Der Trockenmann Teil 3

Der Verlust von Itchen und Test.

Die Saison 1887 wurde schwierig, weil die Forellen nicht eben zahlreich und zickig waren. Selbst mit „cobweb“, dem dünnsten Vorfach der Zeit, und bei einer Wurfposition fünf Meter vom Ufer weg, konnte man sie nicht mehr überzeugen. Das ist wenig verwunderlich, wenn jedes Jahr 20 gute Fliegenfischer 50, 100 oder 150 ansehnliche Fische entnehmen, dann hat man irgendwann ein Problem. Dr. Wickham beugte sich dem Druck und baute Teiche, doch die Schlachter um Winchester konnten gar nicht genug Leber liefern, um die Forellen damit zu mästen. Es entzaubert den Test doch gewaltig, bedenkt man seinen Besatz mit „Leber-Forellen“. Die Saison 1888 war noch schlechter als das Vorjahr, und für Halford, der ein Anhänger großzügiger Besatzmaßnahmen war, kamen alle Bemühungen zu spät. Er kündigte seine Rute am Test und zog an den Itchen. Dazu renovierte und möblierte er ein Cottage in Headbourne Worthy, und, das macht ihn doch sehr sympathisch, kaufte sich ein Tricycle, um im Winter und Frühling in London an seiner Fitness zu arbeiten. Der Saisonbeginn 1889 sah vermutlich einen sehr motivierten Halford am Ufer des Carey-Wasser oberhalb von Kingsworthy stehen. Am 6. April, um genau zu sein. Die Forellen am Itchen waren weit zahlreicher als die am Test, außerdem sehr steigwillig, aber im Durchschnitt nur 1 lbs 4 oz schwer, am Test 1 lbs 12 oz, und Fische über 2 lbs waren sehr selten. Der Itchen wurde sehr großzügig besetzt, Carey hatte 250000 Brütlinge in seiner Anlage. Zehn Jahre zuvor waren durch einen Baufehler viele Hechte aus dem Alresford Pond in den Itchen gelangt, und die Keeper hatten Jahre damit zu tun ihnen den Garaus zu machen. Halford beschäftigte sich nun noch mehr mit Entomologie, und seine Artikel spiegeln das in Zitaten McLachlan, Eaton und Pictet wieder. Er unterschied fast alle seine gebundenen Fliegen in männlich und weiblich, selbst Ameisen und Mücken, und so ist es seither ein Witz, von einer „Male Red Tag“ und einer „Female Red Tag“ zu sprechen. Sein neues Buch, „Dry-Fly Fishing in Theory and Practice“ erschien ebenfalls im April 1889, passend zum neuen Fischwasser.

Dieses Buch, man kann es nicht anders sagen, ist nicht ein Meilenstein, sondern der Meilenstein in der Geschichte des Fliegenfischens. Es bewegte zumindest unsere kleine Welt. Werfen üben und lernen, Präsentieren üben und lernen, schleichen und waten, Entomologie, Strömungen analysieren, Fliegen binden, Knoten knüpfen, Rhythmen verstehen, fischen wo andere nicht fischen, warten können, eine Seidenschnur herstellen, Gerät auswählen – wirklich alles wurde beachtet und vernünftig beschrieben. Aber es markiert auch den Beginn des Purismus. Es macht keinen Sinn Halford als einen Fliegenfischer zu begreifen, der sachlich und offen Dinge erprobt und ehrlich davon berichtet. Er ist, spätestens ab 1889, ein Politiker der Trockenfliege. Man darf annehmen, dass er mit Nassfliegen, Nymphen und Shrimps experimentiert hat. Er hat den Mageninhalt hunderter Forellen untersucht. Und behauptet dann doch, mit den wunderbar gebundenen Shrimps von George Holland nicht gefangen zu haben. Es gibt sehr schöne Umschreibungen für diese Umstände, und ich mag sie nicht verwunderlich oder ein Puzzle nennen. Er hat schlicht und einfach gelogen. Höflicher gesagt die volle Wahrheit ohne voll. Ein Politiker eben.

Hätte er diese Position nicht eingenommen, wäre sein Ruhm ein anderer, vermutlich mäßiger geworden. Er hatte sich entschieden der Advokat der Trockenfliege zu werden und endete als ihr Papst. Mit seiner Meinung, seinen Ansagen, hat er nicht hinter dem Berg gehalten. Aber er hat niemals den Boden des Anstands verlassen und Konflikte eher abtropfen lassen. Die englische Klassengesellschaft hätte sicher mit voller Wucht zugeschlagen, wäre er in dieser Hinsicht nicht so klug gewesen. Mit der Rute am Itchen und dann noch mit seinen guten Beziehungen war Halford sehr gut aufgestellt, aber 1890 konnte er den Mietvertrag für seine Worthy-Cottage nicht verlängern und fischte die 91er Saison durchaus zufrieden mal hier und mal da, besuchte auch Houghton und nahm sich für 1892 dort wieder eine Rute. Besatz mit fangfähigen Fischen hatte die Situation in Houghton erheblich verbessert, und vermutlich hätte Halford dort nun sein Leben lang weiter gefischt. Dr. Wickham jedoch wollte verkaufen, und nach einigem missglückten Hin und Her in den Verhandlungen gelang es dem vor 18 Jahren nach Stockbridge verdrängten Houghton Club den Houghton Fly Fishing Club mit einer hervorragend vorbereiteten Aktion wieder in die Wüste zu schicken. Sie hatten lange und geduldig Geld gehortet und zahlten Wickhams Preis. Die auslaufende 92er Saison verlief unglücklich, denn der anstehende Verlust des Fischwassers bedrückte auch die schönsten Tage. Halford musste einmal mehr ein neues Wasser suchen, und natürlich war er erfolgreich, aber so wie in Houghton sollte es nie wieder werden.