Na, du alter Sack…

Ich weiß ja nicht, ob Sie’s wussten. Aber ich bin der Karl Lagerfeld der Seesäcke.

Eine kleine Sammlung von Lederwerkzeugen gehört eigentlich in jeden Fliegenfischerhaushalt.

Zu meiner Zeit, also vor mehr als vierzig Jahren, war das Segelschulschiff  „Gorch Fock“ das Traumschiff aller Singlefrauen, denn wo sonst findet man auf kleinstem Raum zweihundert Männer, die alle nähen und putzen können – und aufs Wort gehorchen. Den Kapitän, damals von Stackelberg, und den Ersten, damals von Schnurrbein, mal ausgenommen.

Riemen, Gurtbänder, Sportbänder, alte Hundeleinen und Gürtel niemals voreilig wegwerfen.

Trotz der Segelmacherei an Bord gehörte es natürlich zur seemännischen Ausbildung, dass man nähen lernen musste. Knöpfe annähen und einen Riss flicken hatte man immerhin schon in der Grundausbildung gelernt, in der „Grundi“, aber mit einem Segelmacherhandschuh die kantige Nadel durch Persenning stechen war eine andere Welt. Nähen für Männer. Jeder bekam ein Stück des öligen Gewebes und ‚durfte‘ einen kleinen Eimer nähen. Den Boden einnähen war gar nicht so leicht, und auch die genähten Ösen und der Seilrand waren eine Herausforderung. Hier und da hallten Flüche über blutige Werkstücke, Fluch der Förde, sozusagen.

Die Nadel muss nicht dreikantig sein, und einen Segelmacherhandschuh braucht man auch nicht unbedingt, aber Wachs ist unverzichtbar.

Obwohl ich an meiner Schule nur kurz Werken und kein Textil hatte, gab’s damals nicht, stellte ich mich vergleichsweise geschickt an, weil ja Jungangler immer mal so dies und das basteln und bei diesem DIY handwerklich reifen.

Die Naht an der oberen Kante ist fertig und wurde mit einer Nähahle angelegt.

Mein später in den Monaten auf See hergestellter Seesack, den ich verliebter Idiot dann gleich in Kiel verschenkte, war ein Starstück. Und ich weiß nicht mal mehr wie sie hieß. Ich nähte mir dann an Land einen neuen, aber da steckte kein Seegang, kein Gefühl mehr drin. Dann habe ich lange nichts mehr genäht, verwahrte aber ein großes Stück von dem schweren Tuch.

Gurtband und ein alter Messing-D-Ring bilden die Halterung.

Bevor ich von Göttingen nach Hamburg zog, nähte ich aus meinem letzten Stück Persenning einen gewaltigen Seesack für Udo, der damals gerade mit dem professionellen Rutenbau begann. Speziell erdacht für den Transport von ganz vielen Ruten, lang und schlank, mit einer Kappe und genialen Verschlüssen. Das ist jetzt bald dreißig Jahre her, und ich habe vor ein paar Jahren mal den Boden erneuert. Udo hat den Sack unter anderem lange Jahre benutzt, und tut es wohl immer noch, um in England Ruten zu kaufen. Auf einschlägigen Messen ist er als der „Mann mit dem Sack“ bekannt. Ein solches Werkstück ist mir nie wieder gelungen. Aber zu so einfachen Teilen konnte ich mich immer mal wieder aufraffen. Seesäcke, Strandtaschen, Rutenköcher, und auch mal einen Windschutz. Meine Ausbilder, allen voran unser Schmadding, hatten mich also nicht vergeblich nähen lassen.

Mit einer Lederabdeckung sieht das edel nach Brady aus, der Supertasche aus England.

Dieser kleine Artikel ist nun aber nicht dazu da in alter Zeit zu schwelgen, mir ist nur aufgefallen, dass ich allen modernen Taschen, Bags, Slings und Packs zum Trotz anscheinend so etwas wie der Prophet der kleinen Seesäcke bin. Und wo immer ich am Wasser Fischerkollegen treffe, sind die so interessiert an den praktischen Beuteln, dass ich etliche hätte verkaufen können. Mach ich aber nicht. Meine Freizeit ist rar. Ich zeige Ihnen aber wie es geht.

Mit einer Schlingnaht wird der Köcher zugenäht.

Zunächst einmal fährt man mit dem Rad zum Hafen und geht in die Segelmacherei oder aber man geht ins Internet. Persenning wie früher wird man da nicht bekommen, aber es gibt eine Vielzahl von naturfarbenen Segeltüchern im Look von ‚annodunnemal‘.

Das fertige Stück ist massgeschneidert für den nur 48 cm kurzen Solvkroken…

Hat man das Tuch erworben, fehlen nur noch ein kräftiger Schusterfaden, gar nicht unpassend auch als Forellenfaden bekannt, und eine Nadel. Und eine Kugel Bienenwachs. Ein Segelmacherhandschuh hilft, kann aber durch eine Zange ersetzt werden. Meine eigene Leder- und Segeltuchausrüstung ist überdurchschnittlich, weil ich ja schon Lederrohre, Lederdosen und andere Dinge genäht habe. Wo immer ich sie finde kaufe ich solche Werkzeuge, etwa im Trondheim am Hafen, gleich Visasvis von den Fischhallen. Außerdem hebe ich alle möglichen Riemen, Gurte und Schnallen auf, wenn mir ihre Qualität bewahrenswert vorkommt.

… der nun hinten an der Weste mit einer Endlänge von 106 cm auf ein Böschungsproblem lauert.

Na, dann legen wir mal los. Ich nähe einen Köcher für den kleinsten Solvkroken-Kescher, 2013 an der Glomma gekauft. Den wollte ich schon immer haben, hinten an meine Weste hängen und dann vergessen. So wie einen Feuerlöscher im Auto. Nur für den Notfall.

Mit den kleinen Taschen zieht man Bogagrip und Zange schneller als Billy the Kid – in diesem Fall in der Karibik.

An einem Stück Segeltuch habe ich zunächst den Rand zweimal eingeschlagen umgebügelt, und das ist so, als würde man Sperrholz bügeln. Dann habe ich einen Nahtstrich gezeichnet, ganz keck außen mit Bleistift, sonst wird die Naht ja gern mal schief. Mit einem gewachsten Faden habe ich die drei Lagen Segeltuch dann durchnäht und eine hübsche Naht gelegt. Mit einem grünen Gurtband aus meiner Resteschublade, noch vom Göttinger Sattler in der Groner Straße, und einer alten Öse von meiner völlig durchgescheuerten Hardy-Aln Tasche, nähe ich mit doppelter Naht eine Halterung. Das sieht natürlich nicht gut aus und bedarf einer Abdeckung, die mit einem Lederstück schnell gemacht ist. Jetzt dreht man das Tuch auf Links und schließt dem Köcher die seitliche und untere Naht. Da gibt es einen speziellen Stich, den man wohl Schlingstich nennt, und den sticht man durch beide Kanten. Er hält und versäubert gleichzeitig. Zuletzt dreht man sein Produkt wieder auf Rechts, schiebt den Kescher ein, hängt den Köcher an die Rückenöse der Weste und vergisst ihn dort. Bis man mal vom hohen Ufer aus eine Kiloforelle bergen muss.

Der Meerforellenköcher ist schon länger als zehn Jahre im Einsatz und hat sich sehr bewährt.

Für Meerforellen trage ich schon jahrelang einen größeren Köcher mit einem alten Hardy Atlas-Netz wie einen Rucksack auf dem Rücken. Man kann ein Hardy-Gaff hinzutun ohne dass es bemerkt wird. Aber das mache ich nicht mehr. An der Karup Au ist es immer noch üblich. Man braucht es vermutlich alle zwanzig Jahre oder nie.

Boga Grip im Mini-Seesack. Für Hechte inzwischen pensioniert, da ich mir ein Release Tool für Hechte gewerkelt habe.

Ein aktiver Bedarf nach kleinen Gürteltaschen mit großen Schlaufen ergab sich unlängst bei den Fischerei in den Bodden, denn die käuflichen Etuis ließen sich nicht über den breiten Gurt des Shooting Baskets ziehen. So entstand eine Serie von Taschen, in denen sich eine Zange und ein Bogagrip befinden. Zusätzlich mit einer Fangschnur gesichert. Regelmäßig im Einsatz ist neuerdings eine Gürteltasche für eine Fliegendose mit Poppern. Letztlich auch ein kleiner Seesack.

Der Sack ist eine Urform der Tasche und kann nicht versagen. Selbst zwischen Kohlefaser und Flugzeugaluminium. Das spricht für ihn. Einen Markt für fliegenfischereiliche Seesäcke kann ich mir gerade nicht vorstellen, aber vielleicht wollen Sie ja mal einen machen. Mit dem fertigen Stück gehen Sie dann zu Ihrer Frau und hören das Lob was ich immer höre: Schatz, du bist der Karl Lagerfeld der Seesäcke!

Ingo Karwath