Es gibt Länder, in denen sind Insekten in aller Munde, weil man sie dort lecker findet und isst. In Europa hat das keine Tradition, und ich für meinen Teil habe auch nicht vor, daran etwas zu ändern. Ich fische mit Fliegen. Essen mag ich sie nicht. Während gefährliche Arachniden es immer mal wieder in die Medien schaffen, weil beim Aldi eine aus den Bananen kroch, sind Insekten selten eine Nachricht wert. Dabei ist das tödlichste Tier der Welt die Moskitomücke, und die Heuschrecken schafften es sogar in die Bibel. Vermutlich haben diese beiden mehr Menschen auf dem Gewissen, das ihnen natürlich fehlt, als alle anderen gefürchteten Tiere zusammen. Heuschreckenplagen folgen oft auf Zyklone, die über arabischen Wüsten abregnen. So zuletzt 2018 in der Wüste Rub al-Chali. Sie wurde grün, und wegen der idealen Bedingungen explodierte das Vorkommen der Wüstenheuschrecken. 2019 gingen sie auf Wanderschaft und hatten im Iran, Jemen und Saudi Arabien wieder Glück mit dem Wetter, also Regen und Vegetation, teilten sich in Richtung Pakistan und Somalia auf, und auf der einen Seite von einem langen Monsun begünstigt, auf der anderen wieder von starkem Regen, gelangten sie letztlich bis Indien und Kenia. Erst im Winter 21 endete die Plage. Klima und Heuschrecken sind also ein Ding. Zikaden und Klima eher nicht, denn da geht es mehr um den Kalender. Während vermutlich jeder Fliegenfischer ein paar Heuschrecken in der Fliegendose hat, ist die Zikade wohl nur für Neuseelandfahrer interessant. Dort gibt es etliche Muster, und man fischt sie eigentlich jedes Jahr. Es gibt aber ganz besondere Zikadenjahre. 2024 wird in den USA so eines werden. Vor 20 Jahren widmete sich das „Art of Angling Journal“ dem Thema, da aber auch die Arten, die alle paar Jahre mal schlüpfen, absolut unzuverlässig sind und ja überdies landbürtig, entstand aus dem Input nicht gerade eine Zikadenbindeszene. Dieses Jahr aber wiederholt sich ein Ereignis, das es zuletzt 1804 gab. Thomas Jefferson war Präsident. In den USA gibt es 12 Bruten von 17jährigen Zikaden und 3 Bruten von 13jährigen Zikaden. Dieses Jahr werden sie alle zugleich schlüpfen. Eine Brut umfasst mehrere Arten, und es ist unklar, wie sie sich über die Artgrenzen auf ihr Schlupfjahr koordinieren. Sie leben die ihnen zustehenden Jahre in der Erde, schlüpfen dann zu Billionen, und nichts kann sie aufhalten. Sie übertragen keine Krankheiten, fressen nichts weg, stechen nicht, machen aber einen Höllenlärm. Bis 85 DB. Wie ein Saxophon. Im Volksmund heißen sie „Whiskytrinker“, „Scherenschleifer“ oder „Maskierter Tod“. Um das Ereignis einzuordnen hilft vielleicht das Jahr 2245. Dann wiederholt sich der Vorgang. Also, wer mal ein entomolgisches Großereignis fischen möchte, gegen das die Maifliege nichts ist, muss dieses Jahr in die USA. Mit der App Cicada Safari kann man das verfolgen. Als Muster wird die „Chernobyl“ in verschiedenen Farben richtig sein.
Ingo Karwath