Ist sie die größte Trockenfliege aller Zeiten?
Getreu dem Motto „warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht“, habe ich unlängst im Internet nach „Egyptian Goose Hackle“ gesucht und wurde in Norwegen fündig. Der Umschlag mit den Federn hat sich auch tatsächlich bis zu mir durchgeschlagen, aber er wurde im Zollamt Hamburg geöffnet und untersucht. Mit gutem Grund, wie ich finde, denn es fand sich weder ein Absender noch ein Beischreiben. Weil der Versender auf seinen Seiten auch verbotene Federn hatte, bin ich wohl nun auf einer Liste von Verdächtigen. Nicht nur das, der Name des Händlers fällt sogar in dem Buch „Der Federndieb“. Wo bin ich da nur hineingeraten? Doof gelaufen, denn wenig später fand ich weitere Federn in den ebay Kleinanzeigen. Da habe ich gleich noch ein paar mehr bestellt. Binden wollte ich die No. 47 der hundert besten Fliegen von Halford, die „Egyptian Goose Hackle“. Und die geht so: “Hackles. One or two well-marked darkish feathers from the breast of an Egyptian goose, undyed or slightly dyed red according to recipe No. V. Body. Pale maize floss silk ribbed with a strand of peacock, selecting one which is pale cinnamon at the root. It is worked with the pale portion at the shoulder, and the bronze portion showing about three turns or ribs at the tail end of the body. Whisk. Gallina dyed in diamond dark brown. Hook. No. 3 long. For a variety the body can be made of Rofia grass laid over white quill, and ribbed with flat gold, or red or olive silk. For trout bulging at the nymph this is the most successful pattern existant.”
Der letzte Satz hatte es mir angetan, außerdem ist die Fliege wirklich ein gewaltiger Besen und ich wollte sie schon immer mal binden. In Frankreich benutzte man früher Maifliegen, die waren auf 6er oder gar 4er Haken gebunden. Das grenzt wurfmechanisch an einen Popper. Eine 4er Maifliege könnte zusätzlich einen Zaunkönig imitieren. Das muss eine Show sein, wenn eine Kiloforelle steigt und nimmt. Meine Gedanken wandern in letzter Zeit oft zu den Maifliegen, und ich werde in den nächsten Jahren einige Reisen der Ephemera danica widmen. Das hat zwei Gründe. Ich habe mich verändert und kann erstmals andere Urlaubszeiten nehmen, und werde außerdem in weniger als zwei Jahren pensioniert. So kommt der Juni wieder in den Fokus meiner Urlaubsmöglichkeiten, und der wunderbaren gelben Fliege wieder Zeit zu widmen wird möglich. Ich freu‘ mich drauf, auch auf die etwas schwereren Gespließten und Rollen, die ich dafür bauen könnte. Die Bindeanleitung geht im Prinzip davon aus, die Fliege von vorn nach hinten zu binden. Es gehörte außerdem zu Halfords Stil, dass er den Bindefaden stets von hinten um die Fliege führte, also von vorn gesehen gegen den Uhrzeigersinn. Auch das möchte ich nicht nachahmen, obwohl es zum Einbinden von Flügelchen ein guter Trick ist. Ich halte es aber für eine gute Idee, das Pfauengras über den Körper von hinten nach vorn zu wickeln und mit dünnem Golddraht dagegen zu rippen. Und dann die Hechel oder Hecheln zu binden, aber hinter den Hechel abzuschließen. Will man näher am Original bleiben, jedenfalls optisch, würde ich das Pfauengras mit Allesnäher sichern. Wie man’s auch macht, die Fliege ist ein veritabler Bussard und ein Spaß am Bindetisch. Ich freue mich auf den ersten Ring, in dem ich sie verschwinden sehe.
Halford band diese Fliege von vorne nach hinten, wickelte also zuerst die Hechel, erklärt dann aber nicht, ob er den Körper von vorn nach hinten oder umgekehrt baut. In einem Fall sitzt der Schlussknoten zwischen Körper und Hechel, im anderen Fall im oder am „Tag“. Am radierten Pfauengras jedenfalls ließ er einen Zentimeter unradiert und erzeugte Tip und Rippung zugleich. Ich trenne diesen Vorgang, denn radiertes Pfauengras ist eine Mimose und reißt zu gern plötzlich ab. Dann muss man den ganzen Körper zurückbauen und neu anfangen. Darum trenne ich und teste das radierte Gras auf Zug, und binde es ein. Hat sich bewährt.
Rezept: Streamerhaken Gr. 8 bis 12; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Henne, dunkelbraun; Tag. Pfauengras; Rippung: Pfauengras, abradiert, Golddraht gegenläufig (optional); Körper: Floss, blass maisgelb oder Raffia; Hechel: Nilgans.
Ingo Karwath