„Bomber“ binden

Dass etwas so verschieden ist wie zwei Paar Schuhe gilt natürlich nur dann, wenn ein Schuster die auf einem Maßleisten angefertigt hat. Die Schuhe von einem Industrieleisten sind alle gleich. Ein „Bomber“ für die Fliegendose ist sozusagen unser Industrieprodukt, ein „Bomber“ für ein Foto ist wie ein Maßschuh. So ähnlich, und doch völlig verschieden. Ein Objektiv ist für eine Fliege wie ein gnadenloser Blick. Es sieht jeden Fusel, jeden Krümmel, jeden falschen Handgriff. Möchte man für ein Foto binden, muss man darum etwas mehr Mühe investieren. Mit dem Fliegenlexikon zum Thema „Bomber“ bin ich durchaus einige Zeit schwanger gegangen. Oder mit anderen Worten: Ich konnte es zunächst nicht so wie ich wollte. Ich fand das ‚etwas‘ nicht. Zeit und Ergebnis standen in keinem Verhältnis zueinander. Praktisches Binden fängt da an, wo man in einer Stunde einen gewissen Output hat. So ab drei Muster, besser vier, wenn’s geht fünf. Irgendwie wollte es mir nicht gelingen eine Mitte zu finden, und es hat ein bisschen gedauert, bis es zur Entscheidung kam. Der Text war schon lange fertig, aber die Fotos wurden nix. Na ja, bis man davon genervt ist und die Selbstkritik ignoriert und einfach mal sein Ding macht. So nach und nach entstand eine Sammlung von Fliegen und Fotos, mit denen ich einverstanden war. Ich habe nicht flambiert und nicht geschliffen, nur Schere und Klinge benutzt. Ein extra gekaufter Rasierklingenhalter erwies sich für mich als sinnlos. Zu viel Distanz von den Fingern zur Klinge. Aber so als Bild im Fliegenlexikon helfen die Fliegen ja auch nicht weiter, darum habe ich als Ergänzung mal alle Tipps aufgeschrieben, die mir während des Vorgangs eingefallen sind.

Der in den USA heimische Weißwedelhirsch liefert das Grundmaterial für die Herstellung von „Bomber“, „Cigar“, „Machine“ und „Bug“. Dort geht man in einen Flyshop und sucht sich ein Stück heraus, so groß wie eine gefaltete Tageszeitung, und hat die Muße nach der besten Qualität zu schauen. Wir dagegen bekommen nur handgroße Stückchen, und die Qualität ist Glücksache. Also können wir nur auf US Niveau binden, wenn wir mal Glück hatten.

Zu viel Zug zerschneidet das Haar.

Das Haar vor dem Bindevorgang unbedingt testen. Dazu schneidet man sich verschieden dicke Bündel und schaut, wie sie sich um den Haken drehen und bei welchem Zug man sie mit dem gewählten Faden zerschneidet. Gerade ein dünner G.S.P. zerteilt weiches Hirschhaar wie Butter. Man zieht an, und die Haare rieseln sämtlich vom Haken. Das muss man tunen, bis man ein Ergebnis gefunden hat, das so fest wie möglich ist und nicht schneidet.

Daiichi 2117 Gr. 6. Design Hans van Klinken!

Mein Lieblingshaken ist der Daiichi 2117, den man bei uns schwer findet. Aber in Skandinavien ist er weit verbreitet und im Bindehandel gut zu bekommen. Ich beziehe meine Haken aus Finnland, Zoll und Steuer entfallen, das Porto ist okay, und so ein Brief ist in einer Woche da. Trotzdem wäre es wünschenswert, dass der deutsche Bindehandel mal auf den Haken aufmerksam wird. Vielleicht ja mit diesen Zeilen.

Das feste Fundament.

Die Grundkonstruktion sollte man immer mit einem rauen, möglichst extra gewachsten Faden binden. Der greift sich nämlich das Haar, das man für Schwanz und Flügel verwendet, und hält es richtig fest. Den Unterkörper außerdem kräftig lackieren. Zieht man dann später am Flügel oder dreht den Körper, hält die Fliege das aus. Wie kräftig man zieht oder dreht ist Ermessenssache. So 500 Gramm vielleicht. Wer für 10.000 CAD in eine Lodge nach Labrador fliegt, sollte womöglich etwas kräftiger ziehen als der Camper am Mandalselva.

Der Tipp Rutenseide A auf einem blanken Haken zu verwenden, geht auf Dr. Deerhair zurück, Tim England, und in der Tat spinnt Hirschhaar ideal um einen blanken Haken, also ohne Fundament. Die neue Technik benutzt aber G.S.P. Faden, und der ist so glatt, dass er mit blankem Stahl im Prinzip dann gar keine Verbindung herstellt. Darum rate ich zu der oben schon beschriebenen Methode mit zwei verschiedenen Fäden und Fundament zu binden. Aber Rutenseide ist möglich und eine Alternative.

Mit zwei dünnen Bündeln beginnen.
Lack einbringen.

Die ersten beiden Bündel Hirschhaar, die man hinten einbindet, sollten etwas dünner sein. Dadurch liegt der Faden tiefer, wenn man später die Form schneidet. Man presst sie zusammen, ohne jedoch das erste Bündel weiter nach hinten zu bewegen, und gibt einen Tropfen Lack an ihren Mittelansatz. Möchte man eine Serie binden, sagen wir ein Dutzend, kann man nach den ersten beiden Bündeln den Faden hitchen und trennen und den Lack trocknen lassen. So kann er seine Aufgabe besser wahrnehmen, den bei den weiteren Arbeiten folgenden Pressdruck aufzunehmen.

Immer die Unterwolle auskämmen.

Setzt man jetzt weitere Bündel an, etwa bleistiftdick, sollte man sie vorher stets auskämmen, damit sie sich besser drehen. Man legt eine Wicklung lose über das Bündel, eine zweite zur Hälfte, und zieht an, derweil man die Haarspitzen loslässt. Unter dem Zug stellt sich das Haar auf und beginnt um den Haken zu rotieren, der Spinneffekt, der noch ein paar weitere Wicklungen anhält. Man muss der Versuchung widerstehen den Faden durch das Haar nach rechts zu führen, sondern wickelt so lange an der gleichen Stelle bis die Rotation aufhört.

Mit dem Packer verpressen.

Sitzt das Bündel, den Faden mit einer Wicklung durch das Haar direkt vor das Bündel führen. Mit Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der Bindehand die Haare etwas vor und zurück bürsten, so dass sie sich ausgleichen und in Position stellen können. Danach entweder mit den Fingern nach hinten pressen, oder einen Hair Packer benutzen. Ich gebe einen Tropfen Lack an jedes Bündel.

Dieses Stadium heißt niesender Igel.

Ist der Körper fertig gebunden, legt man den Faden fest und schneidet ihn ab. Jetzt muss man die wilde Haarraupe vom Schenkel nach außen auskämmen, bis man den Eindruck hat, dass alle Haare rechtwinklig zum Hakenschenkel abstehen.

Der erste Schnitt ist wichtig.
Vorschnitt fertig.

Der erste Schnitt ist wichtig und das richtige Instrument dafür ist Geschmack- und Gewöhnungssache. Ich setze den ersten Schnitt mit einer gerade Schere an der Unterseite, im Prinzip eine Steigung nach links, zum Bogen hin, so dass der Körper vorn dicker bleibt und hinten dünner wird. Diesem ersten Schnitt folgen weitere nach eben dem Prinzip, bis ich eine grobe Kegelform habe. Dann trimme ich die Haare hinten und vorn durch Schnitte, die immer 90 Grad zum Schenkel haben und den Schwanz oder Flügel nicht touchieren. Das lässt sich einfach vermeiden, und die Teile einzupacken habe ich mir abgewöhnt. Ist einfach nicht nötig ohne Hechel!

Ich lass‘ den jetzt so. Irgendwann muss man aufhören zu trimmen.

Nach dem Vorschneiden kommt die Endfasson, also den Kegel mit einer frischen Rasierklinge schön glatt trimmen und die Enden mit der Schere etwas kugelig konisch abrunden. Meint man fertig zu sein, den Körper mit drei Fingern der Bindehand noch einmal auf- und abbürsten. Schon heben sich die letzten sperrigen Haare. Wer ganz gründlich sein will, geht mit den fertigen Körpern zum Herd und hält sie in Wasserdampf. Da stellt sich alles auf, was vorher nicht wollte, und wird dann getrimmt. Danach ist man auf der sicheren Seite fertig.

Sollten Sie sich gefragt haben, wie die super perfekten Hirschhaarkörper entstehen, die man gelegentlich auf Fotos sieht, dann ist das schnell erklärt. Man fackelt die Fusel mit einem Feuerzeug ab und arbeitet dann mit Schleifpapier nach. Das macht nur Sinn für ein Foto, denn die Kamera ist bei Fliegen nun mal unerbittlich, für die Fischerei wäre es gröbster Unfug so viel Mühe in eine schwimmende Hirschhaarwurst zu investieren. Dafür hat ein Praktiker keine Zeit.

Die Hecheln sind auf der linken Seite eingebunden.

Jetzt kommt der dritte Faden, wieder ein möglichst rauer, den man gut wachst und mit drei Windungen in den Haarkörper hineinwindet und somit anlegt. Mit weiteren drei festen Wicklungen legt man dann eine Hechel ein, oder zwei, die man vorher an ihrer Spitze gestutzt hat. Wer sehr misstrauisch ist, gibt eine Tropfen Lack zwischen die Haare. Danach führt man den Faden in vier oder fünf Wicklungen nach vorn und achtet auf eine schöne Segmentierung.

Würden sie den bei W.W.Doak verkaufen? Ich denke schon.

Der Rest ist einfach. Nun folgt man mit der Hechel dem Faden, also eine Wicklung über die Anlegerunde und dann spiralig nach vorn. Dort überfangen, und wenn man vorn einen Flügel hat, diesen jetzt aufrichten. Ich bin unbedingter Anhänger von einem Flügel, aber zwei sieht auch gut aus. Das liegt an Pete Machek aus Courtenay, BC, bei dem ich das Bomberbinden gelernt habe. Ein Argument habe ich nicht. Pete benutzte stets eine steife Locke aus der Spitze vom Kalbschwanz. Die war ihm wichtiger als Körper und Hechel.

Die Fliege mit einem Whip Finish abschließen und schön lackieren. So, jetzt geht man zu www.wwdoak.com und schaut sich da die „Bomber“ an. Ja, ich weiß, das ist auch für mich ernüchternd, aber genau da wollen wir hin. Die Doak Familie und Warren Duncan sind meine Vorbilder bei der Bomber-Qualität, und wenn ich mal wieder nur zweiter bin, dann denke ich immer: Wenn schon verlieren, dann gegen die! Oh, eins noch, ein „Bomber“ kostet bei Doak bis zu 7.50 Dollar. Es ist erfreulich für den Binder, so viel Wert zu schaffen. Für eine Woche Lodge sind fünf Dutzend okay, für den Binder ein Sack voll Arbeit, für den Käufer etwa 400 Dollar.

 

Ingo Karwath