Nymphe des Monats 5

Mai 2019 – Die „Andelle“ von Andre Ragot.

6 bis 8 Fasanenfibern imitieren den Schwanz der Maifliege. Man nimmt mehr als drei, weil die Fibern sehr empfindlich sind und Wurf für Wurf verschwinden.

In den ersten Jahren nach 1945 waren die Forellengewässer in Europa nicht gerade im besten Zustand, denn zunächst mit Handgranaten fischende Soldaten und später dann eine mit wichtigeren Dingen beschäftigte Zivilverwaltung waren dem Gewässerschutz nicht eben zuträglich. Aber Natur und Verwaltung bahnten sich ihren Weg, und so hatten sich Ende der vierziger Jahre viele Gewässer wieder erholt und die Besitz- und Pachtstrukturen neu gefunden. In Frankreich bildete sich in diesen Jahren, letztlich bis 1961, mit dem professionellen Fliegenfischen die effektivste Fliegenfischerei, die man sich vorstellen kann. An Strecken, die einem Gut, einem Schloss oder Hotel gehörten, aber auch an öffentlichen und zugänglichen Gewässern, wurden Forellen mit der Fliege gefangen, um sie zu verkaufen. Restaurants und Geschäfte waren die Abnehmer dieser Forellen, und es ist wohl nur den Fischzuchten zu verdanken, dass diese Fischerei ab 1961 verboten war. Für den Freizeitfischer in jenen Jahren bedeutete das, dass er nicht nur die Büsche und Bäume am Ufer, den säuselnden oder pfeifenden Wind, die flinke schlaue Forelle, sondern auch den Berufs-Fliegenfischer, womöglich Ernährer und Vater zweier Kinder, mit auf der Rechnung haben musste. Und der fischte nicht nur mal eben so, der fischte so wie Josephine Baker tanzte. Mit Feuer. Es waren diese Bedingungen und überhaupt die französische Begeisterung für das Angeln, die das französische Fliegenfischen in jener Zeit auf ein Niveau hoben, dass man dem englischen oder amerikanischem Niveau übergeordnet sehen muss. Pezon wurde kurzzeitig eine Weltmarke. Die Fliegen von Ragot und Devaux waren in aller Munde, und das nicht nur bei den Salmoniden.

Den Körper kann man aus Wolle formen, dubben oder wie hier aus fahlgelbem Antron binden. Auch alle anderen maifliegentypischen Farben sind möglich.

Vor diesem Hintergrund muss man die „Andelle“ sehen. Fasan, Ente, Rebhuhn, Wolle. Wenn es eine Methode gibt, diese vier Dinge fängiger und imitativer auf einem Haken zusammenzufügen, dann kenne ich sie nicht. Hier wächst das Berufsfischen und das Freizeitfischen zusammen. Die „Andelle“ kommt zwar aus einem Katalog, wanderte aber stracks zu den Fliegen der Berufsfischer. Die konnten damit eine Stelle ohne Fliegenwechsel mehrfach abfischen. Frisch getrocknet mit Amadou schwimmt sie, nass ändert sie die Form und geht unter, mit etwas Kupferdraht wird sie zur Nymphe, eigentlich zum Emerger, und bietet ein drittes Bild. Die „Andelle“ hat geradezu Aggregatzustände wie das Wasser, bildet Eis und Dampf.

Frisch gebunden, Ente unter Rebhuhn, ist die „Andelle“ eine Nassfliege.

Im Original wurde sie allerdings so gebunden, dass die Entenhechel hinten mit ein paar Fadenwicklungen zusammengehalten wurde. Das war für die Zeit durchaus eine Lösung, denn zunächst waren die Forellen klein und selten, und der Faden hielt ein paar Fische aus. Es war üblich, an einer verfischten Fliege diesen hinteren Bund zu erneuern, darum gibt es Fotos von „Andelles“, die hinten eine verknotete Wicklung tragen. Wiedergeborene sozusagen. Der Trick mit dem Kupferdraht kommt vermutlich von den Berufsfischern, und der Engländer Neil Patterson nimmt feinen Golddraht und hat der Fliege ein paar Seiten in seinem „Chalk Stream Chronicle“ gewidmet.

Aufgestellt und gefettet ist die „Andelle“ eine Trockenfliege.

Moderne „Andelles“ gibt es inzwschen in allen Farben, denn die Nymphe wurde als Lure entdeckt und bis hin zur rosa „Andelle“ verformt. Etwas Blei unter dem Körper ist bei dieser sehr modernen Bindeweise üblich, und rosa, nur mal so nebenbei, ergibt ein erstklassige Meerforellen-Andelle.

Bindet man die langen Fibern hinten mit etwas Kupferdraht zusammen, ist die „Andelle“ in ihrem Hauptberuf tätig, als Nymphe.

Rezept: Mit dem gewünschten Faden eine Grundwicklung anbringen und 6 bis 8 Fasanenfibern einbinden. Für den Körper haben sich die Farben weiß, beige, gelb, orange und braun bewährt, ob nun Wolle, Dubbing oder Antron. Dann verarbeitet man eine natürliche oder hellgrün, fahlgelb oder braun oder orange gefärbte Entenhechel. Eventuell jetzt schon den Draht anbringen, dann hat man weniger Gefummel. Gefolgt von einer ebensolchen Rebhuhnhechel, entweder „partridge“ oder „french partridge“.