George Edward Mackenzie Skues, der Mann mit dem Brotbeutel und dem Besenstielnetz, unser unvergessener Nymphenvater.
George Edward Mackenzie Skues war fotoscheu. Obwohl ein schmucker junger Mann, ein beeindruckender Herr und ein ehrwürdiger Senior, muss er mit sich selbst verhandelt haben, dass weder Gesicht noch Gestalt des Lichtbildes würdig sind. Darum sind die wenigen Bilder, die wir von ihm haben, vielfältig im Umlauf und bekannt. Man findet sie auch in CC Bereichen, also für Creative Commons, aber mit ein wenig undeutlichen Copyright Informationen. Ich werde versuchen, das so gut wie möglich zu erfassen.
Eine Aufnahme von 1927, belichtet von Dr. Barton. Skues hat sein Fishing Outfit an und ist bereit für einen Tag am Wasser.
Skues war vielleicht nicht wirklich reich, aber doch sehr gut situiert, und seine Kleidung, seine Ausrüstung mit Leonard Gespließten und auch seine Reisen lassen vermuten, dass er die Sovereigns nicht umdrehen musste. Aber er hatte schon eine Vorliebe für ein klein wenig Ausrüstungs-Exzentrik. Warum schleppte er diesen komischen hellen Beutel linksseitig mit sich herum. Ich habe so ziemlich alle Bücher, die man über ihn haben kann, und eine Unzahl von Jahrgängen „Trout & Salmon“, fand aber keine Recherche, die sich mit Skues Beutel beschäftigt. Habe ich etwas übersehen? In einem Bericht von Dr. Barton über Skues Vorlieben wird berichtet, er habe Blechdosen für Streichhölzer als Fliegendosen benutzt. Seine Fliegen pinnte er in kleine Papierstreifen. Sein Netz war nicht etwa bei Leonard gefertigt, sondern eine Besenstiel von 1880, den er für sechs Pence gekauft hatte. In dem postum erschienenen Buch „Itchen Memories“ wird an einer Stelle über den Inhalt des Leinenbeutels berichtet, als da wären: Fliegendosen, Marklöffel und Tücher. Schere, Ersatzvorfächer und Priest hatte er vermutlich in der Jacke. Das mag sich noch klären, aber zunächst kam mir in den Sinn was mir eigentlich immer in den Sinn kommt, ich nähe mir so einen Beutel und probiere es aus.
Ebenfalls von Dr. Barton aus dem Jahr 1927. Einen Tag später als das obige Foto. Skues hat sich mit seinem Outfit in Position gesetzt. Das hat er nur sehr selten, eigentlich nie getan. Die Rechte der Bilder sind bei der National Portrait Gallery, London.
Ich habe natürlich verschiedene Annahmen, warum Skues sich bebeutelte, und eine bezieht sich auf seine zahlreichen Braces. Ein Brace sind zwei Forellen, und er fing mit seinen Nymphen und seinem überragend präzisen Wurf oft zwei davon und musste also vier dicke Forellen mit sich schleppen. So einen Beutel konnte man zwar gut im Wasser ablegen, aber danach möchte man sich so ein Ding ja auch nicht nass über die Tweedjacke hängen. Ich nehme also an, er hatte mehr als einen. Sie lassen sich abends flott auswaschen und anderntags wieder verwenden. Das werden entweder die Keeper oder das jeweilige Hotelpersonal erledigt habe. Schaut man auf den Bildern genau hin, erkennt man einen genialen Haken, es könnte auch eine Nadel sein, mit dem sich der Beutel ohne große Verrenkungen abnehmen lässt. Hat man sich also auf Knien oder sonstwie einer Forelle genähert, konnte man den Sack ohne große Bewegungen unauffällig entfernen. War der Fisch gefangen und versorgt, kam er in den Beutel und Skues wanderte weiter stromauf auf der Suche nach der nächsten Herausforderung. Mit dem Beutel war er auf große Entfernungen zu erkennen, und die Keeper und auch seine Mitfischer wussten auf einen Blick: Aha, da fischt der alte Skues! Ich nehme weiter an, dass er mit diesem Erkennungsmerkmal auch selbst höchst zufrieden war. Schaut man sich bei den einschlägigen Händlern von Militaria um, findet man eine Vielzahl von ähnlichen Beuteln bei verschiedenen Armeen und Truppenteilen und man könnte, wenn man denn wollte, diese „haversacks“, „knapsacks“ oder „Brotbeutel“ sammeln. Skues selber hat wegen einer Behinderung nicht gedient, es ist aber möglich, dass er über seinen im WK 1 kämpfenden Bruder oder andere Bekannte beim Militär in den Besitz solcher Beutel kam, sozusagen als „army surplus“, und auch aus diesem Grund eine Beziehung zu den Taschen hatte.
Ebenfalls von Dr. Barton. Nach der Ansicht des ersten Abzuges entschied sich Skues, mit einem Hut und anderer Rutenhaltung noch einmal zu Modell zu sitzen. Der Brotbeutel blieb natürlich.
Als nun mein alter Schweizer Regenmantel aus Etaproof so zerschlissen war, dass ich einen neuen brauchte, habe ich mir zwei schöne Stoffbahnen herausgeschnitten und einen Beutel genäht. Ösen zu nähen war kein Problem, und auch die speziellen Messinghaken ließen sich zu meiner Freude bei Leder Rickert erwerben. Das Ergebnis fand ich überzeugend, und man kann in der Tat sehr einfach eine Fliegendose und einen kleinen Lunch einpacken und unbeschwert fischen gehen. Ein angenehmer Unterschied zu unserer modernen Ausrüstung, bei der wir uns mit Gadgets behängen wie ein Punker. Zwei Brace wird mein Beutel sicher nie tragen müssen, ich sehe in ihm eher eine Möglichkeit, mich mal auf den alten Stil einzulassen und mit einer Gespließten und unbeschwerten Nymphen eine Zeitreise zu machen, aus der man ebenso unbeschwert und zufrieden in die moderne Welt zurückkehrt. Wo sonst geht das so einfach.
Ich hatte lange Zeit im Sinn, so ein Skues Lookalike Foto zu machen, und habe das zum Glück gelassen. Irgendwie gehört sich das nicht. Im Bild sieht man mein altes ABU Netz mit einem modernen Netzbeutel, meine Garrison 215, Seriennummer B 12/13, 1985 von Udo Hildebrandt gebaut, und den nachempfundenen Skues Beutel mit dem Spezialhaken, den man bequem kniend lösen kann. Ich jedenfalls kann das Bild nicht anschauen ohne sofort ans Wasser zu wollen.
Ingo Karwath