Die Numidiesfeder

Auf der Spur einer berühmten Feder.

Die erste Ausgabe des „Repertoire des mouches artificielles Francais“, 1975 von Jean-Paul Pequegnot herausgegeben, wurde in einer Auflage von 2500 Stück gedruckt. Ich habe Nummer 1854. Auf Seite 13 findet man die Bindeanleitung zur „Altiere“, mit dem immer wieder gern auf einen Sockel erhobenen Bindematerial „plume d’oiseau de Numidie“. In deutschsprachigen Bindeanleitungen verfestigte sich der Begriff „Numidiesfeder“, vermutlich u.a. von Norbert Eipeltauer gepägt, und die Feder war schon sagenumwoben, als ich noch ein junger Fischer war. Pequegnot führt weiter aus, dass die Federn vom Helmperlhuhn (Numida meleagris) sehr teuer sein können und dass man sie ebenso gut durch Federn vom „vulturine“, also dem Geierperlhuhn (Acrylium vulturinum), ersetzen kann. Hat man die auch nicht, so nehme man „sabre de faisan“, die Schwanzfeder vom Jagdfasan. Vor 1975, also bevor unser Gewährsmann das aufschrieb, kam es durch die Eindeutschung und Verballhornung beider Vögel zu den Handelsnamen „Numidiesfeder“ und „Vulturinefeder“. Eine Interpretation reihte sich an die andere. Man vermutete schwarze Geierfedern aus Äthiopien oder auch die Humeralfedern vom Jungfernkranich. Aber schaut man bei Bredow nach, der 1981 sehr gründlich gearbeitet hat, findet man weder Bild noch Hinweis. Kein Kranich, keine Geier, kein Numidiesvogel. Sehr wohl aber ein Perlhuhnsegment auf Farbtafel 2 hinter Seite 64. Auf Farbtafel 3 dann der Fasanensäbel. Beide sind sich nicht mal ähnlich und trotzdem für die „Altiere“ empfohlen. Ich binde sie gern mit einer wenig oder gar nicht gefleckten Feder von einem meiner unbestimmten Perlhuhnbälge. Im Ergebnis ist das mittelgrau bis anthrazit. Aber ich kann mich noch gut erinnern, wie spannend ich die Jagd nach der Feder erlebt habe, bis sich das Rätsel dann löste. Jedenfalls für mich. Weiter bohren schadet nicht. Ich finde es verblüffend, wie unsere Geschichte, die des Fliegenbindens und Fliegenfischens, so kurzzeitig nah in einem Nebel verschwindet, den nur aufbewahrte Bücher und Magazine lichten können. Das Internet ist keine zuverlässige Quelle. Es beginnt zu spät. Und ein Klick vom Betreiber einer Seite, meiner z.B., und alles ist weg. Ich hänge immer noch am Papier, weiß aber ich könnte falsch liegen. Die Cloud-Apostel aber auch. Wer rückblickend auf stabile Erkenntnisse hofft, steht oft auf verlorenem Posten. Natürlich wurde die „Altiere“ auch mal mit seltenen Federn gebunden, aber kein Fliegenhersteller hätte so einen teuren Standard etablieren wollen. Die „Jassid“ war ja schon schlimm genug. Mit Geier oder Kranich gebunden hätte die „Altiere“ den gleichen Preis aufrufen müssen. Also, bei der Debatte um die „Numidiesfeder“ ist meine Stimme beim Perlhuhn.

Altiere. Hamecon: 16 a 20 court, fin de fer. Tout petit hackle de coq noir. Deux ailes en pointes de hackles coq gris moyen couchees horizontalement sur la hamper e la depassant nettement. Corps en fibre de la plume d’oiseau de Numidie, on a defaut, en fibre de sabre de faisan.

Ingo Karwath