Die magische Feder

Jungle Cock, kurz JC, man sagt auch Augenfeder, entzieht sich der Vernunft

Das hellgrüne Floss, das Ovalsilber und der Bindefaden sind ebenfalls aus Kunststoff. Warum stört mich dann nur die Plastikfeder?

Als ich noch ein junger Binder war, so mit 18, war ja meine Zeit mit Kipling, Karl May und Jack London gar nicht so lange vergangen. Jules Verne und Melville hatte ich schon distanzierter gelesen, also ohne Taschenlampe im Bett und die Idee von zu Hause wegzulaufen, aber politisch hatte sich in meinem Kopf noch rein gar nichts bewegt, obwohl ich in Gemeinschaftskunde eine Eins im Abi hatte. Erschwerend kam hinzu, dass meine Schule eine reine Jungenschule war, und vor die Wahl gestellt, hoch zu Elefant eine Tigerjagd mitzumachen oder mit einem Pappschild vor dem Stockholmer Parlament zu sitzen, hätte ich nicht lange überlegen müssen. Her mit der Doppelbüchse. Meine frühe Beziehung zum Dschungelhahn war von einem romantischen und einem unromantischen Gedanken geprägt. Ich stellte mir einen indischen Jäger vor, der mit einer drahtumwickelten Schwarzpulverflinte zwischen Tigern, Leoparden und Kobras durch den Dschungel streifte, um diesen Dschungelhahn für uns Fliegenbinder zu schießen. Soweit die Romantik. Unromantisch natürlich, dass ich mir so einen Balg als Studiker nicht leisten konnte. Bald ergaben sich aber zwei Dinge. Ich wurde vernünftiger, lernte Natur- und Umweltschutz zu bedenken, und zweitens wurde der Dschungelhahn weltweit geschützt. Die Quellen versiegten. Der Schwarzhandel blühte. Die berühmte Augenfeder ist nun schon seit so langer Zeit ein Bestandteil vieler Lachsfliegen, dass sie unverzichtbar scheint. Was machen die ganzen modernen Binder nachdem sie dreißig Sorten Kunsthaar, Flash, Formplastik und Pressmetall miteinander kombiniert haben. Richtig! Junglecock einbinden. Eventuell sogar denaturiert, überfärbt, aber immer noch erkennbar. Würden diese Binder ihren Kreationen wirklich vertrauen, dann ginge es ohne die Feder, oder? Aber sie trauen sich nicht, wagen den Schritt nicht, wagen den Schnitt nicht sich von 200 Jahren Tradition zu trennen. Man könnte JC aus Vinyl verwenden, es gibt da inzwischen einige Angebote, aber nachdem ich mir ein paar Varianten besorgt habe war mein: Nein, Danke! gleich nach der ersten gebundenen Fliege klar. Die Verwendung der Feder ist eine Ja-und-Nein-, eine Schwarz-und-Weiß-Frage. Entweder man nimmt die echte Feder, oder man lässt sie weg. Dazwischen gibt es nichts, sei es Plastik oder Handgemalt, was ich verwenden möchte. Mir ist schon klar dass eine Plastikfeder ihren Job macht, aber wenn das bestimmende Element einer Fliege, die mir nach 11 Monaten und drei Wochen warten, nach vier erfolglosen Tagen und Nächten einen Lachs schenken soll, aus Plastik ist, dann bin ich raus. Ich werde nicht mit Plastik JC binden. Dann vertraue ich lieber dem puren Fuchshaar.

Ingo Karwath