Alte Kameraden – Meerforellenfliegen aus den frühen Jahren

Januar. Fliege Nr. 1 für die Altherren-Dose, die Klima-Box, die Bio-Schachtel: „Magnus“.

Die Vorarbeit besteht darin, einem 6er oder 8er Haken mit roter Bindeseide Kugelkettenaugen anzubinden und diese dann schön rot zu lackieren, hier mit rotem Cellire.

Als Mikroplastik werden Plastikteile bezeichnet, die kleiner als 5 mm sind, also in etwa so groß wie das Loch eines büroüblichen Lochers. Sekundäres Mikroplastik wurde von Umwelteinflüssen zu kleineren Teilen zerrieben, und wenn man sich einmal moderne Meerforellenfliegen anschaut, nehmen wir die augenfällige „Mulkkis“, dann muss man schon zugeben, sie ist bis auf den Haken zu 100 Prozent Plastik, zumal mit Craft Fur gebunden. Reißt sie uns ab, und wird dann vom Wellenschlag zerrieben, dann haben wir im Prinzip Mikroplastik ins Meer eingebracht. Sehr umweltbewusste Fliegenfischer werden das nicht wollen, obwohl ja zugegeben ein Verlust nicht so häufig ist. Bei der Suche nach einer guten Idee für die Fliege des Monats 2023 kam mir die Idee, mich mit Anti-Plastik Fliegen zu beschäftigen, sozusagen Bio-Flies für Meerforellen. Nun dürfen verarbeitete Produkte nur dann unter dem Bio-Siegel verkauft werden, wenn 95% ihrer Zutaten aus der ökologischen oder biologischen Landwirtschaft kommen. Da haben wir mit einem industriell gefertigten Haken und dem Kunstofffaden natürlich schlechte Karten, aber nimmt man den Haken raus, der sich im Meer unweigerlich zu ungiftigen Eisenoxiden zersetzen wird, hinterlassen wir mit einer Bio-Fliege nur den Bindefaden als potentielles Mikroplastik im Meer zurück. Nimmt man für den Bindevorgang einen Seiden- der Baumwollfaden, würde man sogar das ausschließen. Es ist also relativ einfach möglich, eine Bio-Fliege zu binden, deren Verlust zu keinerlei Verschmutzung des Meeres durch Mikroplastik oder nicht abbaubare Schadstoffe führen wird, weil alle ihre Zutaten natürlichen Ursprungs sind und sich dem Kreislauf der Stoffe wieder einfügen.

Einen roten Bindefaden benutzen und zwei kurze Grizzlyspitzen als Schwanz einbinden. Sie dürfen sich gern etwas spreizen.

Bedenkt man, dass die Guides überall auf der Welt sorgfältig und teils militant dafür sorgen, dass kein Zentimeter Nylon ins Wasser fällt und in der Natur absolut nichts zurückbleibt, außer Fußabdrücken, dann ist es letztlich gar nicht so weit hergeholt, eine Bio-Fliege zu fischen. Ich gebe zu, dass das Wasser auf meine Mühlen ist, denn ich war den Kunststoffen nie so richtig zugeneigt. Das jedoch völlig inkonsequent, denn Flashabou und Chenille und andere Leckerlis möchte ich nicht missen. Um das Ganze nun praktisch zu gestalten, würde ich keinen extremen Ansatz vertreten, sondern mich darauf einlassen, die Kunststoffe aus meinen Fliegen mehr und mehr zu verbannen. Die 95% eines Bio-Produktes mag man nicht immer erreichen, aber der Weg dahin ist Ziel genug. Rippungsmaterial wie Flachsilber oder Ovalgold werden wir schwer ersetzen können, und das sind dann eben die 5%, die uns letztlich fehlen. Ich habe wohl noch einige Spulen mit indischem Tinsel aus alter Zeit, und das ist aus echtem Metall und nach den Jahrzehnten nun so trüb wie der graue Himmel. Nachdem ich zu Silvester Feuerwerk in graubraunen Ökoverpackungen gesehen habe, würde ich mich nicht wundern, wenn auch auf uns Fliegenbinder solche Ökomaterialien zukommen. So gesehen bin ich hier vielleicht ein wenig zu früh und ich will auch keinen Kritikern unserer Passion den Weg bereiten. Ich will binden und will fischen, und ja, ich mache Löcher in Fische und kaufe Federn und Haare von toten Tieren, die Ökos werden mich später im Altenzentrum nie an ihren Tisch lassen, und ich möchte dabei nicht behindert werden, mich aber eigenverantwortlich in eine Richtung bewegen, die meinen Fußabdruck in der Natur kleiner werden lässt.

Hinten Flachsilber und Silberdraht einbinden, vorn eine eher kurzfibrige Grizzlyhechel. Für mehr Gewicht kann man Kupferdraht über den Schenkel wickeln.

Mich nun Monat für Monat mit solchen Gedanken zu beschäftigen ist aber nicht meine Welt. Viel leichter ist es, die alten Kameraden vorzustellen, Meerforellenfliegen aus alter Zeit, als noch mit Naturmaterialien gebunden wurde. Da muss man nicht so negativ rangehen und kann vielleicht eine Brücke bauen, über die man zwanglos gehen kann. Aber genug nun dieser Reden, das mag vom nachdenklichen Jahreswechsel begünstig sein, ich fang‘ mal einfach mit einer exzellenten Fliege an. Wenn Ihnen der ökologische Aspekt dieser Sache nicht gefällt, dann genießen Sie den historischen, denn jetzt geht es zurück in die Zukunft, Ostern 1973. Es regnete in Strömen, pa tag og ruder, auf Dach und Fenster, und Magnus Ting Mortensen saß gemütlich in seinem Sommerhaus und band Fliegen. Er hatte eine Garnelenfliege im Sinn, schön leicht und luftig, und verarbeitete Hasenwolle, selbst geschossen, und Grizzlyhechel aus dänischer Zucht. Ein bisschen Farbe sollte auch sein, und so lackierte er die Augen rot. Die ersten Muster entstanden auf 6er Nassfliegenhaken, die späteren dann auf dem JS Sea Streamer CS 11, Gr. 6 bis 8. Nach den ersten Erfolgen stellte Magnus die Fliege im „Hollet“ vor, dem Clubhaus der „Fynske Lystfiskere“. Mit am Tisch saß Keld Petersen von „Go Fishing“, der die Fliege mit dem Namen „Magnus“ bedachte und für ihre Popularität sorgte. Bis auf das Flachsilber ist sie aus natürlichem oder unschädlichem Material gebunden. Im Messing der Kugelkette ist zugegeben eine Spur Blei, bis zu 3%, und es setzt sich bei der Entzinkung im Meerwasser irgendwann auch frei, aber ich denke schon, dass wir mit der „Magnus“ ein Bio-Muster vor uns haben, das innerhalb der Norm liegt. So gesehen ist sie mein Muster Nr. 1 für die Altherren-Klima-Dose, denn ihre Erfindung liegt 50 Jahre zurück und sie ist tatsächlich Bio.

Den Körper aus Hasenwolle dubben und mit dem Flachsilber rippen.
Die Grizzlyhechel nach hinten winden und mit dem Silberdraht gegenrippen. Zwischen Augen und Hechel einen Whip Finish setzen und nur dort Klarlack auftupfen. Cellire klar und Cellire rot mögen sich nicht.

Ingo Karwath