Der Waldwurm

Wiggleworm. Ein Muster von Niklas Albrechtsen.

Auf meinem Bindetisch dampft eine Tasse Irish Breakfast Tea mit Milch und Zucker. Der Hund hat sich auf seiner Decke vor dem Regal mit den Materialkisten eingerollt und schnarcht vor sich hin. Wir waren gerade im Wald, die sogenannte große Runde. Den alten Kirchweg lang, dann nach Osten abbiegen und durch den Busch zurück. Dauert so eineinhalb bis zwei Stunden. Als ich noch jünger war, hab‘ ich mir dabei gern ein Gewehr umgehängt, aber man sieht einmal im Jahr Schweine und kommt vielleicht alle fünf Jahre mal in eine Schussposition. Meine alte R 93 wiegt mit Glas und vollem Magazin etwa 4 Kilo. Ich müsste also, 365 mal 5 mal 4, über sieben Tonnen schleppen für eine Chance. Nichts für mich. Die Erholung, die der Wald bietet, ist viel tiefer, wenn man nichts von ihm will. Der Hund schnüffelt begeistert die Wildwechsel ab, trägt hin und wieder einen Knüppel, frisst eine Eichel, kackt unter die Büsche, und ich häng‘ so hinten an ihm dran und meinen Gedanken nach. Die Stimmung hat was von Meerforelle, wenn man im Februar oder März nicht warten konnte und zu früh am Strand steht. Es sind die ersten Minusgrade in Norddeutschland und im Ansatz ist eine Atemwolke erkennbar. Wo hab‘ ich eigentlich die kleinen Wiggletails hin verlegt, die ich im Sommer bei Go Fishing gekauft habe. Die müssten eigentlich noch in der Sommerkiste sein, fällt mir an der nächsten Wegecke ein, und da entsteht doch tatsächlich im Hinterkopf die erste Bindeidee für 2023. Nicht für den „FliegenBinder“ und einen Artikel, sondern tatsächlich für mich. Das ist ein gutes Zeichen, als hätte ein Bär vor dem Winterschlaf einen letzten Tagtraum. Ich sehe eine schlammige, schilfige Bucht vor mir, und die Forellen sind ganz wild auf den „Wiggleworm“. Na gut, nicht alle haben 40, aber einige schon und ich freue mich in die neue Saison hinein. Na ja, wenn das mal klappt, wir ziehen nach 33 Jahren aus dem Pfarrhaus aus und haben ein Haus gekauft. Meine Frau hatte ja Residenzpflicht. Von mir wird so einiges erwartet, und ich befürchte von März bis Juni bin ich Dobby, der Renovierungself. Aber das ficht mich jetzt nicht an. Der ursprünglich mal von Niklas Albrechtsen erfundene „Wiggleworm“ hat einige Variationen hingelegt und ist inzwischen bei einer vereinfachten Variante gelandet. Dem Wurm einen Rückenschild zu binden ist zwar hübsch und macht den Binder glücklich, aber dann streift die Luft im Wurf so optimal nach hinten, dass sich der Wiggletail wie wild dreht und man einen kleinen Hubschrauber wirft. Besser bewährt hat es sich, den Tail nicht an einen Wirbel und eine Öse zu binden, sondern einfach hinten rein. Vorher eine Perle aufziehen. Auch das Gewicht mindert die Drehung. Dann entweder einen schön ruppigen Dubbingkörper binden oder ein Chenille unterbinden und eine struppige Dubbingschlaufe überbinden. Das Ergebnis nicht stutzen. Das erzeugt einen Windschatten, der das lästige Wurfbrummen unterbindet. Im Ansatz. Aber die Fliege an sich war noch nie das Problem. Das eigentliche Problem ist ja, an genau dem richtigen Tag bei Vollmond oder Neumond und 4 bis 6 Grad Wassertemperatur vor Ort zu sein, um das Ereignis der Wurmhochzeit zu erleben. Da sind die Tagesfahrtfischer eindeutig im Vorteil. Und es ist eine Frage an unser Alter und unsere Passion, was wir noch als Tagesfahrt bewerten wollen. So ab vier Stunden aufwärts pro Strecke ist es doch schön ein Hotel zu haben, weil man an zwei Tagen 20 Stunden und mehr fischen kann. Danach, zeigte die Erfahrung, ist man so steif wie ein Puter in der Tiefkühltruhe und hat zwei Wochen Schnupfen. Das dann alljährlich mit Begeisterung zu wiederholen ist Außenstehenden schwer vermittelbar.

Eine Perle aufziehen, ein Fundament anlegen und einen S oder XS Wiggletail hinten einbinden.

Mit braunem Sparklechenille einen Unterkörper binden. Hinten eine Dubbingschlaufe stehen lassen.

Ein Naturdubbing mit möglichst viel Grannen in die Schlaufe einspinnen und dann über den Chenillekörper dubben. Hinter der Perle abschließen und einen Tropfen Lack einbringen.

Ingo Karwath