Der Weg zum Horizont

Man muss auch mal loslassen können, sagte der Hechtstreamer.

Nach meiner Erfahrung, und die ist lang, gibt es keine Verbindung von Vorfach und Hechtfliege, die nicht irgendwann den Halt aufgibt und unseren mächtigen Streamer vorne oder hinten abschmeißt, und dann fühlt man sich wie ein Jungangler, dem die Mutter mal wieder zu weiche Restkartoffeln mitgegeben hat. Bevor das Karpfenangeln in seiner heutigen Ausprägung erfunden wurde, benutzte man Drillinge und Grashalme zum Halt der soften Ackerfrucht. Lang ist‘s her. Während die Carper das mit ihren Hartknödeln nun im Griff haben, und selbst die brutalen Brandungsangler ihre Köder mit Baitelastic schleuderfest machen, ist der teure Hechtstreamer die Kartoffel der Neuzeit. Wem das noch nie passiert ist, der fischt einfach nicht hart genug. Das Argument zählt ansatzweise nur dann nicht, wenn man ein ungeduldiger Fliegenwechsler ist und seinen Streamer stets anknotet. Das kann lange gut ausgehen, bis das Vorfach dann doch hinten an der Schlaufe bricht. Wie jeder Fliegenfischer weiß, kann ein falsches Timing zum sogenannten „Abknallen“ der Fliege führen, selbst wenn es eine 18er ist. Ein Hechtstreamer ist deutlich fülliger und schwerer, und mit jedem Timingfehler nähert man sich dem unvermeidlichen Bruch. Ich lasse mal Revue passieren, was ich da schon alles erprobt habe. Es gibt bekannte Hechtfischer, die fischen ummantelten Draht, es gibt solche, die Titan mögen, und andere, die auf Fluorocarbon stehen. Mason Shock Tippet haben wir hinter uns gelassen. Ich habe sie alle, alle nachgemacht. Ich bin inzwischen ein definitiv unberühmter Hechtfischer und fische ummantelten Draht. Keine besondere Marke, sondern was ich gerade zur Hand habe, von teurem Edelstahl bis zu grünem Billigdraht.

Einbinden

Der Schwede Sören Essebo, bekannt für die „Vit Gäddsara“, hat die Vorfächer der Fliege fest eingebunden. Da man das vor dem Binden tun muss, wird die Wickelei umständlich. Solche Fliegen aufzubewahren ist schwierig, und ich habe das Konzept versucht und flott verworfen. Zur authentischen „Gäddsara“ kann man es mal machen. Für den Alltag finde ich es nicht praktisch.

+ Für Ein-Fliegen-Fischer vielleicht doch bedenkenswert.

Knoten

Einen Knoten kann man sowohl in Fluorocarbon als auch in bestimmte Drähte machen. Bewährt haben sich der Palstek und der Canoeknot, die aber im Erscheinungsbild bei beiden Materialien nicht eben hübsch sind. Bei Fluoro und Nylon hat man einen dicken fetten Knoten, bei Draht bleibt so ein Eindruck von Offenheit. Beides mag ich nicht und habe das Konzept für mich verworfen, finde es aber für Notfälle die beste Wahl.

+ Eine gute Lösung für Alltag und Notfall.

MacMahon

Der Berkley MacMahon Cross Lock Swivel ist nach Meinung vieler Spinnfischer der absolut beste Karabinerwirbel. Die Cross Locks kann man einzeln kaufen oder aber vom Wirbel entfernen. Größe 1 ist klein, Größe 6 groß. Man muss unbedingt erproben, welche Größe zum Haken passt. Cross Locks sind sehr sicher, aber ihr kleines 180 Grad Hakenende passt nicht durch jedes Öhr und um jeden Draht. Kann dann sein, dass man nicht von einem dünnen 3/0er auf einen dicken 1/0er wechseln kann, weil man den kleinen Haken nicht einführen kann. Daran zu biegen verbietet sich. In der Praxis fand ich das störend und habe mich von den Cross Locks verabschiedet.

+ Der vermutlich beste Karabiner der Spinnfischer.

Solvkroken

Das gilt auch für den Norwegerwirbelkarabiner, der ja einen Ruf wie Donnerhall hat. Kneift man sich den Karabiner heraus, um ihn pur zu benutzen, bleibt das Problem der 180 Grad Biegung am Verschlussende. Darum wählt man den Solvkrokenwirbel möglichst groß, dann kann man das Hakenöhr um die Biegung schmiegen. Vermutlich aufgrund seiner Länge neigt der Karabiner aber sehr zum Aufgehen, wohl weil häufiger mal ein ungünstiger Hebel entsteht. Ich habe noch zwei Dutzend herausgekniffene Locks dieser Sorte, habe sie aber pensioniert.

+ Dieser Karabiner gilt unter Meeresanglern als der beste.

Round Snaps

Die sogenannten Round Snaps gibt es von vielen Marken, und mit einem um 90 Grad gebogenen Drahtende passen sie durch jedes Hakenöhr. Kann gut sein, dass sie mit Kunstködern prima funktionieren, denn der Wobblerwurf ist ja eine eher lineare Bewegung. Beim Fliegenwurf werden viel höhere Kräfte und Geschwindigkeiten erreicht, und der große Streamer winkelt mit verschiedenen Hebeln an seiner Befestigung herum. Darum gehen die Snaps gelegentlich auf, und ich fand das häufig genug, um sie auszusortieren.

+ Lassen sich an jedem Haken anbringen.

Micro Snaps

Micro Snaps in L sind dezent klein und aus hervorragendem Stahl gemacht. Sie lassen sich leicht bedienen, auch mit kalten Pfoten, und passen zu jedem Hakenöhr. Wenn man sie lange benutzt, brechen sie irgendwann. Das Problem ist also, dieses Zeitfenster zu definieren, da ja Wurfgewalten und Streamergewichte stark variieren. Hinzu kommen die Drills. Jeden Tag alt gegen neu tauschen kostet einen Euro. In den Bodden unbedingt angeraten. Da es trotzdem zu Abwürfen kam, habe ich sie aussortiert. Fotos von Micro Snaps an Tarponfliegen sind, nun ja, Fotos eben.

+ Da es sie schon recht lange gibt, hat sich eine treue Gefolgschaft entwickelt.

Screw Lock

33 mm lang und aus 1,2 mm dickem Draht machen Partidge Screw Lock Snaps in Größe 2 einen stabilen Eindruck. Sie sind sehr stramm gewickelt, und es ist besser sie mit der Zange zu halten, wenn man den Haken eindreht. Ihre Größe ist mir schon mal unsympathisch. Das Gewicht auch. Mein Lieblingshaken in 3/0 wiegt 0,65 Gramm, ein Screw Lock 1,05 Gramm. Wenn man mit Bellyboat und Chebu ohnehin nur schleppt, mag das gehen. Für meine Fischerei sehe ich keinen Sinn. In dankbarer Erinnerung an Alan Bramley habe ich sie einige Male versucht, und dann in den Rückraum aussortiert. Eigentlich fast in die Tonne, aber you never know.

+ Sieht de facto unzerstörbar aus.

Sprengring

Eine meiner eher enttäuschenden „Erfindungen“ war der Vorfachsprengring. An Blinkern halten die Dinger ja ewig lange, und man muss sie nur tauschen, weil sie verrosten. An der Vorfachspitze in eine Schlaufe eingedreht kann man den Ring benutzen, um sekundenschnell auch eine Fliege einzudrehen. Aber von allen Metallteilen, die ich je am Hechtvorfach hatte, sind Sprengringe die bei weitem brüchigsten. SPRENGring, möchte man sagen, sie sprengen sich fast von selbst. Nicht empfehlenswert.

Feuer

Damit kommen wir zur Feuerzeugschlaufe, die ich von ganzem Herzen ablehne und trotzdem verwende. Bei Wind und Sturm eine Agonie sie herzustellen. Ein leeres Feuerzeug kann den ganzen Fischtag versauen. Siehe aber oben, Knoten. Ich habe so ein Angeberfeuerzeug zum Zigarren rauchen, das nehme ich natürlich nicht mit, aber fische ich auf Hecht, habe ich drei durchsichtige Einwegfeuerzeuge am Mann. Hosentasche, Hemdtasche, Watjacke. Also bleibt nur der Wind als Problem. Aber wozu hat man einen Rücken. Den Draht zu halten ist nicht einfach, aber man kann sich mit diversen Klemmen behelfen. Ich arbeite gerade an einem Prototypen von Schlaufenhalter, aus Alu und Federbronze, der das Problem lösen wird. Demnächst hier in diesem Kino!

+ Wo kein extra Metallteil verarbeitet wird, kann auch keines versagen.

Kommen wir zum Resümee. Am 15.12.1984 fing ich meinen ersten Streamerhecht in Nordhessen, zusammen mit Udo Hildebrandt und Frank Moritz. Frank, unvergessen, siedelte als Pastor nach Kanada über, verstarb aber leider sehr früh. Seit damals also fische ich auf Hecht. Auch beim Trosa Wahnsinn war ich dabei. Das ist lange genug her, um ein zuverlässiges System von Vorfach zu entwickeln, und das habe ich auch, aber mit neuen Ideen spielen muss einfach sein. Mein Basisvorfach, ein Stück Nylon in 0,60, ist länger geworden. Früher 100 cm, heute eher 150 cm plus. Das Zwischenstück, früher „class tippet“ genannt, ist ein 35er Nylon und 50 cm lang. Es hat oben eine kleine Schlaufe, unten eine große. Manchmal knote ich auch einen Meter zur großen Schlaufe. Damit kann ich das 50 cm Drahtstück mit Fliege an- und abschlaufen. Früher hatte der Draht die große Schlaufe, aber andersherum ist es irgendwie besser. Meine Drahtstücke haben an einer Seite eine fertige Schlaufe. Ich verwahre sie in Schläuchen. Die Fliege sitzt in einer Schlaufe, die ich am Wasser drehe und verschmelze. Obwohl das gut funktioniert, bleibe ich weiter auf der Suche nach dem Snap aller Snaps, dem Malteser aller Karabiner, und das macht ja auch Spaß. Meine erste Hechtrute, eine Fenwick FF 910, habe ich noch. Wie schon oben gesagt geht die Tendenz nach unten. An der Küste hat die 6 die 8 abgelöst, und die gute alte 8er kann man nun prima für Hecht hernehmen, wenn man nicht auf diese finnischen Materialhühnchen hereingefallen ist. Luftige Streamer sind Trumpf.

Ingo Karwath