Der Trockenmann Teil 4

Die Jahre am Kennet.

Die Mitglieder des Houghton Fly Fishing Clubs mussten sich nun ohne Wasser eine neue Heimat suchen und Halford verfolgte einen ambitionierten Plan. Marryat stellte den Kontakt zu Robert Long her, ein Weinhändler und Brauer aus Marlborough, der wiederum den Kontakt zu Sir Francis Burdett ermöglichte, und Burdett saß auf Ramsbury Manor und hatte über vier Meilen Kennet, die er verpachten wollte. Nachdem Long die ersten Verabredungen für Halford gemacht hatte, übernahm Basil Field die Verhandlungen und erreichte sehr vorteilhafte Ergebnisse. Für 300 Pfund pro Jahr pachtete Halford den Kennet für die Dauer von 21 Jahren, erhielt das Recht die Keeper selbst zu bestimmen, und Sir Francis übernahm aus rechtlichen Gründen die Kosten für seine fischenden Hausgäste, von denen nur zehn pro Jahr zugelassen waren. Halfords Partner waren Basil Field, William Quiller Orchardson und Nathaniel Lloyd. Ab 1893 kamen diese vier Fischer mit Freunden und Familie und wohnten entweder in der Park Farm oder im Mühlenhaus. Die Fischerei war in den Vorjahren etwas verwildert und musste auf Vordermann gebracht werden. Mit Drähten, Drillingen, Flinten, Speeren, Fallen, Köderfischen und Netzen wurden allein 1893 insgesamt 2087 Hechte entfernt. Zusätzlich wurden 1141 Häslinge abgefischt. Vermutlich weil sie steigen, und man kann sie dabei leicht mit Forellen verwechseln. Die wurden reichlich besetzt, vornehmlich dicke, silberne Wycombe-Fische. Die 1893er Saison entwickelte sich sehr gut. Am 22. Mai zeigten sich die ersten Maifliegen, und die Forellen im Abschnitt Ramsbury Lower konnten sich ungestört an sie gewöhnen. Halford wollte seine Theorie testen, dass man mit zu früher Fischerei eine gute Entwicklung der Maifliegenzeit stört. Die Annahme bestätigte sich, und vom 30. Mai bis zum 10. Juni hatten die Angler eine gute Zeit. 108 Forellen wurden gefangen. Bis zum 14. Juni noch 8 dazu, und dann notierte Halford: End of Mayfly. Die Saison 1894 war noch besser als das Vorjahr, allerdings war der Maifliegenschlupf schlechter und die Kennet-Forellen zeigten danach wenig Neigung nach kleinen Trockenfliegen zu steigen. Sie futterten eher auf Skues-Niveau, aber der fischte ja selber trocken und hatte seine Nymphen noch nicht so ganz erfunden. Man konnte auch diese Fische trocken fangen, aber es war egal mit welcher Fliege man auf sie fischte! Sie stiegen nicht selektiv, was ja nun gar nicht zu Halfords Gedankengebäude passte. Nicht selektiv ist fast nass. Wie wir heute wissen, wurde der Kennet schon 1893 schlimm überbesetzt, und man darf annehmen, dass ein viel besserer Maifliegenschlupf möglich gewesen wäre, wäre er nicht in den Bäuchen der vielen Forellen gelandet. Der Kennet wurde nun seinem Ruf als Nassfliegenfluss noch mehr gerecht als vorher. Das hielt Halford nicht davon ab, 1895 das Buch „Making a Fishery“ zu publizieren. Die Ökologie war als Wissenschaft noch in ihren zartesten Anfängen, und dass wir heute eher von Halfords Fehlern lernen als von seinen Erfolgen muss notwendig so sein. John Waller Hills fasste es schon 1930 in „A Summer on the Test“ so zusammen: „Weißfische wurden getötet; ein- und zweijährige Fremdforellen aus High Wycombe wurden wannenweise ausgesetzt; alles wurde getan die Fischerei zu verbessern: und trotzdem, eine Fischerei, die schon vor dem Besatz von 1893 gut war, wurde bis 1896 so ruiniert, dass die Fischer sie angewidert auskotzten.“ (im Orginal: threw it up in disgust!) Starke Worte, aber Hills fischte Ramsbury von 1899 bis 1922, zuletzt war sein Bruder Jack Hills der Pächter, und erlebte wie gut der Kennet sein konnte.

Aber es waren nicht die Fische und Fliegen allein, die Ramsbury den Boden wegzogen. Zu Beginn des Jahres 1896 erreichte eine Grippewelle die britischen Inseln, und Marryat hatte das Pech sich anzustecken. Er lag elend mit Grippe im Bett, als ein Schlaganfall hinzukam, er fiel ins Koma und starb am 14.2.1896. Die Welt der Fliegenfischer hielt für einen Moment an, und viele Freunde waren geschockt, dass ein so vitaler Mann mit 55 schon starb. Halford war schwerst getroffen. Er war selber erkrankt und erholte sich langsam am Meer. Er fischte dann ein paar Tage im Mai und Juni und kehrte Ramsbury für immer den Rücken zu. Wieder keine Maifliegen. Der mögliche Zauber war verflogen. Im Herbst rief er die Partner zusammen und man beschloss Ramsbury aufzugeben. Obwohl man das erst im siebten Jahr hätte tun können, nahm Sir Francis die Kündigung an. Von da an fischte Halford wieder am Test bei Newton Stacey, mit einer Karte von Mayor Turle. Er folgte Einladungen an dieses und jenes Wasser, fischte sogar auf Lachs, stelle aber solche Kapriolen ab 1900 ein. 1000 Meilen Reise, sieben fischlose Tage, und dann ein 34pfünder, das rechnete sich für ihn nicht. Er war durch und durch ein Forellenmann, ein „high-dry-man“, um es mit Marston zu sagen. Und sein Werk war noch nicht vollendet.

Ingo Karwath