Ich bin Angler. Wie es dazu gekommen ist, kann ich gar nicht mal sagen. Es war mit sechs Jahren plötzlich da. Bleibend, so wie die Zähne, die dann kamen, wenn man mal von den Kronen absieht. Und fast vierzig Jahre wäre mir ein Zacken aus derselben gefallen, hätte man mich beim Stippen erwischt. Da war ich, zwar nicht militant, aber immerhin eisenhart, ein Nur-Fliegenfischer. Zwei, drei Spinnruten standen wohl auch rum, aber nur für Ostseestürme und Küchenzander. Na ja, und zum Plattfischangeln im Kajak. Aber ich haben bis zum heutigen Tag in allen Sorten Süßwasser weder Bach-, Regenbogenforelle noch Äsche, geschweige denn Lachs, Steelhead oder Meerforelle, je anders gefangen als mit einer Fliege.
Es waren und sind wohl Gedanken über das Alter, die mich vor einiger Zeit dazu gebracht haben, über meine Interessen und Passionen nachzudenken. Fliegenfischen und Jagd schließen sich zwar nicht aus, aber im Kern kam ich zu der Erkenntnis, dass ich trotz meiner Faszination für das Weidwerk kein Jäger bin und gab das folgerichtig auf. Das war schon ein Einschnitt, denn Waffen sind wie Ruten und Rollen ein sehr emotionaler Besitz. Aus dem Golfclub auszutreten war eher leicht, denn meine beste Freundin hat Rücken und konnte nicht länger spielen. Außerdem konnte ich das gesparte Geld in den Angeletat umbuchen. Obwohl das keine Buchung ist, die man seiner Frau erklären kann. Dem Baumschnitt meiner Hobbies fiel auch meine Triumph Bonneville zum Opfer, mit der ich ohnehin nur bei Sonnenschein zur Arbeit hin und zurück gefahren bin. Weitere Einschnitte waren nicht nötig, denn die Nachweise Tauchen zu können, Boote und Segelwagen steuern zu dürfen fressen ja kein Brot.
Das alles tippt sich hier so flott hin, aber glauben Sie mir, so einfach war das nicht. Und es hat auch länger als 40 Tage gedauert. Mit großer Klarheit aber sah ich zum Schluss: Ich bin Angler. Und meine Holz- und Metallwerkstatt sind nur ein Teil dieser einen, nun bald lebenslangen Passion.
Noch wichtiger als diese Erkenntnis war aber diese: Ich angle zu wenig! Fliegenbinden, Rutenbauen und Rollenbauen lenken einen wunderbar davon ab, dass man als Nordniedersachse eigentlich immer bloß auf Angelwochen hinlebt, sie vorbereitet, herbeisehnt und wartet, um nach sieben Tagen am Wasser dann wieder in einen neuen Vorbereitungszeitraum zu verfallen. Und weil ich so gerne binde und werkel, war ich für diesen Rhythmus wie geschaffen.
Genau wie dieser friedfertige Farmer im Western, der von seinen übelwollenden Nachbarn die Nase voll hat und den alten Revolvergurt aus der Kiste vom Dachboden holt, bin auch ich auf den Boden gegangen und habe die blauen Rutenfutterale runtergeholt. Hardy Avon, Trotter, Carp, 10 ft. Spin, 14 ft. Match und Allrounder, je zwei Stück. Die hatte ich nicht in weiser Voraussicht aufgehoben, sondern weil sie für eine Zeit fast keinen Wert hatten. Meine ABU-Rollen hatte ich verkauft. Aber zwei Luxor Contact 400 waren noch da.
Ich ging stippen. Und konnte es nicht. Jede Menge Tüdder und Probleme. Da hat der große Fliegenfischer in mir aber seine kleinstmögliche Größe eingenommen. Seither habe ich mich deutlich verbessert, fische gern mit Centerpins, und pflege ein paar Macken. Ich angle nicht mit Boilies und Tauwürmern. Boilies sind mir zu technisch. Tauwürmer als lebendige Lebewesen zu groß. Maden, Mais, Kartoffel, Teig, Hühnerleber und auf Zander tote Köderfische, das ist mein Spektrum. Auf Grund fische ich selten. Ich mag gern Posen schwimmen sehen und habe meine Freude daran sie zu bauen. Und, wenn ich auf meinem Fox-Stuhl unter dem Schirm ein Buch lese und Zigarre rauche, angle ich sogar ganz ohne Köder. Brasse und Havanna gehen ganz schlecht zusammen. Immer aber steht eine montierte Hecht-Fliegenrute neben mir.
Die „Ich bin Angler-Entscheidung“ hat viel verändert. Dieses Jahr war ich einige Wochen als Fliegenfischer unterwegs, und von Mai bis jetzt, Oktober, gab es ansonsten keine einzige Woche, in der ich nicht mindestens einmal, zweimal, dreimal im Schilf gesessen habe. Selten, ganz selten ohne Drill. Wenn man Wollhandkrabben mitzählt. Ich kann Gespließte bauen, Fliegen binden und Rollen drehen und fräsen, und stippen, das kann ich jetzt auch wieder. Denn ich bin Angler!
Ingo Karwath