Polnische

Sind wirklich schon dreißig Jahre vergangen? Eine Erinnerung an die kunstfertigen Nymphen aus Polen. 

Vladi 1. Haken: Nasshaken Gr. 6. Länge: 17,2 mm. Durchmesser: 4 mm. Gewicht: 0,6 g. Bindeseide: schwarz. Rippung: Seide, creme. Rücken: Floss, dunkelbraun. Bauch: Floss, beige. Kopf: klar lackiert.

Vladi 2. Haken: Shrimpform Gr. 12. Länge: 12 mm. Durchmesser: 3,6 mm. Gewicht: 0,25 g. Bindeseide: schwarz. Rippung: Seide, hellgelb. Rücken: Poly-Floss, dunkelbraun. Bauch: Floss, beige. Kopf: schwarz lackiert.

Vladi 3. Haken: Shrimpform Gr. 10. Länge: 13,5 mm. Durchmesser: 3,9 mm. Gewicht: 0,3 g. Bindeseide: braun. Rippung: Seide, braun. Rücken: Floss, creme. Bauch: Floss, beige. Kopf: schwarz lackiert.

Der Pole Wladyslav Trzebunia erreichte in den 90er Jahren einige Berühmtheit durch zwei anglerische Großtaten, von denen die Eine eine Missetat war. 1989 gewann er die Weltmeisterschaft im Fliegenfischen in Finnland, mit vergleichsweise dürftigem Gerät, und fing dabei allein mehr Fische als die Teams auf den Plätzen Silber, Bronze und Vierter zusammen. Die Polen gewannen haushoch die Goldmedaille als Team, und Vladi natürlich die als Einzelfischer. Die Welt war geschockt, das polnische Nymphenfischen wurde schlagartig berühmt. Noch im selben Jahr wurde Vladi von „Villmarksliv“ an die Orkla eingeladen und fing dort unter der Obhut von Jan Grünwald am Dragset-Granmo Beat seinen ersten Lachs. Schon ein Jahr später war er der „Head-Guide“ bei Manfred Raguse beim NFC, und das war natürlich nicht seiner Erfahrung geschuldet, sondern wohl eher seiner raumgreifenden Persönlichkeit. Dabei gelang ihm am Forra die unvergessene Missetat, als Guide einen gewaltigen Lachs zu fangen, statt auf den Gast zu warten, der es auf genau diesen Fisch versuchen sollte. Das Bild ziert die Videokassette der 1990er Saison. Eine ganz ähnliche Misshandlung von Sandy Leventon, damals Chefredakteur der „Trout & Salmon“, führte zu einem ungerecht vernichtenden Urteil über die Gaula und den NFC. Viel Diplomatie war nötig, um das später wieder auszugleichen. Für die Werbung wurde Vladis Fisch ohnehin benutzt, aber es entwickelten sich später wohl noch andere Probleme und der NFC und Vladi gingen getrennte Wege.

Vladi 4. Haken: Nasshaken Gr. 12. Länge: 13,7 mm. Durchmesser: 3,3 mm. Gewicht: 0,25 g. Bindeseide: schwarz. Rippung: Allesnäher. Rücken: Poly-Floss, hellbraun. Bauch: Poly-Floss, creme. Thorax: schwarzer Lackpunkt. Hechel: Henne, braun. Kopf: klar lackiert.

Vladi 5. Haken: Nasshaken Gr. 12. Länge: 12,2 mm. Durchmesser: 3,1 mm. Gewicht: 0,2 g. Bindeseide: schwarz. Rippung: Kupferdraht. Rücken: Wolle, oliv. Bauch: Poly-Floss, hellgrün. Hechel: Henne, braun. Kopf: klar lackiert.

Vladi 6. Haken: Nasshaken Gr. 10. Länge: 13,5 mm. Durchmesser: 3,0 mm. Gewicht: 0,2 g. Bindeseide: oliv. Rippung: Kupferdraht. Rücken: Poly-Floss, rotbraun. Bauch: Floss, creme. Hechel: Henne, braun. Kopf: schwarz lackiert.

Uns normale Gäste hat das nicht angefochten. Man muss es erlebt haben, wie Vladi mitten in der Nacht durchs Unterholz gebrochen kam, nur mit einem brunftiger Elch zu vergleichen, Kaffeebecher an den Fingern einer Hand, einer vollen Kanne in der anderen, und eine völlig frustrierte, verfrorene, durch und durch nasse Gruppe von Fliegenfischern wieder aufbaute. Wie viele von uns haben nur wegen Vladi noch ein paar Stunden mehr durchgehalten und fingen ihren Fisch. Obwohl ich damals noch jung und nicht gerade gespickt war, gab ich Vladi am Ende meiner Woche ein dickes Trinkgeld. Er freute sich, steckte es ein, sprintete los und kam mit einer großen Nymphensammlung zurück, von denen er mir jede Menge in die Hand zählte. Ich habe fünf von jeder hier gezeigten Nymphe. Die Muster waren alle noch winterlich von ihm selbst gebunden, denn später beschäftigte er in Polen Binderinnen, die seine Nymphen für ihn herstellten. Ich habe mich auch sehr gefreut, aber keine der Nymphen hat je das Wasser gesehen. Ich mag die Methode nicht. Beim polnischen Nymphenfischen benutzt man ein Vorfach, das ein bis zwei Fuß kürzer ist als die Rute. Also z.B. 8 Fuß, 240 cm, an einer 9 Fuß-Rute. Ideal ist strömendes Wasser bis zu einem Meter Tiefe. Am Vorfach werden zwei Nymphen angeknotet, deren Gewicht so abgestimmt sein muss, dass sie flott den Grund erreichen. Diese Nymphen wirft man stromauf und zieht sie nach der Sinkphase etwas schneller als die Strömung fließt zu sich heran. Bissanzeiger und anderen Firlefanz benötigt man nicht. Die typischen Nymphen, das kurze Vorfach, der sogenannte polnische Dropper und die Geschwindigkeit sind die Signatur der Methode.

Vladi 7. Haken: Nasshaken Gr. 12. Länge: 13,0 mm. Durchmesser: 3,0 mm. Gewicht: 0,2 g. Bindeseide: schwarz. Rücken: Floss, hellgrün. Bauch: Poly-Floss, gelb. Hechel: Henne, braun. Kopf: klar lackiert.

Vladi 8. Haken: Shrimpform Gr. 10. Länge: 13,3 mm. Durchmesser: 3,7 mm. Gewicht: 0,35. Bindeseide: oliv (Unterkörper erkennbar). Rippung: Seide, grün. Rücken: Poly-Floss, golden oliv. Bauch: Floss, creme. Kopf: schwarz lackiert.

Vladi 9. Haken: Shrimpform Gr. 12. Länge: 13 mm. Durchmesser: 4 mm. Gewicht: 0,2 g. Bindeseide: schwarz. Schwanz: Hechelfibern, schwarz. Rippung: Silberdraht. Rücken: Floss, schwarz. Bauch: Floss, beige. Flügelköcher: Federsegment, schwarz, lackiert. Beine: beidseitig je 3 radierte Pfauengräser.

Das ist jetzt so lange her, dass viele nur noch den Begriff kennen, aber nicht die Einzelheiten. Auf andere, ähnliche Methoden will ich hier nicht eingehen. Mich hat ein Leser gebeten, die Webtechnik für die polnischen Nymphen zu erklären. Und ja, genau so wurden die berühmten „Hank Roberts Nymphen“ in den 50er Jahren schon gebunden, die in Guatemala hergestellt dereinst die Amerikaner und uns verblüfften. Hank Roberts war wohl der erste Hersteller, der ein Billiglohnland für seine Muster nutzte. In den Mustern steckte so viel Arbeit, dass eine Produktion schon damals in westlichen Ländern nicht denkbar war. Bei Hebeisen kostet eine „Hank’s Oliv Quill“ z.B. 3,50 Franken. Umgerechnet auf die Zeit also 6,30 Euro. Normale Nymphen gab es bei uns für 70 Pfennig!

Vladi 10. Haken: Shrimpform Gr. 12. Länge: 13 mm. Durchmesser: 4 mm. Gewicht: 0,35 g. Bindeseide: beige. Schwanz: Hechelfibern, braun. Rippung: Seide, beige. Rücken: Floss, braun. Bauch: Floss, beige. Flügelköcher: Federsegment, braun. Beine: beidseitig je 3 radierte Pfauengräser.

Vladi 11. Haken: Nasshaken Gr. 12. Länge: 13,5 mm. Durchmesser: 3,6 mm. Gewicht: 0,25 g. Bindeseide: creme. Schwanz: Hechelfibern, braun. Rippung: Allesnäher. Rücken: Floss, goldbraun. Bauch: Floss, cremerosa. Flügelköcher: Federsegment, braun; Beine: Wildhechel, braun, gestutzt. Kopf: schwarz lackiert.

Vladi 12. Haken: Nasshaken Gr. 10. Länge: 15 mm. Durchmesser: 2,8 mm. Gewicht: 0,2 g. Bindeseide: schwarz. Rippung: Seide, helloliv. Rücken: Wolle, oliv. Bauch: Floss, grün. Hechel: Henne, braun. Kopf: klar lackiert.

Das Besondere an den Polnischen Nymphen war Anfang der 90er ihre unglaubliche Qualität. Bestimmte Formen erreichte man nur durch einen speziellen Unterkörper, ein gestanztes Blei, der zusätzlich mit weißem Floss sauber überwunden wurde. Die Webfäden legt man rechts und links an. Ein Rippungsfaden oder -draht kommt noch hinzu. Für den Rücken nimmt man die doppelte Materialmenge, so entsteht der flache Bauch. Das Weben gelingt besser, wenn man die Nymphe umdreht und den Bauch nach oben zeigen lässt. Mit etwas Übung gelingt ein Körper ziemlich schnell, und nach ein paar Dutzend beherrscht man die Technik. Die Rippung legt man zwischen jeden Webpunkt, also recht eng. Einige der mir vorliegenden Muster sind am Rückenköcher entweder erheblich lackiert oder auch epoxiert. Also hat Vladi schon im Winter 89/90 mit Epoxybacks gearbeitet, zu einer Zeit, in der das noch sehr unüblich war. Es kann schon sein, dass die Nymphen polnische Namen haben, aber ich kenne sie nicht. Die Bindebeschreibung nennt darum die Länge, den Durchmesser, das Gewicht und die Materialien der Muster. Das Weben einer Nymphe lässt sich nicht mit Fotos darstellen. Aber auf Youtube gibt es ein paar gute Filme dazu, die ich dem zukünftigen Weber ans Herz lege. Schauen Sie mal unter Piotr Michna, Simple but deadly – Fly tying Polish woven nymph. Ein sehr junger Binder, der leider nach zwei Filmen aufgehört hat. Eigentlich könnte man die Polnischen, die im Gegensatz zur Wurst ganz ohne Fett auskommen, gern mal wiederbeleben. In den letzten drei Jahrzehnten ist uns doch einiges an Kunstfertigkeit verloren gegangen und zwei Tungstenperlen mit Sockenwolle sind nun wirklich kein Ersatz für eine Vladi Nr. 9.

Vladi 13. Haken: Nasshaken Gr. 10. Länge: 15 mm. Durchmesser: 3,0 mm. Gewicht: 0,3 mm. Bindeseide: schwarz. Rippung: Seide, grün. Rücken: Wolle, grün. Bauch: Poly-Floss, gelb. Hechel: Henne, braun. Kopf: schwarz.

Vladi 14. Haken: Nasshaken Gr. 10. Länge: 15 mm. Durchmesser: 3 mm. Gewicht: 0,2 g. Bindeseide: beige. Rippung: Seide: beige. Rücken: Wolle, braun. Bauch: Poly-Floss, grün. Hechelfibern: Henne, braun. Kopf: schwarz lackiert.

Vladi 15. Haken: Nasshaken Gr. 12. Länge: 13,3 mm. Durchmesser: 3,3 mm. Gewicht: 0,2 g. Bindeseide: oliv. Rippung: Kupferdraht. Rücken: Poly-Floss, gelb. Bauch: Poly-Floss, creme. Hechel: Henne, braun. Kopf: schwarz lackiert.

Vladi 15. Haken: Nasshaken Gr. 12. Länge: 13,5 mm. Durchmesser: 3 mm. Gewicht: 0,2 g. Bindeseide: gelb. Unterkörper: oliv. Rippung: Golddraht. Rücken: Wolle, braun. Bauch: Poly-Floss, creme. Hechel: Henne, braun. Kopf: Bindeseide.

Vladi 16. Haken: Nasshaken Gr. 10. Länge: 14,5 mm. Durchmesser: 3 mm. Gewicht: 0,25 g. Bindeseide: schwarz. Rippung: Seide, gelb. Rücken: Wolle, beige. Bauch: Poly-Floss, gelb. Hechel: Henne, braun. Kopf: schwarz lackiert.

Vladi 17. Haken: Nasshaken Gr. 12. Länge: 11,5 mm. Durchmesser: 3,2 mm. Gewicht: 0,15 g. Bindeseide: beige. Schwanz: Fasanenfibern. Rücken: Floss, braun. Bauch: Floss, creme. Flügelköcher: Leder, braun. Hechel: Henne, braun. Kopf: braun lackiert.

Vermutlich hat Vladi nicht alles preisgegeben, was er zu dem Zeitpunkt in der Dose hatte. Der berüchtigte „Vladiworm“ kam ja erst Jahre später. Aber ich bin sicher er hatte auch damals schon Geheimnisse. In jedem Fall sind diese 17 Nymphen durch einen Zufall ganz prima konserviert und geben uns einen schönen Einblick in die Weltmeisterdose von 1989. Wir können nur mutmaßen wie sich ein junger Vladi heute schlagen würde, aber ich denke mal seine Chancen wären immer noch überdurchschnittlich. Zumal sich einige Mannschaften auch gar nicht qualifizieren und mehr so nach dem Bakschisch-Prinzip gebildet werden. Die „WM“ ist in dieser Hinsicht ja eher eine Komödie.

Ingo Karwath

Alle hier gezeigten Muster wurden von Wladyslaw Trzebunia entwickelt und gebunden. Die Nummern sind willkürlich, aber irgendwie muss man sie ja benennen. Und nun noch das Geheimnis des runden Rückens. Leider nur für anspruchsvolle Selbermacher. Man benötigt eine Form und Presse.