Fliegen für Patrons – Mai 2023

Sepp Pragers „Prawu“.

Mit einem rotem Faden ein Fundament wickeln und bei der Gelegenheit einen weißen Flügel aus Antron einbinden und mittig teilen.

Möglichst dünnes Haar von Mufflon, Gams, Reh oder Hirsch in einer Dubbingloop verspinnen.

Es ist mir erst in den letzten Jahren gelungen, das Lachsfischen auch unter einem sozialen Aspekt zu sehen, mit anderen Worten Menschen kennenlernen, wiedertreffen, reden und zuhören. Vorher gab es nur zwei Alternativen, nämlich entweder werfend im Fluss stehen oder erschöpft im Bett liegen, und auf den Fahrten dazwischen Haferkekse und Kaffee. Norwegische Haferkekse sind enorm nahrhaft, auf dem Weg ins Bett, und Kaffee hält schön wach, auf dem Weg zum Fluss. Ich weiß gar nicht, mit wem ich in den letzten Jahrzehnten zeitgleich an der Gaula war, ohne ihn oder sie auch nur bemerkt zu haben. Und umgekehrt, denn an manchen Tagen habe ich 16 Stunden gefischt und war quasi unsichtbar. Zwei volle Arbeitstage an einem Tag, zusammen mit den Gruppenpartnern in den alten Viererzeiten, oder mit dem einen Partner im Team, oder allein, wenn man die Kollegen unter den Tisch gefischt hatte. Mit Sepp Prager war ich so einige Male an der Gaula, und habe ihn stromauf, stromab, gegenüber oder von Brücken gesehen, aber nie gesprochen. Nur im Fangbuch bei Manfred im Rorbu haben sich unsere Namen manchmal getroffen. Fotos mit toten Lachsen gibt es von mir im Prinzip nicht. Gerade vor Holzwänden ist das so gar nicht mein Fall. Ich erinnere nur drei, eines machte Jacob Viereck am Langoy, eines ein italienischer Mitfischer am Homepool, und das letzte Manfred Raguse am New Pool. Erschöpft, verdreckt, beschämt, mit einem toten 110er, der sich nicht zurücksetzen ließ. Aber wieder zurück zu Sepp Prager. An der Traun müssen wir uns auch etliche Male verpasst haben, aber seit sie bekannt war, hatte ich beim Forellenfischen stets ein paar „Prawu“ in der Dose. Die Abkürzung für Prager’s Wuzel ist absolut verdient, und als ich das Ding das erste Mal sah, war das keine Zuneigung auf den ersten Blick. Zumal da jemand behauptete, es wäre ein Emerger. Mit der „Prawu“ ging es den Mufflons ans Fell, und nachdem Reh- und Hirschhaar im „Fliegenfischer“ vielfach besungen waren, erklang nun die lobende Schalmei für Mufflon und Gams, die wilden Kollegen von Schaf und Ziege. Das Haar ist feiner, hat andere Töne und eignet sich gut zum Anspinnen in einer Schlaufe. Natürlich hat ein im November bei Mondlicht geschossenes Mufflon, Muffelwild lebt gefährlich vom 1.8. bis zum 30.1., ganz bestimmt ein wundertätiges Fell, aber von Sepp Prager ist überliefert, dass er das Fell ganz ‘pragermatisch‘ auswählte. Dünnes Rehhaar, dünnes Hirschhaar, Gams, Mufflon, Antilope, da war er wohl sehr offen. Aber, in den Berichten über ihn muss man auch immer wieder zur Kenntnis nehmen, dass er bei geselliger Fischerei mitten in einer Gruppe von Fliegenfischern stehend die Äschen fing, und die Kollegen oben und unten nicht. Das mag an seinem vier Meter langen Vorfach gelegen haben, als rutenlang noch die Devise war, es kann an seiner 6x Spitze gelegen haben, als anderen 4x noch als dünn galt, aber es mag auch am Faden in seiner „Prawu“ gelegen haben, denn die lakonische Bindeanleitung „Faden nach Belieben“ stößt einen ja nicht gerade mit der Nase darauf, dass der Faden wichtig sein könnte. Echte „Prawu“, die ich einmal anschauen durfte, waren innen rot und gelb. Da ist nicht die gleiche Fliege im Einsatz, wenn der Mann in der Mitte rot fischt und die Kollegen oben und unten das übliche Schwarz. Und ja, gerade mager gebunden und knapp geschnitten finde ich die Einordnung als Emerger sogar sehr richtig. Die Haarstoppel ergeben wirklich so eine Art Aura um den sichtbaren Bindefaden und erzeugen zusammen mit den Stummelflügeln einen imitativen Look. Von Prager selbst stammt die Empfehlung, am Bindetisch nur Rohprawus zu binden und die dann am Wasser zu stutzen. Das kann man machen, aber die Dinger nehmen natürlich ordentlich Platz weg. Hat man sich in die Fliege erstmal so richtig verguckt, macht einem der Gedanke mit dem Platz keine Sorgen mehr. Dann fischt man eigentlich nur noch „Prawu“. Auf dass es nicht dazu kommen möge, liebe Patrons, denn wir wollen ja mehr als eine schöne Fliege haben, viele Grüße und Tight Lines im Mai.

Mit der Dubbingloop einen Körper wickeln, entweder sehr offen auf Lücke, oder sehr eng zur Bürste. Dieser Vorgang prägt das Bild der Fliege und kann sie sehr verschieden machen.

Die „Prawu“ stutzen, dabei hinten ein paar Haare als Schwanz stehen lassen und seitlich ein paar Ausleger für die Schwimmhaltung. Auch dieser Vorgang definiert die Fliege, und während der eine Schnitt fängt, tut’s der andere nicht. Das ist wie mit Vokuhila und Topfschnitt der der Disco, wenn der Typ mit der Glatze mal wieder die Frauen betört.

Ingo Karwath