Von scharfen Schafen

Sie fangen seit mehr als 40 Jahren zuverlässig ihren Lachs. Die Superfliegen der Sheep-Serie.

In Amerika, dem Land der ehemals unbegrenzten Möglichkeiten, gibt es Gänse, die sind so groß wie ein Fiat Fünfhundert. Und wie dieser auch aus Blech und Kunststoff. Im Inneren einer solchen Gans kann sich ein ganzer Jäger verstecken. Obwohl sie viel zu groß ist, wirkt eine solche Gans als Lockvogel. Wenn ihre befiederten Kollegen sie aus großer Entfernung entdecken und zur Landung ansetzen, öffnet der Jäger zwei Klappen und ballert los. Eine ganz ähnliche Konstruktion gibt es auch als Ruderboot, also ein Bootchen mit einem entenähnlichen Deckel, unter dem der Jäger auf seine Beute wartet. Diese überoptimalen Attrappen bezeichnet man auch als Superdecoys oder Superattractor, und trotz aller Vorbehalte scheinen diese trojanischen Viecher zu funktionieren.

Black Sheep. Haken: Lachseinzel oder -zwilling Gr. 4. Bindeseide: rot. Tag: Ovalsilber. Körper: Wolle oder Floss, schwarz. Hechel: Hahn, blau. Flügel: Bucktail, schwarz, unter Bucktail, gelb. Wangen: Dschungelhahn.

Diesem Konzept ist denn auch eine Reihe von Lachsfliegen verpflichtet, die sich nicht mehr in das einfügen lassen, was man noch normal nennen könnte. Mit einem Blick auf die ehemals außergewöhnlichen „Sheep Flies“ muss man jedoch sagen, dass sich der Gedanke des Normalen natürlich wandelt. In einer Welt von 8er und 10er Zwillingen, zwischen „Silver Doctor“, „Jock Scott“, „Torrish“ und „Jonah“, musste die erste Fliege dieser Serie einfach ein schwarzes Schaf sein, und so kam es zur Namensgebung dieser lange schon berühmten Fliegen, deren Urmutter die „Black Sheep“ war. In einer Privatauflage von nur 100 Stück, überwiegend im Freundeskreis verschenkt, hat Joseph P. Hubert in seinem Buch „Salmon-Salmon“ dem isländischen Lachs und den Sheep-Flies 1979 ein Denkmal gesetzt. Eines der exklusivsten Bücher der Lachsszene, die ja ohnehin nicht eben bodenständig ist. Man kann sich schon freuen wenn man mal eines anschauen darf. Besitzen steht eher nicht zur Debatte. Es kostet dieser Tage antiquarisch um die 5000 Pfund. Aber es gibt einen Nachdruck und auch online kann man es lesen.

Brown Sheep. Haken: Lachseinzel oder -zwilling Gr. 4. Bindeseide: rot. Tag: Ovalsilber und Floss, rot. Rippung: Ovalsilber. Körper: Wolle oder Floss, schwarz. Hechel: Hahn, blau. Flügel: Bucktail, braun zwischen Bucktail, schwarz. Wangen: Dschungelhahn.

Der Fliegen kann man jedoch einfach habhaft werden, denn die 1977 von Hubert erdachten und von Haraldur Stefansson in Reykjavik gebundenen Fliegen kamen über einen Artikel in „Flugfiske i Norden“, Nr. 3 Juni 1983, fast unmittelbar nach Schweden und Norwegen. Sie werden traditionell auf einen Doppel- oder Einzelhaken der Größe 4 gebunden, sollten jedoch etwa dreimal so lang wie der Haken sein, was sich je nach Hakentyp auf bis zu 10 Zentimeter ausgeht. Da nun ganze Generationen von jungen Lachsfischern die Schafe gar nicht mehr kennen, kann ich nur raten mal eines zu binden und in die Strömung zu halten. Dann kann man sich ein wenig stumm anschauen, was sich dieser Mr. Hubert aus Duluth in Minnesota ausgedacht hat. Die Schwimmweise erinnert stark an unsere ganz modernen hydrodynamischen Fliegen, für die man aus einem Baukasten zunächst einmal verschiedene Tubes und Cones und Flares zusammensetzen muss. So ein Schaf gibt dieselbe Vorstellung locker aus einem linken Bein. Ich hatte schon in ganz jungen Jahren davon gelesen, konnte aber die Kraft der Idee nicht so richtig auf die Hinterachse bringen. Jungle Cock gab es damals noch auf dem freien Markt, das Binden war nicht das Problem, wohl aber die chronisch leere Reisekasse, und ich hatte leider auch etwas eilig überlesen, dass man die Sheeps „deep and dirty“ fischen solle. Der Artikel in „Flugfiske“ ist da etwas unklar, weil zunächst die Schwimmschnur erwähnt wird, und nur in einem Nebensatz wird zur Sinkschnur geraten. Und Schwedisch gehört zu den Sprachen, die ich eher interpretiere als verstehe.

Blue Sheep. Haken: Lachseinzel oder -zwilling Gr. 4. Bindeseide: rot. Tag: Ovalsilber. Körper: Wolle oder Floss, blau. Hechel: Hahn, blau. Flügel: Bucktail, weiß unter Bucktail, blau. Wangen: Dschungelhahn.

Was da letztlich gemeint ist, muss man sich selbst zusammenreimen. Kann ja sein ich liege bis heute daneben, aber bewährt hat sich der Wurf direkt rüber, lieber etwas hoch, eine absinkende Wartephase und dann eine eher flotte Querung der Strömung. So kommt die „Sheep“, die ja einen Aal andeuten soll, wie eine Beute schnell in den Blick der Lachse. Und ist, wenn nicht genommen, schnell wieder fort. Das ist der Trick. Anscheinend ein Dilemma für Lachse, etwa so als würde man zu einem Fünfjährigen im Spielwarenladen sagen: Such dir was aus. Ganz schnell! Da greift er halt zu, der kleine Mann …

Red Sheep. Haken: Lachseinzel oder -zwilling Gr. 4. Bindeseide: Flymaster rot. Tag: Ovalsilber. Rippung: Ovalsilber. Körper: Wolle oder Floss, rot. Hechel: Hahn, blau. Flügel: Bucktail, rot zwischen Bucktail, schwarz. Wangen: Dschungelhahn.

Man beginnt mit schwarz und fischt sich durch bis zur gelbgrünen, je nachdem welcher Aufweckungsbewegung man angehört. Auf Island hat die Lachsfischerei teilweise ein kleines Format, hinzu kommt die zerklüftete Landschaft, und so ist es an vielen Pools möglich, das Verhalten der Fische von erhobener Warte zu beobachten. Dabei hat sich gezeigt, dass verschiedene Fliegenfarben einen Pool voll beißunwilliger Fische unterschiedlich stören. Durch eine im Reiz ansteigende Farbtreppe erhöht man die Chance aus Unwillen Willen zu machen. Schwarz, blau, braun, grün, rot, orange und zuletzt gelb ist nur eine der Möglichkeiten. In einem überschaubaren Pool hat dann jeder Lachs die Wahl seine Farbe zu greifen, ohne vom letzten Knaller verschreckt zu werden. Wenn man nur darüber nachdenkt beginnt man zu ahnen, dass die alten Herren um Hubert so manchen Trick spielen konnten. Natürlich ist Lachsfischen eine geld-, zeit- und glücksabhängige Sache. Wer an einem teuren Wasser viel Zeit investiert und ordentlich Glück hat, der wird schon oben auf der Fangliste stehen. Aber der Trickser mit den ungewöhnlichen Ansätzen ist ein gefährlicher Herausforderer. Er sitzt praktisch ständig in der Bar oder am Feuer, feiert beim Nachbarbauern ein Gelage, macht lange Ausflüge ans Meer und fängt trotzdem die meisten Fische. Leider, und da muss ich an meine eigene Nase fassen, vergisst man im Eifer einer Woche oft die besten Ideen und fischt ungeduldig und schlaflos weit unter den eigenen Möglichkeiten. Passiert mir immer wieder. Das kann wohl nur das Alter richten, aber die Zeit wird knapper. Die „Sheeps“ sind wohl tatsächlich ein Superreiz für den Lachs. Nur gut, dass sie nicht jeden Tag funktionieren. Sonst wäre zu einfach was wir genießen, denn nur ein Lachs pro Woche ist schon ein Geschenk von Petrus.

Silver Sheep. Haken: Lachseinzel oder -zwilling Gr. 4. Bindeseide: rot. Rippung: Ovalsilber. Körper: Flachsilber. Flügel: Bucktail, schwarz unter Bucktail, gelb. Wangen: Dschungelhahn.

Die Schafsbande folgt einem immer gleichen Bindeprinzip. Der Körper ist füllig, der Kopf stets rot, der Flügel mindestens 7 cm lang. Acht oder zehn Zentimeter sind auch okay. Damit sind die „Sheeps“ von der Schwimmweise eindeutig die Vorläufer der „Templedogs“ und letztlich auch ein Bindeglied zu den richtig langen „Shadows“. Gerade für den Fischer, der gern einmal fast schon klassische Haarfliegen benutzen möchte und einen Einzelhaken bevorzugt, genau die richtige Wahl. Die Schafe sollen ja einen roten Kopf haben, weil sie sich schämen in der Gesellschaft von „Jock Scott“ und „Durham Ranger“, kann aber auch gut sein, weil sie sich so anstrengen uns einen Fisch zu besorgen und so oft gebissen werden…

Green Sheep. Haken: Lachseinzel oder -zwilling Gr. 4. Bindeseide: rot. Tag: Ovalsilber und Floss, gelb. Rippung: Ovalsilber. Körper: Wolle oder Floss, highlandergrün. Hechel: Hahn, gelb. Flügel: Bucktail, grün unter Bucktail, gelb. Wangen: Dschungelhahn.

Ingo Karwath