Furling – kleiner Dreh für große Fische

Seit Waltons Zeiten bekannt. Und doch ein Geheimnis. Nicht darüber nachdenken. Nachmachen!

An einem kleinen Graben am Test, auf Englisch nennt man das einen Carrier, und so klingt es besser, hatte ich vor vielen Jahren den wohl lehrreichsten Angeltag, an dem ich bisher teilhaben durfte. Ich war sehr aufgeregt an so einem Wasser überhaupt fischen zu dürfen, und meine Erwartungen an die Forellen und an mich waren hoch. Mein Blutdruck auch. Es war so ein Gefühl wie damals als Fahranfänger in Vaters VW K 70 auf dem Ölhafendamm, den man mir als ruhige Übungsstrecke für die erste Alleinfahrt empfohlen hatte. Man wäre so gerne cool und tut auch so, aber die Pumpe geht. Ein Daimon-Hase ist ruhig dagegen.

Man benötigt, hier zur Demonstration in verkürzter Entfernung aufgestellt, die Pylonen A bis E.

Äußerlich war ich als Testfischer tiptop. Cordhose von Kettner, Kniestiefel, Hemd mit Tattersall-Karo, Weste und Kappe, kein Schlips. Als Rute hatte ich ein Garrison-Taper 212E ausgesucht, Seriennummer 1822, meine erste selbstgehobelte Gespließte, Nummer 1 im Februar 1982. Dazu eine CFO 4 mit einer beigen DT 6 F. Vorfach aus Rhodiactea nach einer Ritz-Formel, mit einer 0,16ner Superstrong Spitze. „Don’t be fooled, Mr. Korword,“ hatte der Riverkeeper gesagt, “ big, big trout in there!“

Man beginnt mit einer kleinen Schlaufe bei A und legt zwei Turns um B.

Das trug nicht zu meiner Ruhe bei und beim Einfädeln der Schnur hatte ich den dritten Ring von oben ausgelassen. Natürlich ohne es zu merken. Die ersten Würfe waren mehr als enttäuschend, denn die Schnur zog nicht in den Wurf hinein. Der Keeper hielt mich vermutlich für einen Anfänger. Zu recht, denn ich verscheuchte der Reihe nach drei Forellen. Ich zweifelte an mir und meiner Rute, entdeckte und korrigierte dann aber meinen Fehler. Jetzt ging es besser. Ich drehte mich zum Keeper, aber der war entschwunden. Und mit ihm sein schlechter Eindruck von mir.

Von A zieht man einen langen Faden zu C und steuert D an.

Egal, Mißerfolge soll man abhaken und nach vorn schauen. Das war leicht, denn gleich ein paar Meter oberhalb stand eine dicke Regenbogen im Mittelwasser. Die Oberfläche war so glatt, das Wasser so klar, sie sah aus wie in Acrylglas eingegossen, und mit ganz leichten Flossenbewegungen hielt der Fisch seine Position. Völlig ahnungslos, das Ingo Halford-Skues nur acht Meter hinter ihm im Schilf lauerte. Der Wurf gelang perfekt. Und für eine Forellen an der Oker oder Oder oder Diemel hätte es bestimmt gereicht. Hier aber landete meiner 16ner „Buck Caddis“ wie ein „Muddler“ auf der Glasplatte des Wassers und mein bewährtes Vorfach sah aus wie ein Seil. Die soeben noch sichtbare Forelle verschwand vor meinen Augen wie ein Geist. Ich weiß nicht einmal wohin. Wie machen die das?

Man geht einmal um D, zurück zu C und steuert B an.

Ich verlängerte das Vorfach um fast einen Meter 0,14ner und wählte eine 18ner „Buck Caddis“. Der alte Trick. Länger, dünner, kleiner. Ein Stück weiter stromauf hakte ich eine Kiloforelle, die mein Vorfach sauber durch die Krautfahnen wob und aushakte. Die weiteren frustrierenden Einzelheiten möchte ich mir sparen. Kimbridged in Kimbridge. Mit einer „Arthofer“ am 20er Vorfach fing ich dann in den tiefen Löchern etliche dicke Forellen, die alle wie in derselben Form gebacken aussahen. Durchaus mit Freude am eigenen Tun, aber so hatte ich mir meine ersten Tag am Test weder vorgestellt noch gewünscht. Halford und Skues sahen missbilligend auf mich herab.

Bei B nicht um den Pfosten, sondern durch die Doppelschlaufe hindurch, dann wieder um C und außen an D vorbei zu E.

Wenn ich doch nur damals schon gewusst und gekonnt hätte was sich heute weiß und kann. Altersbedingt ist man ja doch ruhiger und was früher mal Aufregung war ist nur mehr Vorfreude. Und dann würde ich, sollte es Holz sein, eher ein Leonard 39L oder 39DH Taper mit einer DT 4 F fischen, auf Tragkraft modernen 16ners vertrauen und mein Vorfach wäre gefurlt. Die „Buck Caddis“ kann bleiben. Selbst wenn Roman Moser nach dem Artikel über die BC nie wieder ein Wort geschrieben hätte, er wäre unvergessen. 

Aber was heißt eigentlich „furled“? Ich war und bin ein absoluter Anhänger des selbstgemachten Vorfachs. Für eine Zeit war ich der Idee untreu und habe Gezogene gefischt, beim Lachsangeln gar pure Längen von 0,30 bis 0,50, aber ich bin wieder zurück auf der Burg der Selbstgeknüpften. Statt mit Rhodiaceta inzwischen mit Stroft. Auf die „furled leader“ kam ich durch das Buch von Darrel Martin, „Micropatterns“, durch norwegische Äschen und das eigene Unvermögen. Wenn man sich nämlich für Jahrzehnte zu sehr auf große Fische wie Lachs, Meerforelle und Steelhead kapriziert hat, verliert man die Fähigkeit zum Kleinen und Zarten. Man muss seine Werte zurück wandeln. Und wird an sich entdecken, dass die Tüddelei mit dünnen Spitzen und kleinen Haken ebenso wie die Feinheiten des Wurfes ein wenig verloren gegangen sind. Gegen diese Schwächen muss man üben und kann man aufrüsten. 

Einmal um E und zurück durch die Schlaufe bei D.

Ich zitiere mal Darrel Martin: „Obwohl ein gesponnenes Vorfach nicht alle Vorfächer und allen Angelsituationen ersetzen kann, so ist es doch einzigartig effektiv für kleine Fliegen und selektive Forellen in klarem, langsam fließendem Wasser.“

Ein gesponnenes Vorfach streckt sich leicht, reduziert das Furchen, hält Fett in seiner Struktur, glänzt nicht, entwickelt enge Schlaufen, ist bis zu 15% elastisch, lässt sich vielfältig herstellen und kostet nur wenige Cent. Es verlangt einen guten Wurfstil, ist ideal für Bambus, und reagiert auf Wurffehler mit den schönsten Knoten. Und es kann kurz sein. Da wo Sie sonst 9 Fuß mit 4 Fuß Tippet eingesetzt haben, also fast 4 Meter, können Sie nun 5 Fuß und 3 Fuß Tippet benutzen, 2,4 Meter, vermutlich im Bereich der Rutenlänge.

Noch einmal um E, wieder durch die Schlaufe bei D und dann bei E verknoten.

Das Prinzip der Herstellung ist einfach und wird an der Grundschule in den dritten Klassen als Kordeln unterrichtet. Wohlgemerkt, das Prinzip ist einfach. Ein Vorfach ist ein wenig komplizierter. Für einen ersten Versuch benötigt man ein altes Brett, ein paar Nägel und eine Bohrmaschine. Dann spannt nach einem Muster den gewünschten Faden auf. Da sich ein langes Brett und ein dünner Faden nicht fotografieren lassen, habe ich aus ein paar Holzresten und Edelstahlmöbelfüßen von Ikea, sie heißen Capital, ein fast schon professionelle Furling-Anlage gebaut, die trotzdem kaum einen 10ner gekostet hat. Damit kann ich die Herstellung sicher besser verdeutlichen. Der wahre Abstand für ein 5 Fuß-Vorfach wären fünf Fuß plus 10 bis 15%, also so um die 2 Meter. Für die Fotos zum Vorfach-Layout stelle ich meine Pylonen dicht aneinander.

Die Pylonen B und D entfernen, den Pylon C beschweren und die Enden A und E mit der Bohrmaschine verdrillen.

An den drei Ständern A, E, und C habe ich einen kleinen Metallhaken angebracht, die für die Bilder aber nicht zum Einsatz kommen. Für die Erklärungsfotos nehme ich den Faden nämlich etwas dicker… Also los: 1. Den Faden einhängen und zweimal von A um B spannen. 2. Jetzt einmal von A zu C. 3. Einmal um D, zurück zu C und dann zu B. 4. Durch die Schlaufe bei B gehen und dann zu C und weiter zu E. 5. Von E durch die Schlaufe bei D gehen und zurück zu E. 6. Jetzt wieder durch die Schlaufe von D und zurück zu E und dort verknoten.

Ist doch etwas schwieriger als damals bei Frau Daumenweber in Textil, oder? Aber keine Sorge, das wird eine Eins. Jetzt die Pylonen B und D entfernen und zwischen A und E und C Spannung herstellen. Sieht doch gut aus. Beide Stränge benötigen nun etwa 2000 Umdrehungen. Dazu nehme ich einen alten Bohrschrauber, der keine Power mehr hat, aber für diesen Zweck ideal geeignet ist. Er dreht um die 200mal im Leerlauf, also 5 Minuten für Seite A und 5 Minuten für Seite D. Einfach.

Die kleine Bosch IXO war schon in der Tonne. Sie hat keine Kraft mehr, dreht aber noch. Zum Furling völlig ausreichend.

Aus einem kleinen Türgriff und einem Stück Draht habe ich ein Gewicht hergestellt, welches nun bei C eingehängt wird. Würde man nun A und E zueinander halten, würde das Vorfach unkontrolliert kordeln. Das verhindert man mit einem Stück Rundholz, in das man seitlich zwei Rillen gefeilt hat. Aus Platzgründen habe ich an unserer Treppe zwei winzige Nägel eingeschlagen, bisher unentdeckt, an denen ich die Schlaufen von A und E einhänge. Jetzt schiebt man das Rundholz von unten kommend immer 30 cm weiter hoch und lässt das Gewicht seine Arbeit machen. So kontrolliert man eine ausgeglichene Verkordelung von der Spitze bis zum Ende.

Sind die Stränge einzeln verdrillt, bei C das Gewicht einhängen, die Enden A und E hochhalten, langsam zusammenführen und verdrillen. Hier ist ein wenig Hilfe von der besten aller Ehefrauen sehr willkommen.

Die Enden A und E muss man verknoten oder verkleben. Es hat sich bewährt, das fertige Vorfach mit einem leichten Gewicht an einen Nagel zu hängen. Dann dreht sich der letzte Stress heraus. Zuletzt formt man eine Perfection Loop als Schlaufe, ich klebe auch gern eine Geflechtschlaufe an, und knotet mit einem Double Water Knot ein Tippet an. Da die Dinger eins wie das andere aussehen, ist es eine gute Idee das Material und den Bauplan zu notieren. Es besteht in der üblichen Bauweise aus 6, 8 und 10 Strängen Material, sagen wir 0,20er Nylon. Man hatte die Pylonen in eben der Reihenfolge einen, zwei und vier Fuß auseinander und notiert also 20-124 als Vorfach, Tippet 4 Fuß 0,16.

So, an dieser Stelle mache ich mal Schluss. Alles weitere sollte den eigenen Experimenten überlassen werden. Sie können Vorfächer aus Nähseide, aus Bindefäden, aus Kevlar, aus Dracon oder aus Kupfer machen. Die Möglichkeiten sind endlos. Zusätzlich kann man noch Materialien verknoten und somit verjüngen und dann verdrillen. Mit den Selbstgedrehten macht man sich von Thailand oder anderen Fernostländern unabhängig, von wo meines Wissens so viele Vorfächer kommen.

Das Tippet kann man mit einem Double Water, mit einer Schlaufe, mit einem Nagelknoten oder mit einem Ring anbringen.

Meine sind Made in Germany, und obwohl mich demnächst sicher mal wieder Forellen mit ihrem erbsengroßen Hirn wie einen Dummkopf aussehen lassen werden, so bin ich ihnen doch wieder einen Schritt näher gekommen. Das Problem wäre eine Tageskarte für den Graben von damals. Die ist enorm teuer geworden. Aber der Tag wird kommen. Und ich werde keinen Ring auslassen und die Ruhe selbst sein. 

Ingo Karwath