Ein Fliegenrahmen erzählt bessere Geschichten als die meisten Flachbildschirme.
Die denkbar schönsten Fliegenrahmen und -boxen könnte wohl ein Tischler herstellen, der außerdem gelernter Buchbinder ist. Durchaus möglich, einen Mann oder eine Frau zu finden, der oder die beides gelernt hat. Ist dieses Problem gelöst, ergeben sich zwei neue. Solche Rahmen hätten einen stolzen Preis, und erreichte man den Wohlstand sie sich leisten zu können, feierte man meist die Silberhochzeit mit einer Frau, die das Aufhängen solcher Rahmen im Wohnbereich streng unterbindet. Konnte man sich als Mann die Lufthoheit über sein häusliches Arbeitszimmer oder das Büro in der Firma bewahren, so ist das der natürliche Ort für Fliegenrahmen und Fischbilder aller Art. Was dann aber – „Ach, Sie angeln?“ – nicht selten zu unerwünschten Gesprächen führt.
In meinem Büro hängen etliche Bilder, die eine eindeutige Botschaft senden, Aquarelle von Jo:son, Gustavson, Ergert, Saabye und Hassell. Und auf die Frage antworte ich mal ja, mal nein. Ich besitze im Moment aber nur einen Rahmen mit Fliegen. Er hängt in einer speziellen Deko-Nische im Bücherregal in meinem häuslichen Arbeitszimmer und ist so mehr oder weniger selbst gemacht. Der Rahmen ist von der Stange, seine Inneneinrichtung von mir. Die Qualität ist für den Hausgebrauch okay, aber natürlich nicht auf dem Museumsniveau der Rahmen von William Cushner, dem wohl berühmtesten Rahmenbauer.
Cushner wurde 1914 in Kanada geboren und zog 1924 mit seinen Eltern nach New York. Er entwickelte früh eine Neigung zu Kunstmuseen, diente im 2. Weltkrieg und verdiente danach sein Einkommen mit der Herstellung von Holzboxen. 1949 baute er seine ersten Rahmen für Museen und Galerien und eröffnete in den 50ern einen Rahmenladen in Lower Manhattan. Sein Ruf als „geometric constructionist“ führte dazu, dass seine Rahmen als Kunstwerke gesammelt wurden.
Als ein lebenswichtiger Kunde kam eines Tages Herman Kessler, damals Art Director von Field & Stream, in das Geschäft und bestellte einen Rahmen für eine Fliege, die seine Frau Helen Shaw gebunden hatte. Die werden Sie vielleicht kennen, denn sie ist neben Carrie Stevens wohl die bekannteste amerikanische Binderin. Eine Shaw-Fliege in einem Cushner-Rahmen als Dachbodenfund in Ihrem Haus hätte den Wert einer Ponoi-Woche. Im September!
Der Ribba-Rahmen von Ikea ist wegen seiner hohen Leiste ideal für Objekte.
Er bietet von der Glasscheibe bis zur Hinterkante 26 mm Luftraum.
Mit Kessler und Shaw hatte Cushner ein neues Thema, eine neue Passion gefunden. Es ist schon enttäuschend dass er nun nicht Fliegenfischer wurde, sondern das Thema rein ästhetisch anging, aber sein Nachlass ist dafür groß und unersetzlich. Er kombinierte Fotos, Zeichnungen, Malerei, Schnitzerei und Fundstücke mit den Fliegen bekannter Fliegenbinder in seinen Rahmen und durch seine Kunst wurden über Jahrzehnte die besten Fliegen des Kontinents archiviert. Über 80.000 Besucher sahen im Madison Square Garden eine Ausstellung mit Cushner-Rahmen.
Nun denn, Cushner ist also für jeden angehenden Rahmenbauer das Vorbild, dem es zu folgen gilt. Das ist als würde man im Park kicken und Thomas Müller zum Vorbild nehmen, aber es ist okay. An der Werkbank und auf dem Rasen wächst man mit seinen Aufgaben.
Es ist für einen Fliegenbinder ein geradezu natürlicher Reflex Fliegen zu rahmen, denn jede Fliegendose ist ja schon eine Ausstellung. Eine doppelte Wheatley mit 32 Fliegen in 32 Fächern und einem kleinen Aufhänger an der Rückseite ist an der Wand fast schöner als in der Schublade. Mein erster Rahmen war ein Geschenk für meine Mutter, und die Fliegen sind aus meinen absoluten Anfängen als Binder. Recht ordentlich, aber zu lange Köpfchen und von wenig Erfahrung getragen. Ein Muster hat gar gelbe Flügel, von Hansi, meinem damaligen Wellensittich. Die Haken stecken in so einem Dichtmaterial für Fenster. Es war mal weiß, ist aber völlig vergilbt. Der nächste Rahmen hatte eine „Durham Ranger“ und eine paar Federn zum Inhalt, und davon verschenkte ich einige und beendete dann meine Karriere als Rahmenbauer. Das war 1978 oder so.
Zuerst muss man die Metallstifte entfernen, welche sonst die Rückwand halten.
Scheibe putzen, Passepartout einlegen und seitlich die Leistenstücke verkleben.
Vor etwa zehn Jahren war es dann mal wieder angebracht einen Rahmen zu bauen, denn ein norwegischer Freund kam von Bergen via Amsterdam geflogen und hatte locker 10 Kilo Skrei im Gepäck. Aus Anlass eines fulminanten Essens, das dann unsere Freundin Olgunn kochte, und bei dem ich eine Rede halten durfte, bekam Frode eine gerahmte Lachsfliege überreicht. Und so haben wir es dann beibehalten. Ohne die Rede, aber mit einer Lachsfliege für das jährliche Dorsch-Festessen.
Die spontan entwickelte Technik eine Tubefly zu rahmen hat sich sehr bewährt und unterscheidet sich in der Herstellung nur wenig von einer fischbaren Tube. Man bindet einfach einen Draht auf der Rückseite der Tube ein und bindet dann die Fliege. Das ist etwas umständlich, aber für einen geübten Binder gar kein Problem. Ist die Fliege fertig, gestaltet man am Computer den passenden Text und druckt ihn auf das gewünschte Papier aus. Das klebt man auf eine Graupappe in Rahmengröße und sticht dann mit einer Nadel zwei Löcher ein. Jetzt kann man die Tubefly schwebend anbringen und die Drähte hinten passend umknicken. Ein Streifen Panzerband sichert den Draht. Nur noch die Pappe in den Rahmen einlegen und mit der Rückseite mit einer zweiten Pappe verschließen. Hat der Rahmen keinen guten Aufhänger, einfach einen kleinen Messingwinkel antingeln. Die gibt es in jedem Baumarkt.
Ideal geeignet ist der Ribba-Rahmen mit dem 13 mal 18 cm Maß von Ikea, der mit einem fertigen Passepartout für 1,99 verkauft wird, und den man mit einer zusätzlichen 10 mal 5 mm Leiste zu einem Objektrahmen umbauen kann. Ein Schnäppchen. Die Glasscheibe putzen und einlegen. Das Passepartout einlegen und mit passenden Leistenstücken 5 mal 8 mm von innen so fixieren, dass es direkt hinter den Scheibe liegt. Jetzt kann man die Fliegenpappe auf die Leisten legen und die Rückwand einbauen und fertig ist der Lehrlings-Cushner.
Diese Lachsfliegen sind mit einem Draht aus Spinnerschaft für die Rahmung vorbereitet.
Nur von hinten kann man die Bastelarbeit erkennen, solange keine zweite Rückwand eingepasst wurde.
Fertig sieht das Ganze so gar nicht nach 1,99 Euro aus.
Kommen wir zu Stufe 2 der Rahmenbaulehre. Ich habe ja über Jahre das Fliegenlexikon in FliegenFischen verantwortet und habe natürlich alle Fotofliegen sorgfältig verwahrt. Dahinter war wohl der Gedanke sie mal zu rahmen, aber wie es so ist im Leben, man kommt ja zu nix. Ich habe auch gar keinen Platz an den Wänden, und da fehlt dann schon der Grund tätig zu werden. Aber selbst lang aufgeschobene Dinge werden dann doch einmal fertig.
Die Grundlage ist wieder der Ribba-Rahmen von Ikea mit der besonders hohen Rahmenleiste. Darin hat man Platz für Objekte bis knapp über 20 mm Dicke, und das genügt für Fliegen. Um dem Cushner-Vorbild noch ein wenig näher zu kommen, habe ich eine 20 mm Dreiecksleiste mit einem 20 mm Stab aus dem Baumarkt zu einer 40 mm Rahmenleiste mit 45 Grad Innenkante verklebt, zu einem Rahmen gesägt und weiß gestrichen. Das ist deutlich viel einfacher als mit Weißpappe zu arbeiten. Da sieht man jeden Fehler. Bei 13 Mustern habe ich mich für eine querformatige Verteilung von 4 Mustern in 3 Reihen entschieden, und eins unten links. Dann habe ich die Fliegennamen ausgedruckt, einzeln ausgeschnitten und die Verteilung auf einem DinA 4 Blatt erprobt. Die gefundene Verteilung habe ich dann insgesamt auf den Bildschirm übertragen und ein Blatt mit allen Fliegennamen ausgedruckt. Die Anprobe ergab eine gute Ansicht. Jetzt legt man das gewünscht Papier ein, druckt das Blatt und klebt es mit Sprühkleber auf eine Stück Graupappe. Da sich Papier und Pappe je nach Laufrichtung ihrer Fasern wölben können, sollte man das Werkstück beschweren und pressen. Mit der Zeit lernt man seine Werkstoffe kennen. Ist die Namenspappe trocken, kann man die Fliegen aufnähen. Dazu legt man die Positionen fest und sticht am Bogen und am Öhr ein Loch vor. Hat man alle 26 Löcher gestochen, kann man die ganze Sammlung mit einem langen Stück Allesnäher oder auch Nylon unter 3x aufnähen. Immer eine Schlaufe durch das Loch ziehen und die Fliege überfangen. Ist ganz einfach. Das Ende vom Faden gut fixieren. Nun kann man die Fliegenpappe auf die Leisten legen und die Rückwand einbauen. Einen Aufhänger annageln und fertig ist der Gesellen-Cushner, der, nebenbei bemerkt, bei Michael Werner hängt.
Streamer, so wie diese schönen Muster von Carrie Stevens, lassen sich einfach aufnähen.
Damit kommen wir zu einem größeren Rahmen. Ich habe eine schöne Sammlung von Fliegen die Hakan Norling vor vielen Jahren, er war jung und brauchte das Geld, für mich gebunden hat, und hatte die gute Idee nicht damit zu fischen. Für diese Fliegen habe ich mir einen Rahmen bauen und ein Passepartout schneiden lassen. Die Verteilung der Fliegen ist kompliziert und nach einigen Versuchen habe ich mich für 3 mal 4 und 1 mal 3 und 2 mal 5 entschieden. Der Auftrag lautete damals: Binde Fliegen, mit denen du in Norwegen und Schottland selbst fischen würdest. Daher die bunte Mischung. Ich habe auf einer Pappe ein Gitter gezeichnet und alle Fliegen zur Probe aufgenäht. Sah gut aus und das Ergebnis fotografierte ich zur Reproduktion. Das geht schneller als die Positionen zu notieren. Den Rahmen habe ich zum Schattenrahmen umgebaut, indem ich das Passepartout mit einer umlaufenden Leiste befestigt habe. Sie erzeugt 20 mm Luftraum. Die Anprobe der Fliegenpappe sah gut aus. Ich habe alle Fliegen entfernt, die Pappe frisch kaschiert und die Löcher von innen vorgestochen und die Fliegen aufgenäht. Der Rest dann wie gehabt. Das Ergebnis kann sich bestimmt nicht mit Cushner messen, aber dank des Inhalts, frühe und echte „Tempeldogs“, bin ich meinem großen Vorbild doch etwas gekommen.
Für die Lachsfliegen von Hakon habe ich zunächst ein Verteilungsraster gezeichnet und erprobt.
Danach die Pappe mit Sprühkleber und weißem Karton kaschiert und die Tubes und Haken aufgenäht.
Mein nächstes Projekt war ein Trockenfliegenrahmen. Das habe ich eine ganze Zeit vor mir hergeschoben, denn Trockenfliegen sind eher unscheinbar, ihre Details sind in Rahmen nicht mehr gut zu sehen, sie sind ungleich schwerer zu rahmen als zweidimensionale, sprich platte, Fliegen und weil sie so groß sind wie eine kleine Münze, sollte man auch viele in einen Rahmen packen. Aber trotz aller Vorbehalte habe ich mal ein altes Fliegenlexikon mit brockigen Trockenfliegen aus den Dosen gekramt.
Die Pfosten für die Trockenfliegen sind vorbereitet.
Grundlage ist wieder der Ribba-Rahmen in 30 mal 40. Im Baumarkt habe ich mir eine 6 mm MDF-Platte sägen lassen und ein Raster für 12 Löcher ausgezeichnet. Die konnte ich mit meiner Bosch PBD 40 auch alle erreichen, bis auf die beiden in der Mitte, die ich frei Hand gebohrt habe. Die Löcher müssen gerade sein, sonst steht später der „Pfosten“ schief. Die Platte habe ich mit Acrylweiß gestrichen, die Löcher dabei immer wieder im einem Zahnstocher frei geputzt, und dann 12 Plastikröhrchen von 2 mm Durchmesser und 18 mm Länge eingeklebt. Das sieht schon sehr gut aus. Die Röhrchen gibt es bei den Modellbauern. Mit einer Kupferdrahtschlinge kann man nun die Trockenfliegen am Hakenbogen packen, fest einziehen und mit Sekundenkleber fixieren. Die Kapillarkraft holt den Kleber ins Röhrchen. Nach dem Motto „if you can fix it once, fix it twice“ kann man später noch einen Tropfen Epoxy aufpunkten. Zuletzt noch einen Info-Zettel einkleben.
Sieht zwar aus wie balancieren, aber die Fliegen sitzen bombenfest.
Dieses Foto ist natürlich gestellt. Das Schwedenhaus ist das Kinderhaus unserer Tochter bei uns im Garten. Aber der Autor, die Rahmen und der Rum im Glas sind echt. Die Rute ist eine Wood Nr. 3.
Der Rest ist einfach. Das Passepartout mit einer Leiste von innen fixieren, die MDF-Platte einlegen und den Rahmen verschließen. Jetzt wäre es an der Zeit mal ein Meisterstück zu versuchen. Eine Idee habe ich schon, mit Bernstein und anderen Fundstücken und Meerforellenfliegen aus meinem Buch „Strandforellen“:
Aber wir haben November. Hecht und Zander geht gerade gut – ich schieb das erst mal auf.
Ingo Karwath