Das Epizentrum der dänischen Fliegenfischerei war am 4.3. und 5.3. in Kolding.
Das Fly Festival in Kolding fiel dieses Jahr auf den 4. und 5. März, und da ich ohnehin in Kiel war, musste ich nur 175 km fahren, um es zu erreichen. Eine große Begeisterung für Messen habe ich zwar nicht, war aber doch auf einer Conclave in den USA, auf einer British Fly Fair, war mehrmals in Zwolle und mit Udo auf einer EWF, als Standhilfe, und nun zum zweiten Mal auf einer dänischen Messe. Sammelt sich was an im Leben. In Tarp musste ich natürlich bei Schlachter Carstensen halten und die üblichen Würstchen kaufen, die zusammen mit zwei trockenen Brötchen seit jeher den Anfang jeder Ostseetour markieren. Das ist vielleicht für andere nicht wirklich lecker, aber eine Tradition von mehreren Jahrzehnten. Mit dem Navi war die Messe unter der Adresse Peter Tofts Vej 21 leicht zu finden, und beim Parkplatz hatte ich auch Glück. Der Eintritt betrug 15 Euro, und schon war man Teil einer elitären Gruppe, die überwiegend grün und in den Marken, die wir alle kennen, gekleidet war, und zu 99 % aus Männern bestand. Mir fielen einige auf, die ein kleines Neckknife trugen, und das ist schon schräg in Innenräumen. Das Gute ist jedoch, dass unsere Alterspyramide so was von in Ordnung ist, dass man sich nur wundern kann. Die alten Säcke, so wie ich, sind eine Minderheit. Vermutlich weil wir nicht mehr aus dem Sessel hochkommen. Das Publikum war insgesamt eher so mittelalt und viele um die 30. Der erste Eindruck hatte was von Weihnachtsmarkt, und nachdem ich zwei Runden gedreht hatte, konnte ich das auf die Bude von Käthe Wohlfahrt auf dem Lübecker Weihnachtsmarkt eingrenzen. Man kommt vorne rein, bekommt ein Körbchen in die Hand, und schiebt und wird geschoben, durch enge Gänge voller Ware, und kommt am Ende heraus und hat nichts und will nichts. Das liegt natürlich daran, dass man ein alter Wiederaufsteiger ist, mit vielen, vielen Seewintern, und die eifrigen Wünsche der Jugend und die anspruchsvollen des mittleren Alters sind vergangen. Entweder man hat was man wollte, oder man will es nicht mehr. Ich konnte aber auch nicht umhin zu bemerken, dass die Aussteller das Fly Festival wohl auch zur Lagerräumung benutzen, denn ich wollte für meinen Freund Jasper Brenda Dubbing mitbringen und konnte keines finden. Da hing viel Schrott, und der wurde ordentlich rabattiert. Eine Firma für Shrimpaugen hatte sogar einen eigenen Stand, und da kann man mal sehen, wie sehr es sich lohnt ein Produkt für 3 Cent einzukaufen und für 7 Euro zu verkaufen. Wie jeder Mathelehrer auf den ersten Blick erkennt, kann man von den 3% gut leben. Eine italienische Firma hingegen machte so sehr auf Classic, dass das eher an Disney World erinnerte. Man sollte als Käufer darauf achten, dass man an vorgeblichen Werkbankprodukten, also benchmade, auch Werkspuren erkennt. Fällt man auf CNC Produkte herein, die an einer Werkbank nur montiert wurden, wird einen der Sekundärmarkt mit kaum 20 % Restwert aufnehmen. Klassische Geräte aus Fernost oder als Partwork sind nur eine Fassade, damit zu fischen ist Comedy.
Aber so eine Messe besteht ja auch aus anderen Freuden. Querab vom Wurfbecken lief ich in Jens hinein, den ich mit Bart und Mütze zunächst nicht erkannte. Außerdem war ich im Tunnel, auf dem Weg mir eine Wurst und ein Bier zu holen. Gaula, Küche, half er mir, und ja klar, gleich dahinter der lange Thies. Ich hoffe sehr die beiden im August wiederzusehen. Zunächst gönnte ich mir aber meine Bratwurst und ein Bier, und das war bei Sonnenschein hinten auf der Wurfwiese wirklich ein Genuss. Die langen schwarzen Wurfpools haben den Charme eines Silos, trotzdem gut, und waren an Firmen und Händler vermietet.
In der Mitte der ersten Halle saßen die ganzen Fliegenbinder, die ich sowohl bewundere als auch bemitleide, denn sich da in das Zentrum einer menschlichen Kaffeemühle zu setzen und jeden Interessierten mit ausgesuchter Freundlichkeit zu informieren ist wahrlich eine federleichte Pädagogik im Ehrenamt. Und ja, ich weiß, dass Binde- und Hakenfirmen da ihre „Botschafter“ platzieren und bezahlen. Als Besucher kann man gar nicht alle Binder und ihr Tun würdigen, es ist eher so, dass man die Kontaktpunkte dort findet, wo man den Binder besonders schätzt und oder die Fliege in seinem Stock kennt. Bei Mr. Alive Jesper Petersen habe ich natürlich eine Viertelstunde zugebracht, und ausgiebig in die vollen Dosen gepeilt. Ich hatte so den Eindruck, dass bei etlichen Mustern zwischen das Sparkle Chenille und die Speyhechel noch eine Schlaufe mit magerem Effektmaterial eingebunden war, oder das Sparkle Chenille überhaupt DIY war. Und an den Sandaalen funkelten kleine Mylaraugen. Bei Marc Skovby vor dem Bindeplatz traf ich auf die Fliege, die mein größtes Interesse weckte, weil ich mich gerade mit Hewitt beschäftigt hatte. Dort steckten wunderschöne Spider, aber gebunden aus drei Marabouspitzen zwischen zwei Perlen auf einer dünnen Tube. Marc erzählte, dass man die Fibern unbedingt als Hechel und nicht als Schlaufe einbinden muss, weil sie dann besser stehen und wirken. Er ist in Skjern geboren und der Fluss ist seine Heimat. Die Zahl der Fischer, die dort täglich ohne Erfolg fischt, ist Legion. Die Fliegen aber, mit denen man es dennoch versucht, sind höchst ausgefeilt. An einer Ecke der Bindetafel saß Hans van Klinken, der Bindebär, wie ein Däne sagte, und hatte um sich jede Menge Schätze ausgebreitet. Wer also mal einen gründlichen Überblick über alle Varianten seines Schaffens haben wollte, konnte sich dort lange, lange aufhalten. Genau an der Ecke traf ich auf Jens Staal, den zu sehen eine Freude war. Ich habe gerade dieser Tage dein Buch mal wieder aus dem Shelf geholt und ein paar Kapitel gelesen, sagte er, und das freute mich. Über dreißig Jahre war er Ratgeber, Beichtvater und Freund bei Go Fishing, und ich verdanke ihm viele Forellen und noch mehr Erkenntnisse. Er ist jetzt 69 und genießt die Zeit im Garten und bei der Fischerei.
Zuletzt bummelte ich noch zum Stand der Federation of Fly Fishermen Denmark, die das Fly Festival ja veranstalten. Dort verschenkte man Magazine aus den Vorjahren, und wir kamen ins Gespräch, denn das Fly Festival war absolut buchlos. Vermutlich wegen des Brexits war Paul von Anglebooks nicht vor Ort, und so war die ganze Angelegenheit eine eher kulturlose Veranstaltung. Ein einsamer Gerätesammler stemmte sich mit seiner Ausstellung tapfer dagegen, und auch der schöne Fliegenrahmen bei den FFFDlern fiel angenehm auf. Hans van Klinken bemerkte trocken, schau dir die Namen der Binder an, die meisten sind tot. Was ich an Dänemark immer so bewundert habe, die kreative, teils privat getragene Buchszene, mit Autoren wie Jacobsen, Espersen und Michelsen, scheint nicht mehr zu existieren. Es gibt keine Erben. Dieses arterielle Blut der Fischerei fließt jetzt auf youtube, Pinterest und Instagram, aber das ist eher ein Ausbruch als ein Kreislauf. Ich find’s trotzdem gut. Aber mit noch größerem Vergnügen sammelte ich ein paar Hefte ein und wollte Geld in eine Kaffeekasse stecken. Ne, sagte ein Kollege hinter dem Stand, wenn wir eine Kaffeekasse hätten, dann wäre es ja nicht for free, und das soll es sein. Auf dem Rückweg suchte ich noch ohne Ortskenntnis einen Super Brugsen, fand den als erfahrener Besuchsdäne auch, kaufte für Wiebke eine bunte Tüte, mir ein paar Edelbiere und war flugs wieder auf dem Heimweg nach Kiel. Hätte ich lieber nach Alsen abbiegen sollen und fischen. Nein. Nähe ich mir ein H-Kennzeichen auf die Jacke, weil ich ein Oldtimer bin. Ja, eine denkbare Option. Liebe Kollegen von der FFFD, vielen Dank für den schönen Tag.
Ingo Karwath