Eric’s Secret Fly

Eine Oktoberwoche in der Suskeena Lodge am Sustut.

Der Kamin im Hauptgebäude wärmt auch den kältesten Fischer wieder auf.

Es gibt da ein Sprichwort für Fliegenfischer, das kostet uns eine Menge Geld: Man muss dreimal an einen Fluss reisen, um einmal gute Bedingungen zu haben. Ich hatte kaum die Tür zu meinem Zimmer im Best Western in Seattle abgeschlossen und mich nach der langen Reise ausgiebig im Sessel lang gemacht, da piepte mein Handy. Eine Mail von Angela. Inhalt: Wir haben extremes Niedrigwasser und können im Moment noch nicht sagen, ob wir nächste Woche fischen können. Allen Gästen wird angeboten, ihre Woche kostenfrei zu stornieren oder auf 2019 umzubuchen! Ein ehrliches und großzügiges Angebot. Sitzt man allerdings mit fest gebuchten Flügen in Seattle, kann man nicht mehr abbrechen. Mein Plan war, den letzten Flug auf meine Kosten von Smithers auf Terrace umzubuchen und dort in der Gegend, die ich immerhin ein bisschen kenne, DIY steelheading zu machen. Der Traum vom Sustut begann zu verblaßen. Nach drei Tagen in Seattle dann die gute Nachricht: Wir haben ein Programm ausgearbeitet und fischen nächste Woche. Sehr erleichtert flog ich Samstag nach Vancouver und, nach Surf & Turf bei Joe’s Seafood & Chop, am Sonntag weiter nach Smithers.

Drei Mann in einem Boot. Lunchpause mit Stuart am Unterlauf. Foto von Eric.

Im Flieger war ich der einzige Mann ohne Kappe. Außer Malcolm, ein Fliegenfischer aus Schottland, der ebenfalls zu der kleinen Gruppe gehörte, die Joanne am Flughafen in Smithers mit dem Schild „Suskeena“ einsammelte. Wir waren nur fünf Fischer. Malcolm, Stuart aus Kalifornien, Matt und Steve aus Bainbridge Island, und Ingo aus Deutschland. Nach einer Pizza bei Boston Pizza, 12 Inches, als Forelle klein, als Pizza zu viel, weil enorm fett, und ruhiger Übernachtung im Storks Nest ging es am Montag früh weiter. Der Aufbruch vollzog sich eher hektisch, denn die Wolken waren schon in der Früh aufgerissen und der Pilot von Tsayta Air wollte los. So eine alte „Otter“ startet ja nicht wie man das kennt, sie springt sozusagen aus dem Stand hoch. In einem Tal mussten wir dann doch wegen des Wetters umkehren, 180er auf einem Bierdeckel, und eine andere Route fliegen. Die kurze Landebahn im Busch, die Suskeena Lodge und Valhalla Lodge betreiben, war zum Glück wolkenfrei und ruckzuck war die neue Gruppe aus-, die alte Gruppe eingeladen. Über den Kollegen der Vorwoche war eine arktische Bombe hochgegangen. Frost und absolute Trockenheit. Ihre Erfolge waren schlecht. Einige hatten keinen Fisch gefangen. Nicht eben motivierend. Wir wurden in schrottreife Geländewagen verpackt und zur Lodge gefahren. Motoren, Getriebe und Bremsen einwandfrei, aber ein Zustand, als wären drei halbstarke Grizzlys die Vorbesitzer gewesen. In der Lodge dann eine herzliche Begrüßung durch Angela, Eric, Toby, Kyle und Kylie. Angela und Eric Van Velzen sind die Besitzer, Toby und Kyle Guides, Kylie macht Küche und Service. Durch die Absagen anderer Fischer wurde uns der Luxus zuteil, jeder eine eigene Hütte zu bekommen. Das kostet sonst extra. Wir erhielten eine Einweisung, denn bis auf Malcolm waren wir alle Rookies, Firsttimer am Sustut. Eine der wichtigsten Grundregeln: Das Bärenspray immer am Mann haben. Auch im Camp. Auf der Flasche steht eine lustige Anweisung, nämlich wie man sie nach der Benutzung ordentlich wieder verschließt und sichert. Ich meine, das ist schon ein ganzer Kerl, der einen angreifenden Grizzly besprüht und dann die Flasche schließt und sichert. Das ist eine Aktion im John Wayne-Bereich. Mit so einer Buddel am Watgürtel fühlt man sich gleichzeitig etwas sicherer und unsicherer. Die Flasche ist real. Die Bären aber auch. Die Flasche wiegt 500 Gramm. Ein Grizzly 600 Kilo.

Einer von meinen.

Mit der festen Hoffnung sie nicht benutzen zu müssen querte ich als einziger den Sustut unterhalb der Lodge und fischte mich einen Kilometer runter. Die Kollegen wollten lieber nicht fischen. Es war ein großartiges Gefühl so allein am Fluss, und meine Wurfübungen mit dem Skagitkopf wurden stetig besser. Nach einem wunderbaren Dinner von Angela, Eric ist so gut verheiratet, war ich eingeschlafen, kaum dass der Kopf auf dem Kissen lag. Um 21.30 Uhr gehen die Generatoren aus. Dann sind auch die Hunde nicht mehr draußen. Wegen der Wölfe. Storm und Taiga, die beiden Huskys von der Camp Security, kommen mit Bären klar. Aber Wölfe machen mit Hunden kurzen Prozess. Um 5.30 springen die Generatoren an und die Außenlichter leuchten wieder. Es ist eine gute Idee gleich aufzustehen und den Ofen anzumachen. Anmachholz, ein Spritzer Diesel, Holz, ein Streichholz, das lernt man im Laufe der Woche, denn die Nächte sind frostig im Oktober. Ist der Ofen an, krabbelt man noch mal ins Bett und genießt die Stimmung. Der Ofen bollert, Taiga und Storm suchen das Camp ab und bellen hier und da, aber trotz aller Gemütlichkeit sollte man um sieben angezogen sein. Dann wird die Triangel geschlagen und das Frühstück ist fertig

Jede Hütte hat einen eigenen Ofen. Kommt man um 18 Uhr von der Fischerei zurück, hat Kylie schon vorgeheizt.

Um acht Uhr geht es los. Entweder mit dem Helikopter hoch zum Bear Creek Pool und dann mit Rafts durch den Canyon, mit dem Jetboat stromauf, mit dem Raft von der Lodge bis runter zu Valhalla, oder mit dem Quad zur Valhalla Lodge und von dort mit den Jetboats stromab. Eric und die Guides gaben alles, und um es gleich zu sagen, jeder in unserer Gruppe fing 2 bis 4 Steelheads. Dazu noch große Bulltrouts, bis 3 Kilo, die keiner will. Meine Einhandrute war die falsche Wahl. Das ging gar nicht. Hab‘ seit Jahren keine Einhand mehr hier oben gesehen, witzelte Toby. Aber meine 8132-6F Loop Cross ST war eine reine Freude. Meine erste Loop. Bei meinem Besuch bei Sage war man ja leider nicht auf die Idee gekommen, mir eine Rute anzubieten.

Das leise Raft ist viel besser als das laute Jetboat.

An dem Morgen, an dem ich für die obere Drift eingeteilt war, kam Eric zum Hubschrauberlandeplatz und hielt uns seine geschlossene Faust hin. „Wer will meine geheime Fliege?“, fragte er, und da es zu meinen Talenten gehört, auch früh schon sehr wach zu sein, war meine Meldung die erste. Natürlich habe ich nicht damit gefischt, sondern das Muster für einen späteren Nachbau wohl verwahrt.

Der Ofen trocknet wie ein Miele Trockner. Nur das Aroma ist nachhaltig Waldbrand.

Eric’s Secret Fly. Haken: Größe 2. Bindeseide: schwarz. Dubbing: purple, nur auf dem Haken. Hechel: Marabou, pink und purple im Wechsel, etwa schwarzes Krystalflash dazwischen. Verbindung: Braid, 40 kg Tragkraft, 2 cm Schlaufe. Shank: 30 mm. Hechel: Marabou, pink und purple im Wechsel, 4 Stück. Kopfhechel: Marabou, schwarz

Der Haken trägt einen Dubbingkörper und zwei Marabouhecheln. Das Flashmaterial sitzt zwischen den Hecheln.
Der Shank hat nun zwei Hecheln und Flash.
Zwei weitere Hecheln und die schwarze Kopfhechel beenden die Fliege. Nun bekannt als „Eric’s Fly“. Das „Secret“ ist futsch!

Die Tage in der Lodge vergingen wie im Traum. Ja klar war das wenig Fisch für viel Geld, aber ich bin, obwohl ich auch schon den oberen Copper mit dem Heli befischt habe, noch nie in so einer Natur gewesen. Damals am Copper war Hans Gebetsroither mit von der Partie, und ich habe noch alte Dias, der Hans in grauer Zopfjacke mit grünem Hut, und er war von der Natur mehr fasziniert als von den Fischen. So halb und halb ging es mir jetzt auch so. Man fliegt mit einem Heli den Fluss hinauf, dort wartet ein Raft hinter einem Elektrozaun und einem Minengürtel mit hunderten Mottenkugeln. Bären hassen den Geruch. Der Strom hält sie zuverlässig davon ab das Raft zu zerkauen. Sie lieben das. Der Hubschrauber hebt ab. In völliger Stille bleibt man zurück. Nur ein Rabe meldet. Währende der Drift sieht man Biber und einen kapitalen Otter. Ein Elch interessiert sich in der Lunchpause zu sehr für uns und Toby muss ihn mit dem Raft schubsen und anbrüllen. Eine Sandbank ist aufgewühlt wie von Panzern, weil dort Elche kämpften. Wenig später pflückt uns ein überhängender Baum die Ruten aus dem Boot. Meine nicht, die hatte ich in der Hand. Toby kämpft sich an Land und rettet das Tackle. Nach fast 10 km Drift fange ich in einem Pool kurz vor der Lodge einen Fisch auf blauschwarze „Kilowatt“. Ich hatte den Widerhaken nicht gut genug angedrückt und bekomme Schimpfe. Hier gilt „single barbless“. Wir machen am Anleger fest und Kylie kommt mit einem Tablett und vier Irish Coffee. Nach einer warmen Dusche gibt es Steak und Lobster. Angela und Eric haben Karibikerfahrung. Sie haben dort jahrelang eine Lodge geführt. Wie schön, dass sie nun hier sind. Man kann Suskeena nicht an den Fischen messen. Ein Fisch pro Tag gilt hier als guter Durchschnitt. Es gibt hier fast keine Kleinen und so ab 14 Pfund aufwärts geht’s erst los, aber irgendwie ist das Ganze größer als der Fang. Es ist ein Geschenk des Lebens das erleben zu dürfen. Einmal noch will ich wiederkommen. Oder zweimal.

An jeder Hütte gibt es seitlich einen Rutenhalter.

Gerätetipp

Ich hatte eine Einhand Klasse 9 und eine Zweihand mit. Besser wäre eine zweite Zweihand als Reserve. Zwei gute Rollen mit 150 bis 200 Meter Backing vervollständigen die Hardware. 30pfünder kommen vor. Der Sustut ist gut bis mittelschwer zu bewaten. Bei kopfgroßen und sehr runden Steinen am Grund freut man sich über Filzsohlen. Die Lodge hat eine vernünftige Ausrüstungsliste. Mit Fliegen muss man sehr großzügig versorgt sein. In einer Woche verliert man leicht 50 bis 100 Fliegen, je nachdem wie gut man die T-Tips steuern kann. Ich hatte zu viele verschiedene und zu wenig gleiche Muster. Zwei Dutzend pro Muster wären ideal. Da hat man selber genug und kann auch mal welche verschenken. 

Reisetipp

In Vancouver sollte man eine Nacht bleiben und die Reise mit einem guten Essen beginnen. Bis Smithers muss man sich alleine durchschlagen. Aber das bekommt jedes Reisebüro hin. Ab da ist man in Gottes Hand, denn der Flieger steigt nur auf, wenn er eine Chance hat durchzukommen. Hat Gott Wolken geschickt, kümmert sich Joanne Campbell um die Gruppe. Genial und für mich neu war der Einsatz von Dronen, mit denen die Piloten selber über die Wolken schauen. Ist es oben klar und am Zielort auch, starten sie. Da muss man als Passagier Vertrauen haben.

Zur Lodge

Angela und Eric bieten nichts weniger als einen veritablen Traum. Die Lodge, die Hütten, das Essen, der Service – alles erste Sahne. Wir waren eine ruhige und wenig trinkfeste Gruppe. Meine vorbestellte Flasche Gin habe ich nicht einmal halb gelehrt. Und trotzdem immer so gut geschlafen, dass ich nicht einmal den Schuss in der Nacht gehört habe, als Eric mit Gummischrot einen Grizzly ermahnen musste, der das Altglas interessant fand. Sie sind da, die großen Graubären, und man macht dort keine Bärenwitze. Mit den Guides am Wasser fühlt man sich trotzdem sicher, aber es ist schon ein anderes Gefühl als an der Traun. Es ist ein Angelabenteuer. Mit Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch auf Porzellan und Wein in Kristall. Und ehrlicher, harter Fischerei von 8 bis 18 Uhr. 

Kontakt

www.sustutriver.com

Ingo Karwath