Letzte Ausfahrt Entenfeder

Wie ich beinahe ein Krimineller wurde.

Im Kern ist es wohl die Begeisterung für das Selbsttun, das „do it yourself“, kurz „diy“, die mich Fliegen binden lässt. Ich werkle aber auch alle anderen Arten von Angelzeug, hoble Bambus, drehe und fräse Rollen, knüpfe Netze, nähe Rutenhüllen und Lederetuis, baue Lampen und Möbel und schnitze Lockenten. Aber ich bin kein Lachsfliegenbinder! Nicht dass Sie mich da falsch verstehen, ich binde schon auch Lachsfliegen, jedoch mit der Einstellung eines Forellenfischers. Ich will nur Lachse damit fangen. 

Im Urlaub in Dänemark habe ich den „Federndieb“ gelesen, den unsere Tochter mir im April zum Geburtstag geschenkt hatte. Nach den ersten paar Seiten hatte ich das Buch weggelegt, weil es mir nicht gefiel. Ich hatte einen Roman erwartet. Jetzt im Sommer habe ich es wieder hervorgeholt und mit Begeisterung gelesen. Es geht um den Diebstahl von sehr vielen selten Vogelbälgen aus dem Ornithologischen Museum in Tring, um die Vermarktung dieser Federn, um die Aufklärung des Verbrechens, und es bietet beklemmende Einblicke in die Szene der Lachsfliegenbinder. So kam eine Erinnerung zurück, die ich lange nicht mehr hatte.

Ich binde seit mehr als 45 Jahren, stehe kurz vor der goldenen Hochzeit mit Partridge, Metz und Veniard. Mit dem Buch von Poul Jorgensen habe ich angefangen Lachsfliegen zu binden, und war natürlich auf dem Wege die viktorianischen Klassiker zu binden. Eigentlich auf dem Wege ein Krimineller zu werden, denn ich bin zielstrebig und stur und hätte sicher Mittel und Wege gefunden, in den Besitz von wilden Dschungelhahnbälgen, Rotkehlkotingas, Halsbandkotingas und Quetzals zu kommen. Zunächst band ich mit Ersatzmaterialien und war ganz zufrieden damit. Zu der Zeit fing ich an Gespließte zu sammeln und hatte Kontakt zu einigen Sammlern, mit denen ich ab zu tauschte und kaufte und verkaufte. Ein Sammler war Möbelhändler und verfügte über wohl ansehnliche Geldmittel. In einem Gespräch hat er mich tief beeindruckt, weil er eine Schrankwand für 16.000 Mark als typische Türkenschrankwand bezeichnete. Und dass man daran nichts verdient, weil sie im Einkauf schon 4000 kostet. Ich aber war Student und hatte Billy Regale von Ikea, also eine ganz andere Liga. Prekärer Sub-Türke sozusagen. Von diesem Sammler, der sich auch mit Lachsfliegen beschäftigte, bekam ich ein Paar Mallardfedern geschenkt, die in der Szene so um die 30 Mark gekostet hätten. Die beste Fliegenschnur von Scientific Angler gab es damals für 60 Mark, damit man das preislich fassen kann. Vier Federn für eine Fliegenschnur. Ich hatte vorher darüber geklagt, dass mir das „roofing“ mit Mallard nicht gelingen wollte. Sozusagen das Dachdecken des Lachsfliegenbindens. Meine Tütenfedern waren zu kurz, zu dünn, zu fragil, und ich kämpfte manchmal eine Stunde bis ein Dach saß, und das an einfachen Fliegen. Die geschenkten Edelfedern hatten einen wunderbaren Ton, eine schöne Zeichnung, und eine Struktur wie festes Papier. Man schnitt ein oder zwei Segmente heraus, konnte sie sauber falten und einbinden.

Und mit genau diesem Bindeschritt war meine Karriere als klassischer Lachsbinder vorbei. Ich hatte begriffen, dass die Federn das Handwerk überwipfeln. Die bessere Feder gewinnt, nicht das bessere Handwerk. Und jetzt kommen Sie mir nicht mit dem Fuchs und den Trauben. Wenn man mich mit gutem Material in einem Raum einschließt und nach fünf Stunden wieder frei lässt, komme ich mit einer ansehnlichen „Jock Scott“ heraus. Nicht preiswürdig, aber ansehnlich. Ich kann es also. Ich will nicht!

Mit verbotenem Material zu binden steht völlig außer Frage. Das tut man nicht. Auch nicht mit der Hilfskonstruktion es wäre uralt und aus der Zeit vor den Schutzbestimmungen. Ja, ich sitze auf dem Ast an dem ich säge, denn ich habe einen alten Monkeymantel. Ich bin auch dagegen alte Bälge oder alte Fliegen abzubilden. Die sogenannten Federpornos. Man sollte stets den lebenden Vogel zeigen und dann berichten, dass mit seinen Federn einst gebunden wurde.

Für die klassischen Lachsbinder, die gezielt und ohne Tricks nur mit Ersatzmaterial arbeiten, habe ich die größte Hochachtung. Und dem modernen Binder kann man wohl mit auf den Weg geben, dass eine Lachsfliege mit 20 explizit beim Markennamen genannten Kunststoffmaterialien doch eigentlich nur den viktorianischen Wahnsinn wiederholt, der heutzutage einen Edwin Rist und Konsorten in die Kriminalität führte. Ich halte das für groben Unfug und amüsiere mich über die Sprache, die eine Fliege so umschreibt als wäre sie ein Wein, ein Zigarre oder ein Schlüsselanhänger von Manufactum. Retronasaler Abgang ist da eines meiner Lieblingswörter. Kein Opus One, keine Gurkha Zigarre und kein klostergeschliffenes Stück Mooreiche werden den Verlauf unseres Lebens ändern. Darum sollte Einsteins „Make everything as simple as possible, but not simpler“, als Aufkleber jede Lachsdose zieren. Warum gibt es den noch nicht?