Streamer aus Neuseeland – Ingo Karwaths Fliegenlexikon Nr. 8

Die Gunst von Tawhirimatea, dem Gott der Winde, die Großzügigkeit von Ikatere, dem Vater der Fische, und Mrs. Simpson – das wird was!

Brown Killer. Haken: Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Eichhorn, braun; Körper: Wolle, rot oder gelb; Seitenfedern: Entenfeder, kastanienbraun (im Original von der Löffelente).

Brown Quail. Haken: Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Eichhorn, schwarz; Körper: Wolle, rot oder gelb; Seitenfedern: Wachtel.

Bum Fly. Haken: Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Körper: Wolle, rot oder gelb (das Original nennt Cheviot Wolle); Schwanz und Seitenfedern: Fasan, drei Paare.

Man nennt sie „Killer“, schlicht und einfach Mörder, und der entsprechende Bindestil heißt „killer style“. Dieser Fliegentyp ist in Neuseeland entstanden, und er ist so typisch für die Inseln wie die Maori, der Kiwi und der Kea, die All Blacks und der Haka. Es gibt wahrlich keinen äußeren Einfluss, der auf die Entstehung der Killer-Fliegen eine Wirkung hatte. Sieht man einmal davon ab, dass viele Briten nach Neuseeland kamen und blieben. Aber die Killer-Fliegen stehen nicht in britischer Tradition, eher schon in amerikanischer. Einem Streamer eine Schulter respektive Seiten zu binden findet man ja bei den Streamern von Carrie Stevens und anderen Mustern aus Maine, aber lässt man bei einem „Grey Ghost“ die Flügel weg, entsteht noch lange kein Killer-Look. Den Streamer zeichnet ja per Definition seine relative Länge aus, er soll „streamen“, also laufen, denn Länge läuft. „Killer“ sind dagegen kompakte Verdränger, auf normale Nasshaken gebunden, und bieten eher das an, was man auf Englisch „morsel“ nennt, einen Bissen, einen Futterbrocken.

Duchess. Haken: Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Rippung: Ovalsilber; Schwanz: Fasanenfibern; Körper: Wolle, rot oder gelb; Seitenfedern: Fasan, goldbraun mit schwarzer Spitze.

Hamill’s Killer (Green Sleeves). Haken: Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Eichhorn, schwarz; Körper: Wolle, grün; Seitenfedern: Rebhuhn, grün.

Kilwell No. 1. Haken: Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Eichhorn, schwarz; Körper: Wolle, rot oder gelb; Seitenfedern: Rebhuhn, gebändert.

Ihre Geschichte lässt sich vielleicht am Beispiel der „Mrs. Simpson“ erklären. Das Muster wurde eventuell von einem Anwalt aus Auckland, Mr. Selwyn Clark, bei einem Aufenthalt in der Waitahanui Lodge von Fred Fletcher erfunden. Er benutzte die gestreiften Federn vom Rebhuhnrücken und sein Muster gilt in der Taupo-Gegend als die einzige wahre „Mrs. Simpson“. Ein anderer Gewährsmann, Frank Lord, will einen Fasanenzüchter in der Gegend von Hastings als Erfinder gewürdigt wissen. Dann gibt es die Story von Miss Mona Carter aus Tisdalls, die 1939 diese Fliege von einem Kunden bekam und kopieren sollte. Die Geschichte jedoch, die mir am besten gefällt, ist die von John Wells aus Rotorua. Ein Freund von Mr. Wells war häufiger Gast in einer Fishing Lodge, die für eine hervorragende Trockenfischerei berühmt war. Einer der Guides ging an freien Tagen gern allein fischen und kam jedes Mal mit kapitalen Forellen zurück. Von denen er behauptete sie trocken gefangen zu haben. An seiner Fischermütze steckten denn auch die üblichen Muster, aber der oben erwähnte Gast entdeckte den Schwanz einer Fliege, der unter dem Mützenband hervorschaute. Die Fliege war nass und offensichtlich frisch benutzt. Er klaute das Muster in einem unbeobachteten Moment vom Garderobenhaken und schickte es an John Wells, der es kopierte und zu Tausenden verkaufte: Die berühmte „Mrs. Simpson“!

Kilwell No. 2. Haken: Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Eichhorn, schwarz; Körper: Wolle, rot oder gelb; Seitenfedern: Rebhuhn, gefleckt.

Lord’s Killer. Haken: Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Eichhorn, schwarz; Körper: Wolle, rot oder gelb; Seitenfedern: Schnepfe.

Leslie’s Lure. Haken: Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Fasanenfibern; Körper: Wolle, rot oder gelb; Seitenfedern: Fasanenhenne.

Das ist wirklich eine gute Story. So verkauft man Fliegen. Aber ob sie stimmt? Ganze Federn seitlich an einen Haken zu binden ist eine Idee, die vermutlich einem ungeschulten Binder gekommen ist. Hat man weder ein Buch noch ein Magazin gelesen und nie eine Anleitung bekommen, dann ist es die natürlichste Idee der Welt erst eine Feder auf die eine Seiten des Hakens zu binden, und eine zweite auf die andere. Vermutlich sind zeitgleich an verschiedenen Orten der Nord- und Südinseln solche Muster entstanden und haben eine Tradition begründet, die wir so nur aus Neuseeland kennen. Die Begeisterung, mit der Binder früherer Zeiten jede auch noch so kleine Veränderung wahrgenommen und diskutiert haben, muss man vor dem Hintergrund der alten Kommunikation sehen. Wenn ich in diesem Moment eine gute Bindeidee hätte, leider Fehlanzeige, aber nur mal angenommen, dann bräuchte ich keine fünfzehn Minuten, um sie ausgeleuchtet der ganzen Welt zu zeigen. Video machen, einstellen, fertig. Früher konnte es Jahre dauern, Jahre es Rätselratens, Jahre der Ungewissheit, Jahre der Vorfreude, bis sich ein Muster von der Südinsel zur Nordinsel durchgeschlagen hatte. Natürlich hat das dann einen anderen Wert, denn während uns das Digitale so gar nichts erzählt, hat das Analoge schon jede Menge Geschichten angesammelt.

Mallard Lure. Haken: Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Eichhorn, schwarz; Körper: Wolle, rot oder gelb; Seitenfedern: Stockente.

Mrs. Simpson. Haken: Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Eichhorn, schwarz; Körper: Wolle, rot oder gelb; Seitenfedern: Fasan, grüne Körperfeder.

Brahma Killer. Haken: Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Eichhorn, schwarz; Körper: Wolle, rot oder gelb; Seitenfedern: Brahmahenne.

In Neuseeland gibt es viele sympathische Vögel, mit denen man nicht binden sollte. Kiwi und Kea kennt jeder, Bittern sind berühmt für „Matuku“-Fliegen, Weka und Pukeko kennen auch nur wir Fliegenbinder, Tui und Fantail sind ebenfalls geschützt. Wenn die alten Muster hier und da mal solche Federn benennen, dann ist es ja wohl Ehrensache nach einem guten Ersatz zu suchen. Die Bindearbeit könnte einfacher nicht sein. Es ist eine gute Idee, die Daunen vorher zu gruppieren, um passende Paare zu finden. Dabei achtet man darauf, dass die Kiele in etwa gleich stark sind. Außerdem sollte man die Einbindestelle am Kiel mit einer Pinzette plätten. Dann sitzen die Federn besser. Sind sie ungleich, dann wobbelt die Fliege, und das ist unerwünscht. Viele Muster tragen vier Feder an den Seiten, aber durchaus möglich, dass man mal sechzehn verbraucht, etwa für eine „Lord’s Killer“ mit den zarten Schnepfenfedern.

Kea Fly. Haken: Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Eichhorn, schwarz, Federfibern, rot, zwei Keafedern (Ersatz Fasan), über dem Schwanz einsetzen; Körper: Chenille, rot oder gelb; Seitenfedern: Kea (Ersatz Fasan), oben einsetzen.

Orange Witch. Nasshaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Eichhorn, schwarz; Körper: Wolle, orange; Seitenfedern: French Partridge aka Rothuhn (das Muster wurde von einem ausgewanderten Kiwi in SA erfunden).

Die meisten Muster haben entweder einen gelben oder einen roten Körper. Rot hat den schlechten Ruf es würde Aale anlocken, denn der unerwartete Biss eines Langflossenaals, sie werden bis zu 25 Kilogramm schwer, verschafft einem Fliegenfischer wenig Freude. Tanihwa, wie die Maori den Aal nennen, sollte weder verletzt noch getötet werden. Zahlreiche Mythen ranken sich um ihn. Ich glaube zwar nicht, dass ein fast nicht sichtbarer roter Körper Aale anlockt, binde aber trotzdem lieber gelb. Die Killer-Muster sind viel zu sehr in Vergessenheit geraten! Selbst neuseeländische Fly Shops haben sie nicht mehr vorrätig, und schlimmer noch, auch keine Ahnung von ihren Nuancen. Zum Glück gibt es das Buch von Keith Draper. Er hat uns die Muster überliefert. Nicht nur in Flüssen und Seen, in Talsperren und Teichen, sondern auch und gerade in der Ostsee fangen sie ihren Fisch. Da werden ja jedes Jahr lustige neue Shrimps erfunden, und das ist auch gut so, aber dabei sollte man nicht vergessen, dass die altgedienten Neuseeländer-Fliegen deutlich mehr große Forellen gefangen haben als jeder andere Fliegentyp. Und ja, die so ähnlichen, aber doch verschiedenen Federn sind wichtig. Die jeweilige Feder ist die DNA der Fliege. Und man sollte auch der Versuchung widerstehen, Flash, Cones, JC oder was auch immer für einen modernen Kram mit einzubinden. Die Fliegen müssen so bleiben, denn nur klassisch gebührt ihnen Respekt. Neuseeland ist ein Land der Überlieferungen, und auch in Federform sollte man das annehmen. Ich war leider noch nie in Neuseeland, hoffe aber den März 2022 dort zu verbringen. Ich habe einen Plan und die Vorbereitungen laufen. Bei YHA bin ich schon mal Lifetime Member.

Ingo Karwath