Die glorreichen Sieben

Am Anfang der Beziehung zwischen Fliegenfischer und Fliege steht meist ein glücklicher Zufall.

Quebec Sapphire. Haken: Streamerhaken G. 4 bis 6; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Hechelfibern, rot; Rippung: Flachsilber, embossed; Körper: Chenille, weiß; Flügel: Kalbschwanz, zartrosa und Krickentenfeder; Hechel: Perlhuhn und Hahn, blau; Kopf: Auge weiß, Pupille schwarz, Kehle rot.

Nach Norwegen kann man fliegen oder fahren. Fliegt man, benötigt man in den allermeisten Fällen einen Leihwagen. Fährt man, kann man entweder über die großen Brücken kommen oder eine Fähre buchen. Meine Vorliebe für eine bestimmte Reise ist fast schon Tradition. Ich kreuze an einem Donnerstag die Elbe bei Wischhafen, kaufe mir in Tarp eine ordentliche Mettwurst, halte in Odense bei GoFishing und besorge mir fehlende Kleinigkeiten, fahre dann mit großem Genuss über die wunderbaren Brücken weiter bis Malmö und zuletzt ein langweiliges Stück nach Norden bis kurz hinter Göteburg. Dort übernachte ich in einem kleinen Hotel mit großer Küche. Mit Badehose und Handtuch gelangt man über eine Treppe zum Hausstrand und kann mit dem Wasser, in dem auch hier schon Lachse schwimmen, einen ersten Kontakt aufnehmen. Man sollte kaltes Wasser mögen und ein reeller Schwimmer sein. Baden kann man an Schwedens Westküste nicht. Abends das Sommermenü mit dem Weinpaket und eine selige Nachruhe bis zum Frühstück. Dann geht es weiter nach Norden, Freitag Ankunft, Samstag Aufklärung, Schluss mit Lustig, kein Luxus mehr, denn jetzt wird ernsthaft gefischt. Die Woche beginnt.

Firefish. Haken: Streamerhaken Gr. 4 bis 6; Bindeseide: orange; Schwanz: Brustfeder, Reeves-Fasan; Rippung: Flachsilber, embossed; Körper: Floss, braun; Flügel: Pfauengras unter wood duck; Hechel: Bucktail, orange und wood duck; Kopf: Auge gelb, Pupille schwarz.

Bei einem dieser Zwischenstopps in Odense kaufte ich das „Art of Angling Journal“, Spring 2002, und kam so in den geistigen Besitz einer Streamerserie, die mich seither begleitet. Die sieben Muster waren im Prinzip gut versteckt in einer Gruppe von 42 Streamern, und wahrscheinlich war es der Kontrast zwischen den 35 überwiegend viel zu bunten Fischchen und diesen sieben, der mich auf ihre Spur führte. Die „Quebec Sapphire“ war meine erste Wahl, denn die sieht aus wie für Meerforellen gemacht. Sie ist eine von sieben Fliegen, bei denen Michael Martinek Jr. versucht hat, Farben zu mischen und Entenfedern zu verarbeiten. Die Muster sind kurz und kompakt, und genau das sucht der Meerforellenmann. Noch in Norwegen habe ich eine Handvoll „Quebec Sapphires“ gebunden und an der Surna, über die der unvergessene Hans Steinfort mal so schön geschrieben hat, zum Einsatz gebracht. Er schrieb von Hängebrücken, Meerforellen, fischenden Engländern und glühenden Pfeifen. Ich war damals glühender Jungangler und träumte nur von solchen Nächten.

Horseman. Haken: Streamerhaken Gr. 4 bis 6; Bindeseide: orange; Schwanz: Federsegment, rot; Körper: Pfauengras; Flügel: Pfauengras und wood duck; Hechel: Bucktail, braun und wood duck; Kopf: Auge gelb, Pupille, schwarz.

Nun war ich selbst im Tal der Surna und fing gleich in der ersten Nacht mit meiner neuen „Sapphire“ eine vierpfündige Meerforelle. Mit dem Fisch im Atlas-Netz watete ich zum Ufer, und bevor ich es erreichte, hatte der Kopf schon die Idee geformt dieser Fliege die Treue zu erklären und ihre Schwestern zu binden. Es blieb bei diesem einen Fisch. Für die ganze Woche. Aber ein Traum hatte sich erfüllt, und selten hat eine Pfeife besser geschmeckt als in jener Nacht. Das ist nun einige Jahre her. Ich kann Ihnen aus voller Überzeugung den Tipp geben, dass diese sieben Streamer in verschiedenen Größen etwa so zu beurteilen sind wie sieben Objektive von 28 mm bis 400 mm plus Tele-Konverter. Sie sind wie eine perfekte Blendweitenbrücke.

Little Bow. Haken: Streamerhaken Gr. 4 bis 6; Bindeseide: orange; Schwanz: Goldfasan, Tippet; Rippung: Kupferdraht; Körper: Angorawolle, weißgrau; Flügel: Kalbschwanz, weißgrau und Eisbär, rot und Krickente; Bauch: Kalbschwanz, weißgrau und Eisbär, rot; Hechel: Bucktail, rot und Krickente; Kopf: Auge weiß, Pupille, rot.

Die Bindeweise der Streamer weicht ein wenig vom üblichen Weg ab und bedient sich einer flach aufgebundenen Entenfeder, wie man sie sonst vom „Missionary“ aus Neuseeland kennt. Von dieser Fliege scheint die ganze Mannschaft inspiriert zu sein, und auch wenn man viele Streamer gebunden oder gesehen hat, hinterlassen die Muster schon auf den ersten Blick einen nachhaltigen Eindruck. So wie alle wirklich guten Fliegen. Dass sie dann noch als Gruppe daher kommen, verstärkt die Wirkung. Die verwendeten Materialien sprechen eindeutig die Streamersprache, aber durch die ebenso komplexe wie subtile Mischung – meine Güte, ich höre mich an wie so ein über Rotwein schreibender Vollidiot – der Haare und Federn ergibt sich ein moderner Crossover-Effekt. So, nun aber genug von dem Gelabber. Sie wissen, was ich meine.

Argentine Darter. Haken: Streamerhaken Gr. 4 bis 6; Bindeseide: orange; Schwanz: Fasan, rostbraune Körperfeder; Rippung: Ovalsilber; Körper: Flachsilber; Flügel: Bucktail, rot und gelb, Krickentenfeder; Bauch: Bucktail, rot und gelb; Hechel: Krickentenfeder; Kopf: Auge gelb, Pupille schwarz.

Orange Darter: Haken: Streamerhaken Gr. 4 bis 6; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Hechelfibern, orange; Rippung: Ovalgold; Körper: Flachsilber; Flügel: 2 Hechelspitzen, orange und wood duck; Hechel: Eichhorn, naturrot und Grizzlyhechel, tan; Kopf: Auge gelb, Pupille, schwarz, Kehle rot.

Man denkt beim Anblick einer „Quebec Sapphire“ zu gleichen Teilen an Streamer, Nassfliege und Lachsfliege. Bei den anderen Mustern nicht minder. Und man denkt an Regenbogenforellen und Meerforellen, Steelhead, aber auch an die Bachforelle. Dem Küstenfischer sticht nicht weniger ins Auge was er da vor sich hat. Sie werden aus meiner begeisterten Parteilichkeit ein wenig die Luft ablassen müssen, aber bitte erst, nachdem Sie mindestens drei Muster dieser Serie gebunden haben. Sagen wir in Größe 6 und je drei Stück. Dann muss die Praxis zeigen, ob Sie alle in der Dose haben möchten. Ich kann nur zuraten. Einen Tipp kann ich vielleicht noch geben. Die Fliegen sinken langsamer und schwimmen besser als man denkt. Dieser Effekt ist der flachen Feder geschuldet, und sollte mit einer Sinktip oder einem Sinkvorfach gekontert werden. Eine Sinktip trägt beim Streamern immer zum Erfolg bei. Selbst wenn man lange nachdenkt und noch länger fischt – mehr Streamer braucht man einfach nicht. Im Prinzip, sage ich mal vorsichtig. Für Meerforellen sind das die glorreichen Sieben!

Pale Green Gnome. Haken: Streamerhaken Gr. 4 bis 6; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Hechelfibern, gelbgrün unter rot; Rippung: Flachsilber, embossed; Körper: Dubbing, gelbgrün; Flügel: Bucktail, rosarot und gelb gemischt, Krickentenfeder; Bauch: Bucktail, rosarot und gelb gemischt; Hechel: Hahn, blaßgrün; Kopf: Auge gelb, Pupille schwarz, Kehle rot.

Die Duck-Tubes

Die kleine Streamerserie hat keinen eigenen Namen, aber da zwei von sieben Mustern Darter heißen, böte sich Darter-Serie an. Ihr Erfinder sah das verbindende Element in den verschiedenen Entenfedern, und so hat sich eingebürgert, sie die „Martinek Ducks“ zu nennen. Wenn man die Fliegen dieser Serie als Tube binden möchte, sollte man entweder zur Slipstream Alutube oder zur Slipstream Kupfertube greifen. Die übliche Länge für Meerforellentubes beträgt einen Zoll, one inch, und im Vergleich liegt Alu bei 2,4 mm Durchmesser, Plastik bei 2,8 mm, Kupfer bei 3 mm und Messing bei 3,2 mm. Jeweils ein Slipstream-Produkt. Da es eine große Zahl von Tubes auf dem Markt gibt und man sich im Modellbaugeschäft das Material auch selbst kaufen kann, beginnt die Bindearbeit ganz wesentlich mit der Wahl der Tube. Weil nun alle sieben Fliegen wegen der flach aufgebundenen Entenfeder schlecht sinken, dafür aber gut fischen, würde ich die Plastiktube ausscheiden. Messing ist mir zu dick und zu schwer, denn eine schwere Tube ist bei der Nachfischerei eine Agonie. Damit multipliziert man Wurffehler. Der Durchmesser ist ebenfalls bedenkenswert, denn Meerforellen lieben, wir wissen nicht warum, eher dünne Fliegen. Hugh Falkus lehnte aus diesem Grund schon Tinsel ab, weil es aufträgt, und benutzte Silberfarben für den Fliegenkörper. So extrem sehe ich das nicht, finde die Meinung aber bedenkenswert. Da sie dünner als Kupfer sind, und außerdem etwas besser zu werfen, sind alle meine Meerforellentubes, und so auch diese, auf Slipstream Alu 1 Inch gebunden. Ich justiere die Wassertiefe lieber mit der Schnur oder einem Sinkvorfach. Wie man sehen kann erhält man mit den Tubes eine zwar erkennbar ähnliche, jedoch völlig andere Art der Fliege. Damit erklärt sich auch der Grund, warum eigentlich alle Meerforellenfischer ein paar Tubes in der Dose haben. Es gibt Zeiten, und es gibt sogar Flüsse, an denen die Tube besser genommen wird als eine Hakenfliege. Sie ist eine gute Halbzeitfliege, in der Mitte der Nacht, und es fällt den Forellen sehr schwer, eine kurz gebundene Tube zu „tweaken“. Sie schaffen es bekanntlich trotzdem, aber die Wahrscheinlichkeit, dass der kleine Drilling den Fisch erwischt, ist hoch. Er, der Drilling, stellt seine besondere Fängigkeit leider auch mit Land- und Wasserpflanzen unter Beweis, und neigt bei zu eng geführten Würfen dazu das Vorfach oder die Schnur zu erwischen. Die Vorteile und Nachteile wiegen sich jedoch zu Gunsten der Vorteile auf. Lassen Sie sich darum nicht ohne Tube am Wasser erwischen. 

Bindesequenz Quebec Sapphire

Mit einem weißen Bindefaden ein Fundament anlegen, vorn 5 Millimeter völlig frei lassen, und am Körperende rote Hechelfiber, weißes Chenille und embossed Tinsel einbinden. Das gepunzte Flachsilber ist im Effekt weißer und heller als Silber. Achten Sie auf einen sauberen, ausgeglichenen Unterkörper.

Den fertigen Unterkörper lackieren und das Chenille in den frischen Lack winden. Das Tinsel nach vorn rippen und festlegen. Einen Whip Finish machen und den weißen Faden abschneiden. Die Abbindestelle mit einem Tropfen Lack sichern.

Einen schwarzen Faden anlegen und eine blaue Hechel einbinden. Hier wird die Bindetechnik sozusagen privat, denn im Original soll man beide Hecheln vor den Flügel wickeln. Ich trenne den Vorgang, weil man so die Form und Größe des späteren Köpfchens besser unter Kontrolle hat.

Der Flügel besteht bei meinen aktiven Mustern aus rosa Kalbschwanz. Man kann aber auch andere Haare benutzen, hier z.B. rosa Polarfuchs. Sehr gut sind auch glänzende Ziegenhaare. Dem Haar wird eine Krickentenfeder flach aufgebunden. Eine sehr einfache Technik. Feder flach auflegen, den Kiel einige Male überfangen und dann die Feder zwei, drei Millimeter nach vorn ziehen. Der Bindefaden schmiegt sie dann sehr schön um die Haare.

Jetzt kann man die Perlhuhnhechel einbinden und die Fliege abschließen. Hätte man die Hecheln nicht getrennt, müsste man jetzt zwei Kiele sauber überwickeln. Probieren Sie mal aus, ob Ihnen meine Technik gefällt. Die Trennung der Bindeprobleme ist bei allen komplexen Fliegen die beste Lösung. Nach dem Whip Finish muss man den Kopf zunächst lackieren, denn sonst würde das weiße Auge verlaufen. Also Lack, weiß, schwarz und wieder Lack. Und sagen Sie selbst, die Fliege möchte man doch haben, oder?

Ingo Karwath