Kapitale Nymphen – Ingo Karwaths Fliegenlexikon Nr. 9

Man könnte sie die „Panamericana-Nymphs“ nennen, denn sie fangen von Alaska bis Feuerland.

Die wahre Mitte der Welt der schweren Nymphen ist vermutlich Montana, weil die großen Steinfliegen, die dort hausen, etwa Pteronarcys californica und die P. dorsata, ja bis zu vier Zentimeter lang sind. Bindet man eine Nymphe von diesem Format, enthält sie so viel Luft im Dubbing, welches auch immer, dass man jede Menge Bleidraht benötig, um damit im Madison auf Tiefe zu kommen. Ein 4er Haken mit einer doppelten Lage Bleidraht ist nicht ungewöhnlich, und man erkennt diese Nymphen an der Ecke im Wurf. Die Nymphen mit der Ecke. Sie sind so schwer, dass sie nicht mit Schnur und Vorfach in einer Linie fliegen und oft den charakteristischen Knick abbilden, und man ist gut beraten Hut und Brille zu tragen. Moderne Zeiten brachten es mit sich, dass man die Nymphen mit Metallperlen und Gummibeinen verbesserte. In dieser Form nun wurden sie von weitgereisten Fliegenfischern in andere Gebiete der Welt eingetragen und führten dort zu einem harmlosen Outbreak. Wenn man sich eine Nymphe als Virus vorstellt, ist es schon ein beunruhigender Gedanke, wie sehr sie sich verbreiten (dieser Satz, im Textentwurf vor! Corona getippt, hat uns schlimm überholt). Die Meerforellensaison in Feuerland ist geprägt von diesen Nymphen, und trotz „Intruder“ und Trockenfliege haben sich die schweren Nymphen auch ihren Part in der Fischerei auf Steelhead erobert.

Vitamin D. Haken: Nymphenhaken Gr. 2 bis 6; Kopf: Messingperle, orange; Bindeseide: orange; Schwanz: Fasanenfibern; Rippung: Kupferdraht; Körper: Fasanenfibern; Beine: Gummibeine, orange, X-Stil; Thorax: Ice Dub, orange; Flügelköcher: Truthahnfibern, Flashabou, kupfer, Epoxy; Hechel: Rebhuhn, braun.

Hollywood Steelie John. Haken: Nymphenhaken Gr. 2 bis 6; Kopf: Goldperle; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Biots, Truthahn, Farbe wie gewünscht; Rippung: Ovalgold; Körper: Ice Dub, wie gewünscht; Horns: Biots, weiß oder wie gewünscht; Beine: Gummibeine, X-Stil; Thorax: Ice Dub, s.o.; Flügelköcher: Flasahbou, mirage, Epoxy; Kopfdubbing: Ice Dub, s.o., aber Kontrast zum Thorax.

Rusher’s Steelhead Nymph. Haken: Nymphenhaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: schwarz; Schwanz: 2 Biots, schwarz; Rippung: Ovalsilber; Körper: Chenille, schwarz; Thorax: Sparklechenille, blau; Flügelköcher: Federsegment, schwarz; Hechel: Hahn, schwarz.

Die neueste Entwicklung ist nun, dass diese Nymphen von den speziellen Orten, den Epizentren der „big boys“, sagen wir Rio Grande in Feuerland und Dean River in BC, wieder in die Forellenfischerei eingetragen werden. Das muss man als weltweites Phänomen sehen, weil Fliegen heute nicht mehr berühmt und bekannt werden, weil der Alte vom Fluss damit fischt, zufällig auf einen Buchautoren trifft, der seine Fliege bekannt macht, die dann in französischen, englischen und deutschen Bindefirmen hergestellt wird. Das war einmal. Heute haben die Firmen Signatur-Binder, die wie Lobbyisten arbeiten, die neue Fliegen in den Medien lancieren, derweil die Produktion in Thailand und Vietnam schon läuft. Sonst ließen sich die hungrigen Kästen in den Fly Shops ja gar nicht so schnell füllen wie der Bedarf entsteht. Darum ist es richtig, neue Entwicklungen immer auch mit Skepsis zu begleiten. Bei den großen Nymphen kann man das getrost lassen. Sie haben sich seit über 70 Jahren auf große Fische bewährt, und es ist nur folgerichtig, sie überall dort zu versuchen, wo es Kapitale gibt. Und wo gibt’s die nicht.

3-D Nymph. Haken: Nymphenhaken Gr. 2 bis 6; Perle: Gold oder Silber oder Kupfer; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Biots, Truthahn; Rippung: Kupferdraht; Körper: Dubbing; Rücken: Mylar, pearl; Beine: Gummibeine, X-Stil; Thorax: Pfauengras; Flügelköcher: Federfiber, Truthahn, Flashabou, mirage, Epoxy.

Fitzpatrick’s Steelhead Stone. Haken: Nymphenhaken Gr. 6; Bindeseide: schwarz; Beschwerung: Bleidraht; Schwanz: Gummibeine, orange; Rippung: Ovalgold; Körper: Angoradubbing, schwarz; Thorax: Angoradubbing, schwarz; Palmerhechel: Grizzly, orange; Hechel: Perlhuhn.

Chubby Cousin. Haken: Nymphenhaken Gr. 6 bis 10; Kopf: Messingperle und 5 mm Glasperle, rot oder root beer; Bindeseide: grau; Schwanz: Fasanenfibern, kurz, Silikonbeine, barred tan; Rippung: Kupferdraht; Körper: Bindeseide; Rücken: 2 Biots, Truthahn; Beine: Silikonbeine, barred tan, X-Stil; Thorax: Ice Dub, golden brown; Hechel: Henne, braun; Kopfdubbing: Ice Dub, golden brown.

Für den Fliegenbinder sind die großen Nymphen eine besondere Freude, denn alles ist so, als hätte man eine Vergrößerungsbrille auf. Statt 4 mm lange Hechelfibern an einen 18er Haken zu zaubern, hat man schon mal 30 mm brünierten Stahldraht vor sich. Bei der Hakenwahl sollte man beachten, dass wir hier nicht von einer 6pfündigen Regenbogenforelle träumen. Wir träumen das Drei- bis Vierfache. Dabei muss man leider sagen, dass eine Reise an die beiden Enden der PanAmericana nicht für Peanuts zu haben ist. Wer mit diesen Nymphen fischt, sollte mehr als eine passende Rute mitnehmen. Bindet man klassisch mit Bleidraht, hat man sehr gute Chancen, dass ein Rutentreffer durch das Bindematerial etwas gedämpft wird. Bindet man mit Tungstenperlen und trifft die Perle den Blank, kann so ein direkter Einschlag fatale Folgen haben. In der Wurfdynamik kann eine Nymphe bis zu 100 km/h schnell werden. Da man das nicht gerade an seiner besten Rute erleben möchte, gibt es Fliegenfischer, die mit drei oder vier aus günstigen Blanks selbst aufgebauten Ruten auf Reisen sind. Das ist ein bedenkenswerter Tipp, weil drei, vier, ja fünf von diesen Ruten immer noch günstiger sind als ein Spitzenmodell. Sagen Sie hinterher nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.

Rock’n Roller. Haken: Nymphenhaken Gr. 6 bis 8; Bindeseide: schwarz; Beschwerung: Bleidraht; Schwanz: Biots, Truthahn, braun, Silikonbeine, barred tan; Rippung: Kupferdraht; Körper: Ice Dub, peacock; Rücken: 3 Biots, Truthahn, braun; Hechel: Henne, braun, hinter dem Thorax, Silikonbeine, barred tan; Thorax: Angora, orange, gelb, rot und claret; Flügelköcher: Segment, Truthahn, Epoxy; Hechel: Henne, braun, vor dem Thorax, Silikonbeine, barred tan; Fühler: Biots, Truthahn, braun.

Snakes Eyes. Haken: Nymphenhaken Gr. 4; Augen: Dumbbell, schwarz oder nickel plated; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Gummibeine, barred yellow; Rippung: V-Rib, chartreuse; Körper: Dubbing, STS grün; Beine: Gummibeine; Thorax: Ice Dub, schwarz; Flügelköcher: Scud Back, schwarz; Hechel: Sattelhechel, schwarz; Fühler: Gummibeine; Kopf: Ice Dub, schwarz.

Kaufmann’s Stone. Haken: Nymphenhaken Gr. 4 bis 10: Bindeseide: schwarz; Schwanz: 2 Gänsebiots, schwarz; Rippung: Swannundaze, schwarz; Körper: Dubbing, schwarz; Thorax: Dubbing, schwarz; Flügelköcher: 3 Segmente, Truthhahnfeder; Fühler: 2 Gänsebiots, schwarz; Kopf: Dubbing, schwarz.

Auch diese großen Nymphen werden ganz üblich gefischt, mit einer Sinkphase und dann einer Drift quer über den Fluss, eventuell begleitet von Achterschlaufen. In Kanada und Alaska kommen dabei gern Bissanzeiger zum Einsatz, die an große Kaugummikugel erinnern. Das muss man mögen. Im Prinzip ist die Indicator-Fischerei auf 100 Gramm Rotaugen oder auf 10000 Gramm Steelhead genau gleich – bis auf den Fisch. Man wirft leicht stromauf, nimmt mit einem Anker-Mend den Druck aus der Schnur, gibt Stack-Mends in die Drift und geht vielleicht ein paar Schritte mit, das nennt sich „walking the dog“, und lässt dann die Nymphe aufsteigen und quer zu sich kommen.

Red Tag Rubberleg. Haken: Nymphenhaken Gr. 4 bis 8; Kopf: Kupferperle; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Antron, rot und Tippetfibern; Rippung: Kupferdraht; Körper: Pfauengras; Beine: Rubberlegs, X-Form; Thorax: Dubbing, grün; Flügelköcher: Federsegment, braun; Hechel: Hahn, braun.

Yuk Bug. Haken: Nymphenhaken Gr. 4 bis 10; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Eichhorn, grau; Körperhechel: Hahn, grizzly; Körper: Chenille, schwarz; Bauch: Chenille, orange, zweifach sichtbar; Beine: 4 Paar Gummibeine, weiß.

Robinson’s Chicken Hawk. Haken: Nymphenhaken Gr. 4 bis 8; Bindeseide: orange; Anhängsel: Ovalsilber; Körper: Cactus-Chenille, grün; Hechel: Stockente; Kopf: McFly Foam, orange.

Auf Meerforellen wäre das zu auffällig und dort sieht der Einsatz der großen Nymphen etwas gefälliger aus. In der Regel quer zur Strömung oder leicht stromab werfen, und dann ruhig und behutsam einachtern. Aber bevor nun die Praxis kommt und Sie mit drei günstigen, selbst gebauten Ruten an den Rio Grande fahren, geht es erst mal an den Bindetisch. Da gibt es einiges zu lernen, denn während man die kleinen Materialmengen im Gefühl hat, dubbt man hier eine Menge, mit der man auch eine kurze Lakritzstange imitieren könnte. Die Gedanken wandern ab zu den 10000 Gramm, die ich oben erwähnte. Ich wünsche Ihnen so einen Fisch.

Ingo Karwath