Fake Reels

Drum prüfe wer sich ewig bindet. Ein Leitfaden zur Beurteilung klassischer Rollen.

Man glaubt es kaum, aber böse Menschen fälschen sogar Rollen. Diese allerdings nicht.

Es gibt Menschen, die mögen alte Sachen. Da kann man jetzt ganz viele kluge Dinge drüber sagen, man kann es aber auch lassen. Kaum schlagen wir ein Magazin auf, schauen eine Sendung oder klicken im Internet herum, will uns ja sowieso alle naslang einer unsere Psyche erklären. Ich halte mich mit Freude an Max Weber. Je mehr Rollen ich habe, desto wohlgefälliger ruht Gottes Blick auf mir. Sie dürfen jetzt nicht annehmen dass ich das wirklich glaube, und auch meine Frau, sie ist Pastorin, hebt nur spöttisch eine Augenbraue. Denn in Wirklichkeit habe ich ja wertvolle Rollen, weil sich dann die Lachse deutlich besser in Wurfweite einstellen als ohne…

Ich nehme mal an dass die Psychologie des Rollensammelns und oder die Vorliebe mit solchen Sammlerstücken einfach nur zu fischen sich kaum oder gar nicht von anderen Gebieten unterscheidet, seien es Röhrenradios, Blechspielzeug oder Taschenuhren. Eigentlich ist alles ganz simpel. Der Traum von einer besonderen Rolle, der Plan sie zu erwerben und der Kauf können schon mal Jahrzehnte überspannen. Als junger Mann träumte man von einer Perfect, vom Hofe, Zwarg, Seamaster, Bogdan oder Walker. Als Familienvater hat man von Weihnachtsgeld zu Weihnachtsgeld gehofft es möge reichen, und irgendwann mit 46 hat man zugeschlagen.

In der Rollenszene ist eine Menge Geld unterwegs, und es gibt natürlich einige Großsammler da draußen, die kaufen viel und zahlen viel. Jedes Jahr werden Sammlungen vererbt und kommen wieder in den Kreislauf. An dieser Stelle muss man den Ratschlag geben: Schreiben Sie auf was Sie besitzen. Machen Sie Bilder. Nennen Sie Werte. Legen Sie eine Akte an!

Oft genug kommt ein ehrlicher Käufer oder Auktionator zu einer Witwe, die von den Freunden Ihres Mannes längst abgezockt wurde. Lederrohre mit Gespließten und Blocklederetuis mit Rollen wechselten für Blumensträuße den Besitzer. Das ist mies. Besser die Erben finden eine Akte, in der Sie ehrlich mitteilen wie viel Geld Sie wirklich in Tackle angesammelt haben. Man wird an Ihrem Verstand zweifeln, oder nach einer Auktion Ihre Weisheit rühmen.

Übel ist auch, dass in unserer eigentlich grundehrlichen Szene teils mit schlechter Ware gedealt wird, denn jeder Käufer kauft wie gesehen. Man muss sein eigener Experte sein, um da keine Fehler zu machen. Hier darum ein kleiner Versuch die gröbsten Fehler vermeiden zu helfen.

Crack

Ein Bruch, fachsprachlich „crack“, ist mit das Schlimmste was einer Rolle passieren kann. Besonders häufig sind Rahmenbrüche, aber auch Plattenbrüche, Spulenbrüche und Fußbrüche kommen vor. Da wir uns bei Rollen überwiegend im Bereich unter 10.000 Euro bewegen, ist das unter Decoy-Sammlern übliche röntgen noch keine Option. Lockenten haben weit höhere Preise, und man röntgt sie, um Fälschungen auf die Schliche zu kommen.

Man kann den Händler nach einem Crack fragen, aber die Antwort: „Soweit ich weiß nicht!“, bringt uns nicht wirklich voran. Um einen Bruch zu finden, muss man eine Rolle bei flach einfallendem Licht langsam hin und her drehen. Eine helle Kopflampe leistet gute Dienste, zumal wenn man in einer dunklen Umgebung steht. Findet man einen Bruch, mindert das den Wert der Rolle ganz erheblich. Da werden aus 3000 Pfund ganz schnell 500. Ein versierter Fachmann kann jedoch einen Bruch reparieren. Fragen Sie den Händler auch nach reparierten Cracks. Die Stelle wird gelötet, gefeilt, geschliffen und poliert und neu verbleit. Das wird im Gegensatz zur sonstigen Patina einer alten Rolle aber auffallen. Man müsste also die ganze Rolle frisch leaden, was ein riesiger Aufwand ist, wenn man die Originalnieten entfernt und später vorbildgetreu wieder einsetzt. Hat man eine Rolle mit erkennbar verbleiten Nieten vor sich, wurde also manipuliert. Haben Sie weder Cracks noch Anzeichen einer Crackreparatur gefunden, können Sie Ihre Brieftasche schon mal ein wenig öffnen.

Part Work

Eine teure und klassische Rolle hat aus den Teilen zu bestehen, die exakt zu dieser Rolle gehören. Wurden Teile neu gefertigt oder aus einer anderen Rolle zugefügt, mindert das natürlich den Wert. Diesen Veränderungen auf die Spur zu kommen ist schwierig bis unmöglich. Manchmal haben wesentliche Teile eine Nummer, die dann auf allen Teilen gleich ist. Aber ein Rahmen 234, eine Spule 122 und eine Kurbelplatte 543 gehören nun wirklich nicht zusammen, auch wenn die Rolle prima dreht und drillt. Das ist dann für den Fischer ein Schnäppchen, für den Sammler nicht. Kleinere, von Rolle zu Rolle verschiedene Teile können aber sehr wohl Originale sein, denn die serielle Fertigung an den Werkbänken war ja früher nicht so exakt wie heute. Da können Messing oder Bronze, Schrauben und Nieten schon mal ein wenig verschieden sein. Das erkennt aber nur der Experte, der Hunderte dieser Rollen in der Hand hatte. Man kann keinen Bogdan-Experten nach der Originalität einer vom Hofe fragen, keinen Perfect-Sammler nach der Authentizität einer Zwarg. Hat man keinen Experten zur Hand, sollte man im Internet nach Bildern suchen. Aber selbst wenn ein alter Uhrmacher in Brüssel – an einer englischen Rolle – die dann in Kopenhagen auf der Auktion ist – mal einen Clicker neu gefräst, gefeilt, angepasst und gehärtet hat, tut das der Funktion einer schönen Rolle keinen Abbruch. Sie ist nur eben nicht 100% original. Ein besonders übler Betrug aber ist das „spitfiring“.

Spitfiring

Das Finish einer Rolle hat sehr viel mit ihrem Preis zu tun. Wenn man eine rahmengoldige Bogdan mit auberginefarbigen Platten, diese Fehlfarbe war mal eine Zeit üblich, schön vorbereitet und neu tiefschwarz anodisieren lässt, hebt das bei einem seltenen Modell den Preis um tausende Dollar. Bei seltenen Hardy-Rollen ist es noch einfacher, denn die wurden in den Kriegsjahren mit dem berühmten „Spitfire-Finish“ ausgeliefert, weil kriegswichtige Metalle fehlten. Wenn man das abgegrabbelte graue Finish einer St. George oder Perfect sorgfältig abpoliert, entsteht ganz flott der Eindruck einer Spitfire-Rolle. Dem dann allerdings das ehrwürdige Alter fehlt, was auch ein Laie an der fehlenden Patina ganz gut erkennen kann. Wurde sogar Patina gefälscht, ist aber so richtig kriminelle Energie am Werk.

Pawl und Gear

Man kann bald sagen seit Jahrhunderten werden Fliegenrollen mit einem Zahnrad und einer klug gefederten Klinke ausgestattet, die mit ihrer Spitze in das Zahnrad greift.

Zu dieser Konstruktion gibt es so einiges zu sagen. Ein Zahnrad mit mehr als 20 Zähnen nennt man für gewöhnlich Wheel, ein Zahnrad mit weniger Zähnen Pinion. Zahnräder die Kraft übertragen sind ein Train, etwa in den Bogdan Multiplier-Rollen, und müssen ein spezielle Geometrie haben. Ratchet Wheels sind Zahnräder, teils mit nicht symmetrischen Zähnen, sogar Wolfszähnen, die nur ein Rotation zulassen. Siehe dazu „Watchmaking“ von George Daniels. Spulenzahnräder sind etwas anspruchsloser, da die eingreifende Klinke, auch Pawl oder Clicker, oder Ratchet Pawl, ja nicht in eine Drehbewegung gebracht werden muss, sondern entweder beide Rotationen bremst oder eine Rotation stoppt.

Trotzdem sind Zahnräder eine Wissenschaft für sich. Während der englischsprachige Raum mit Pitch arbeitet, ist bei uns das Modulsystem üblich. Kauft man eine alte Rolle, sollten die Spitze vom Clicker und die Zähne des Rades noch schön scharf sein und gut ineinander greifen. Ist beides rund, mindert das den Preis. Ist beides erneuert, mindert das auf der Sammlerebene den Preis noch weiter.

Für den Fischer ist es jedoch überlegenswert, eine so erneuerte Rolle zu kaufen oder verbrauchte Teile erneuern zu lassen. Rechnen Sie bis zu 300 Euro für eine Reparatur. Es kann durchaus sein, dass Ihr Rollenfachmann erst einen Fräser anfertigen muss, um die Zahnform zu kopieren. Und sollte er Aluminiumbronze verarbeiten müssen, wird das nicht leicht, denn man kann sie nicht härten. Sie ist es schon. 

Play und Wobble

An einigen Abbey & Imbrie’s Rollen Ende des 19. Jahrhunderts konnte man die Achslager beidseitig der Spulenachse zustellen und so das Spiel verändern. Das geht an anderen Rollen nicht. Halten Sie die Rolle zunächst waagerecht mit der Kurbel nach oben. Ziehen Sie dann die Spule an der Kurbel ein wenig hoch und runter. Was man dann sieht und fühlt ist das „end play“. Zu viel ist nicht gut, zu wenig aber auch nicht. Spiel lässt sich oft mit einfachsten Mitteln verändern, und selbst bei den allerbesten Herstellern findet man hier und da Bronzescheiben zwischen Kurbel und Buchse oder woanders.

Eine unrund laufende Spule ist ein größeres Problem. Das mindert den Preis erheblich. Drehen Sie die Rolle langsam und beobachten den Spalt. Schleift die Spule am Rahmen, kann man den Schaden sogar hören. Man kann eine eiernde Rolle neu ausbuchsen lassen, oder sogar eine neue Achse einbauen, aber der Aufwand ist vorab schwer zu kalkulieren. Für die Preisverhandlung sollte man einen hohen Wert annehmen, so über den Daumen 300 Euro für die Reparatur und 200 Euro für den Verlust der Originalität.

Line Guides

Die alten Seidenschnüre hatten die Qualität einer Nadelfeile und haben sich im Laufe der Jahrzehnte durch so manchen Line Guide oder Rahmen gesägt. Nicht zuletzt die klassische Stelle für einen Crack.

Agate Line Guides sind selten eingesägt, aber oft gebrochen, und das ist sehr schwer zu erkennen. Man kann sie von vorn durchleuchten und von hinten schauen. Man kann sie abtasten, mit der Fingerkuppe oder einem Fingernagel, oder einen Damenstrumpf hindurch ziehen. Damit kommt man Brüchen auf die Spur. Erneuerte oder nachträglich eingesetzte Line Guides erkennt nur der Experte. Das wäre für den Sammler sehr wichtig, für den Fischer gar nicht. Es ist ein haarige Manipulation einer Perfect ohne Line Guide einen solchen Ring einzusetzen. Immerhin muss man mit einem Schlagzahnfräser in den Rahmen fräsen. Das verdient fast Anerkennung

Grips, Cups und Crank

Der Originalgriff einer Perfect und die authentische Kurbel an einer S-Handle Rolle sind wesentliche Teile und sollten echt und original sein. Kann ja sein dass ein Rollenbesitzer das Original nicht mochte und sich zu seiner Zeit einen Patent Brass Afric Handle hat anbauen lassen, aber das wäre historisch amüsant und trotzdem preismindernd. Den Austausch von Griffen kann man gut erkennen, wenn diese vernietet waren. Bei verschraubten Griffen ist es schwieriger. Mit der Lupe kann man manchmal erkennen, dass der Originalgriff oder auch der Cup, in dem der Griff läuft, etwas kleiner oder größer war, weil die Patina unter und um den Griff herum anders abgenutzt ist als sie es ein sollte. Aber das ist ein Befund, der nur an hochwertigsten Sammlerrollen interessieren sollte. Einen S-Handle auszutauschen ist jedoch in jedem Preissegment ein Argument für eine Preissenkung. Eine Bogdan-Kurbel zeigt oft das klassische grau am Griff, hat von unten ganz typischen Spuren von Stanley Bogdans Hand und hat eine bestimmte Geometrie zu haben. Eine vom Hofe Kurbel hat eine Fräsgeometrie, für die ein Fälscher in der Regel kein Verständnis hat. So ab 2000 Euro sollte man einen Experten als Gutachter zu Rate ziehen. Wenn man einen kennt. Ich bin zum Glück mit einem befreundet. Sei gegrüßt, mein Alter.

Ein tröstlicher Ersatz für einen Experten sind Fachbücher. Jamie Maxton Graham, Silvio Calabi, Phil Waller, John Drewett, Jess Miller, Samuel Melner, Hermann Kessler, Graham Turner und Graydon R. Hillard können Ihnen dabei helfen, ein vernünftiges Portfolio aufzubauen.

Size

Viele Käufer werden sich schon gefragt haben, was es mit den Zifferngrößen bei Rollen auf sich hat. Sie werden hier und da munter zitiert, aber keiner macht mal Butter bei die Fische und sagt, was denn eine Rolle 1/0 nun so ganz genau ausmacht. Selbst bei Rollenexperten gelangt man da nicht selten auf unerforschtes Land. Und so ganz exakt kann die Antwort auch nicht gelingen, denn natürlich waren sich nicht alle Rollenbauer einig.

Eine Rolle der Größe 5 hat 2 Zoll Durchmesser, eine Rolle 3 hat 2 1/2, eine Rolle 1 hat 3 Zoll, eine 1/0 hat 3 1/8 Zoll, und dann geht es immer 2/8 Zoll höher bis zur noch häufigen Lachsrolle 4/0 mit 3 7/8 Zoll. Die 6/0 hat 4 1/4 Zoll. Die 9/0 mit 5 Zoll war meist eine Sonderanfertigung, ja gar nicht selten Alta genannt. Diese Maße stammen aus einem alten vom Hofe Katalog, und man kann sie gut als Standard nehmen, so wie Leica, und die Mitbewerber daran messen. Ja, werden Sie fragen, und die Breite. Nun, die variiert.

Stan Bogdan hat sich für eine andere Nummerierung entschieden und liegt souverän zwischen den Maßen. Er startete seine Lachsrollen mit der 3.25 Zoll großen 00, gefolgt von der gleich großen Bogdan 0, führte aber die Spulenbreiten 1.15 und 1.375 hinzu. Die Bogdan 50, 100 und 150 haben einen Durchmesser von 3.5 Zoll und die Spulenbreiten 1.15, 1.15 und 1.375. Die Large Salmon Rollen 1 und 2 haben 3.75 Zoll Durchmesser und 1.187 und 1.375 Spulenbreite. Die Nordic Salmon 300 und 400 haben 3.75 und 4 Zoll Durchmesser, Spulen 1.375 und 1.625. Bogdan Rollen mit Bremse – die Forellen- und Steelheadrollen sind umstellbar, man nennt sie ja auch „brakeless“ – lassen sich nicht von rechts auf links oder umgekehrt umstellen. Dazu muss man neue Teile drehen und fräsen und meist auch ein Loch in die Rückplatte bohren. Man könnte zwar einen Umbausatz entwickeln, aber letztlich müssen die Teile jeder Rolle eingepasst werden. Über die Bogdan Bremse, die nie patentiert wurde, gibt es zwei nette Geschichten. Könnte sein dass Winchester Gun Co. Ingenieure sehr viel Geburtshilfe geleistet haben, kann aber auch sein dass die Idee direkt von einem Güterwagon kam. Dr. Paul Hermann berichtete dass er einst an einem Bahnübergang wartete und mit Verblüffung feststellte, dass die Wagenbremsen und die Bogdan Bremse wie Kinder von einem Vater aussahen. Was immer stimmt oder auch nicht, aber die Kraft einen Zug zu stoppen ist auch am Lachsfluss wünschenswert.

Fotos

In den letzten Jahren habe ich so einige Bogdans im Internet gesehen, an deren Echtheit ich Zweifel haben würde. Dabei sind zwei Arten von Bildern wichtig. Erstens: Die gemachten, zweitens: Die nicht gemachten! Eine dicke Bogdan lässt sich mit einem Penny und drei Bewegungen risikolos öffnen. Im Gegensatz zu einer vom Hofe oder Zwarg riskiert man nichts, wenn man die großen Schrauben auf der Kurbelplatte löst. Im Gegenteil, dafür sind sie gemacht. Wenn also eine Bogdan 300 für über 8000 Dollar bei Ebay eingestellt ist, und für diese Summe ihr Bremssystem nicht gezeigt wird, ist das, nun ja, sagen wir komisch.

Sind die Bilder außerdem zu einseitig und zeigen die Kurbelplatte häufiger und näher eingestellt als die Rückseite, und bieten kein close up auf das Bogdan-Schild, dann ist das ungewöhnlich. Für diese Erkenntnisse reicht ein gesundes Misstrauen. Bemerkt man weitere Ungereimtheiten, wie nicht geschlichtete Drehriefen am Gehäuse, eine nicht korrekt anmutende Kurbelschraube, und einen zu scharfen und zu hohen Übergang auf der Kurbelplatte, sowie eine nicht saubere Anodisierung, kann das nur dann möglich sein, wenn man eine oder mehrere große Bogdans besitzt. Sowohl das Auge als auch die Hand von Bogdaneers bekommen im Laufe der Jahre eine Sensibilität für Echtheit. Have you fondled your Bogdan today, sage ich nur. Es kann nicht sein dass irgendein Dreher für eine Woche Arbeit 8000 Dollar bekommt. Ist das Misstrauen geweckt, und kein Experte zur Hand, sollte man sich auf den Seiten seriöser Händler, zumal im Sold-Archiv, alle vergleichbaren Rollen anschauen. Immer wieder, bis man den Blick hat. Danach ist es leicht. Real news für eine fake reel. Wir haben dich! IK