Rügen

Kleiner Bericht über drei Tage auf Bodden-Kiddis. Muddis blieben leider aus.

Besser mit als ohne.

Erster Tag

Die Anreise war eine Agonie. Bei Lübeck verunglückte ein Tanklaster mit Ameisensäure und die A1 war komplett dicht. Die Umleitungen auch. Anscheinend folgen LKW’s den Anweisungen von PKW Navis und bleiben dann auf Dorfstraßen stecken, in denen sie weder vor noch zurück kommen. Ich brauche für die ersten 250 Kilometer fast fünf Stunden und treffe um 14 Uhr bei Andronaco ein. Italienischer Supermarkt. Das Bistro ist der Hit. Esse eine Pizza mit unserer Tochter Wiebke, die in Lübeck studiert hat und dort wohnt. Um 15 Uhr geht es weiter nach Rügen. Trudel um 18 Uhr in Trent ein. Das Hotel ist lustig. Aedenlife. So Mittelstands-Wellness, aber die Lüftung im Bad stinkt. Parken kostet 15 Euro. Pro Tag. Zu spät um noch zu fischen. Fenchelsalami, Mortadella, Coppa und zwei Gläser Brunello entschädigen für die lange Fahrt. Denn wer fährt schon bei Andronaco vorbei ohne einen kleinen Einkauf. Zigarre zum Abschlaffen und ab ins Bett. 

Ein schlechter Tag im Belly Boat ist besser als ein guter im Büro.

Zweiter Tag

Mein Wecker klingelt um 7 Uhr. Im Frühstücksraum bin ich völlig allein. Unbezahlbarer Blick auf Hiddensee. Scheint ein Langschläferhotel zu sein. Um 8.30 stehe ich bei Vieregge im Wasser. Passiert aber nix. Ein Barsch fasst zu. Fahre dann zur Schleuse nach Lietzow. Da gefällt mir das Wasser irgendwie nicht und ich fahre nach Ralswiek. Im Windschatten dort ist es nett und ich paddel mit dem Belly Boat raus. Vor der Störtebecker Bühne beißen drei kleine Hechte, so zwischen 60 und 70 cm, und dann muss ich kämpfen gegen den Wind wieder in den Hafen zu kommen. Um 18 Uhr bin ich bei Schillings in Schaprode und esse Dorsch. Super lecker. Beim Auspressen der Zitrone brennt mein rechter Mittelfinger. Muss morgen doch mal die Fingerschützer raussuchen. Schon um Achte liege ich platt im Bett und schlafe fast sofort ein. Mit dem Tag kann man zufrieden sein. Ich google noch was ein Belly Boat Motor kostet und beschließe mir zunächst eine Seenotrakete zu kaufen. Auf dem Vereinssee brauche ich die nicht, aber das war knapp heute. Mit Krampf oder Flossenverlust treibt man direkt nach Breege. Möchte ich aber nicht versuchen!

Bist du matt? Yes.

Dritter Tag

In der Hafenbucht von Ralswiek ist reges Treiben. Die Stege sind voll mit Barschanglern, die mit Drop Shot auf Stachelritter hoffen. Im kaum drei Meter tiefen Fahrwasser ankern zwei Boote mit je zwei Anglern, die von Gesetzen unberührt zappelige Köderfische ausbringen. Im Laufe des Tages fangen sie zwei große Hechte, und man hört zwei laute Bonk! Drei Fliegenfischer sind drüben am Schilfufer, vier auf der Hafenseite bei den Blauen Häusern. Bei uns werden vier Hechte gefangen und zurückgesetzt. Ein Kollege watet raus, macht einen kurzen Wurf und hat einen guten Hecht, einer weiter links bei den Tonen fängt zwei Kleine. Ich bin empört. Ich war der Erste hier und hab’ nix. Mittags fahre ich zu Karls Erdbeerhof und gönne mir zwei Mettbrote. Die kenne ich aus Lübeck. Sehr lecker. Um 14 Uhr bin ich wieder im Wasser, diesmal allein auf der Hafenseite. Ein 85er steigt zu und nimmt die „Vit Gäddsara“. Um 17 Uhr packe ich ein und fahre zum Essen nach Schaprode. Matjes, Störtebecker Kellerbier und Hiddensee Aquavit. Ob der von Hiddensee kommt weiß ich nicht. Steht jedenfalls auf dem Glas. Um 19 Uhr bin ich wieder im Körbchen und gönne mir eine Zigarre. Morgen ist schon der letzte Tag.

Drei auf einen.

Vierter Tag

Der letzte Tag sieht mich hochmotiviert bei Groß Banzelwitz im Wasser. Ich steige am Steg bei der Badewiese ein und fische mich in Richtung Norden. Die Sonne kommt raus. Auf einem toten Baum sitzt ein Seeadler und beobachtet mich. Der bunte Wald am Steilhang leuchtet in den schönsten Farben. Das Wasser ist gepackt voll mit eigroßen Quallen, und nach ein paar Stunden frage ich mich ob die Hechte das mögen. Es rührt sich jedenfalls nichts. Der Watweg zurück ist wie Rehasport für Kutschpferde. Während man watet und fischt merkt man die Kilometer nicht, auf dem Rückweg schon. Ich gebe Ralswiek noch eine Chance und fahre zum Hafen. Kein Mensch da, nur auf dem Steg die Barschangler. Ich setze mich auf eine Zigarre in die Sonne und genieße es hier sein zu dürfen. Derweil steigen zwei Spinnangler ein und ein Kajakfischer macht im Fahrwasser fest. Ich wate in Richtung der gelben Tonne und fische mich auf einer kleinen Strecke von rechts nach links und zurück. Bei jeder Tour mit einem anderen Streamer. Auch hier sind die kleinen Quallen im Wasser und ich bleibe für heute Schneider. Dafür gibt es bei Schillings Pannfisch mit Barsch. Ein Gedicht. Aber das war’s für mich. Drei Tage, 24 Stunden hardcore gefischt, vier Hechte, im Durchschnitt 70 cm, kein Fehlbiss, kein Verlust, und acht Fänge, die ich bei anderen Fischern beobachte. Zwei auf Köfi, sechs auf Fliege. Abends kommt eine Mail von Jasper, der fragt: Und, lohnt sich Rügen?

Im Sommer FKK, im Herbst sind nur die Stege nackt.
Pannfisch. Zum Niederknien.

Fünfter Tag

Indianersommer auf Rügen.

Rückfahrt. Wieder nach Lübeck, wieder zu Andronaco, Spaghetti mit Pfifferlingen, und um 16 Uhr bin ich daheim. 1390 Kilometer verfahren. Dabei hat man genug Zeit, um sich die Frage mit dem „lohnt sich das“ zu überlegen. Die Antwort ist ein klares Nein. Ich brauchte sechs Stunden pro Hecht, der dann eher klein war, bin fast 350 Kilometer pro Fisch gefahren und habe, weil im Hotel abgestiegen, alles in allem etwa 250 Euro pro Hecht ausgegeben. Würde ich diesen Aufwand auf meine Vereinsgewässer übertragen, finge ich mehr und größere Hechte. Würde ich die Kilometer und das Geld nach Westen in die Niederlande bringen, würde ich wesentlich mehr und größere Hechte fangen. Aber ich fahre schon länger nach Rügen, habe Tage mit beißwütigen Hechten erlebt, habe 120er Hechte hinter dem Streamer herlaufen sehen und auch schon Meterhechte gefangen. Fahre ich wieder hin? Klares Ja!

Ingo Karwath