchenpapier ist ideal um die Lösung zu prüfen. Aus einem Blatt eine Rolle drehen, eintunken, und die Farbe abschätzen.

Anfärbungen oder fahle Farben sind in Minuten fertig, der graugelbe Balg, vorher kräftig gelb, und der fahlgelbe waren kaum eine Minute im Bad.

Überfärben, z.B. grau über gelb, muss man eher dipen als einlegen. Kennen Sie ja: Stipp, stipp, stipp, in the dip, dip, dip! Das Lied der Karpfenangler.

Ingo Karwath