Dun ist Dun ist Dun?

Ein Versuch des Unmöglichen.

Wenn ich einkaufe, gehe ich wo rein, nehme mir eine Sache vom Ständer, stelle mich an der Kasse an, bezahle und geh‘ wieder raus. So jedenfalls vor Corona. Der ganze Vorgang hat sich mehr und mehr auf das Internet verlegt, weil ich den Satz: Das kann ich Ihnen bestellen! nicht mehr hören kann. Ja, klar, kann ich auch. Frauen shoppen ganz anders. Sie nehmen Nuancen, Strukturen, Anmutungen wahr, die mir in meiner schwarzweißen Hellblauwelt entgehen. Als Fliegenbinder muss man sich darum bemühen, bei Klamotten und Gewürzen und Nahrungsmitteln sensibler zu werden, um auch einen Blick für die Farben zu bekommen. Das ist jetzt kein Witz, sondern ich meine es wirklich so. Ich weiß nicht wie viele Stücke Ingwer ich in der Küche schon gewürfelt und geraspelt habe, und ich kann darum hellen Ingwer von dunklem gut unterscheiden. Nur durch den Umgang mit Farben lernt man sie zu unterscheiden, und der Alltag gibt da mehr her als jede Farbtafel. Die Farbtöne gemahlener Gewürze und gerade Gewürzmischungen haben sehr viel mit Bälgen gemein, weil Pfeffer zu verschiedensten Grautönen ausgemahlen wird. Gibt man dann noch je einen Löffel gemahlenen Trockeningwer und Zimt hinzu, hat man genau das Problem, vor dem jeder Balgzertifizierer steht. Wie nennt man die Farbe: Light ginger medium brown medium dun? Das geht nicht. Entscheidungen sind gefragt, Ingwer und Zimt ergeben ein Braun, das Grau ist Grau, also Rusty Dun. Da aber die Entscheider hüben und drüben des Atlantiks und dann noch bei den Zuchtfarmen verschiedene Meinungen haben, ist das nicht so ganz zuverlässig. Hinzu kommen Autoren, die vielleicht lieber „pale morning dun“ schreiben als „light dun“. Aber alles zusammen ist doch nahe genug, um dann in seiner Bandbreite den natürlichen Schwankungen zu entsprechen, die Eintagsfliegen aufgrund von Umwelteinflüssen in ihrer Färbung ja auch haben. Darum hier mal, in Anlehnung an Jacqueline Wakeford und A.K. Best, ein Versuch die Grauzone der Duntöne zu erklären.

Light Dun: In Bindeanleitungen kann man auch „smoky dun“ oder „very light dun“ lesen, und gemeint ist in jedem Fall ein helles Grau. Da die Raucher in unserer Gesellschaft immer weniger werden, ist uns der Anblick von Tabakrauch nicht mehr so geläufig. „Smoke“ ist eigentlich eine gute Analogie. Um ein Gefühl für die Farbe zu bekommen kann man mit Frau oder Freundin – natürlich nicht zugleich – shoppen gehen und sich die Hellgraus bei Klamotten anschauen.

Medium Dun: Das meint einfach nur Grau, Busfahrerpullundergrau. Nehmen Sie ein Stück Bisamfell, denken Sie sich die hellen Anteile der Unterwolle weg, und was man dann sieht ist die gewünschte Tönung.

Dark Dun: Gehen Sie mit einem Stück Naturholzkohle in die Sonne. Der helle Schimmer, den man dann auf dem vermeintlichen Schwarz sieht, macht Dunkelgrau aus. Oder man geht mal in die Herrenabteilung und schaut nach anthrazitfarbenen Anzügen.

Honey Dun: Hier führt uns der Weg zunächst in einen großen Supermarkt mit vielen Honigsorten. Hat man einen Dun-Balg, auf dem man Schattierungen von Honig erkennt, ist das Honiggrau. Da man sowohl Grau als auch Honig mit hell, mittel und dunkel unterscheiden kann, gibt es viele Möglichkeiten.

Chocolate Dun: Grau mit erkennbarem Braun. Die Tönung beginnt da, wo Honig aufhört. Ein sehr dunkler Honig, etwa Tannenhonig, bildet den Übergang von Honig zu Schokolade. Man kann ihn eigentlich schon braun nennen, aber mit heller Butter unterlegt ist es doch eher Honig.

Sandy Dun: Ein Balg wie heller Ingwer mit einem hellen Grauschleier. Hat das Auge Erfahrungen mit diesen Tönen, muss man sie gedanklich zusammenführen. Ich habe handgestrickte Socken in dieser Farbe, aber die Wolle, die sehr nahe an der berühmten Chadwicks 477 ist, hab‘ ich leider nicht mehr. Ich könnte die Socken aufribbeln, aber die sind von meiner verstorbenen Mutter. Geht also nicht.

Bronze Dun: Kräftiger Ingwerton mit einem mittleren Grau. Bronze als Legierung von Kupfer und Zinn kann von einer hellen Messinganmutung bis zu einem kupferbraunen Glanz viele Töne haben. Der Umgang mit Metallen ist da hilfreich, aber Gewürze hat man schneller im Blick als Legierungen.

Rusty Dun: Ein mittleres Braun mit einem mittleren Grau. Oft ergibt sich der Ton aus einer grauen Mitte mit braune Spitzen. Ich habe von Hühnerzucht keine Ahnung, nehme aber an, dass graue Andalusier der Ausgangspunkt waren. Gibt man bei google „poultry chicken breeds“ ein, kommt man zu schönen Ergebnissen. Oder versuchen Sie www.okstate.edu, und suchen ab da weiter. Allein schon die Namen der Hühnerrassen sind ein Vokabeltest, ihre Farben zu definieren möchte ich nicht versuchen. Ich weiß nur eines ganz genau. Hat man so einen richtigen guten Naturbalg, dem man die schönsten Fliegen und Fänge verdankt, bekommt man seinen exakten Ton nie wieder. Ist eben so.

Ingo Karwath