Editorial

Pattegrisen, bretonische. Foto: Jasper Kreft.

Liebe Fliegenbinder und Fliegenbinderinnen!

Schwupp, da ist er ja schon, der Sommer, der sich bisher noch nicht so anfühlt. Aber das Gymnasium gegenüber ist zu, da stehen weder Autos noch Räder, und man hört auch nicht den Frontalunterricht, der üblicherweise munter aus den Fenstern klingt. Ferien. Alle sind weg. Dass in Norwegen viele Lachsflüsse gesperrt sind hat echt meine Stimmung gedrückt, obwohl ich noch gar nicht entschieden hatte, ob ich im August fahren möchte. Ich mag die chancenlose Fischerei im Herbst, weil sie so wenig Druck aufbaut. Man hat keine Chance, und die nutzt man. Für einen kleinen Preis, und man kann mit Regen und frischen Fischen so richtig Glück haben, oder man fängt den einen Kelim, oder ein paar Meerforellen. Irgendwas ist immer. Aber sich um die Zukunft der Lachse und Flüsse Sorgen zu machen, ist kein guter Gedanke. Muss man sie wirklich drillen, stranden, hochheben, knipsen, ihnen auch noch diese Lebensenergie nehmen für den eigenen Moment. Ich habe Freunde, die es deswegen aufgegeben haben. Mir gelingt das noch nicht, und wenn nach vier, fünf Tagen Fischerei plötzlich die Rolle klickert und wie von magischer Hand gezogen Schnur abläuft, ist das nicht nur ein sehnlich erwarteter Augenblick, sondern es hat auch sehr viel mit meinem Leben, mit meinem Sein zu tun. Einmal mehr habe ich es in den Norden geschafft, einmal mehr die hellen Nächte erlebt, und einmal mehr gibt mir der Fluss ein Geschenk. Oder auch nicht. Ich setze ja so oder so zurück, und bin der festen Überzeugung der Fisch kann das ab. Ich bin weniger schlimm als ein Hochwasser. Meine andere Sommerfischerei ist die an der Ostsee, gern mit Zelt, und Steckerlmeerforelle mit einem schönen Wein dazu, danach eine Zigarre, lässt mich kein Lokal und kein Bett vermissen. Ich schaue aber dass das Wetter passt. Im Regen fahr‘ ich nicht. Mein Freund Jasper ist gerade in der Bretagne und berichtete von jagenden Wolfsbarschen rund um sein Kajak herum, derweil die Fliegenrute an Land war. Ich habe Mitgefühl, aber in Grenzen, denn er schickte das obige Foto und ich wäre so gern auch dort. Ich wünsche Ihnen und euch dort zu sein wo ihr möchtet, wünsche Petri Heil und eine schöne Zeit und verabschiede dieses Magazin in seine zweimonatige Sommerpause. Wenn mir etwas einfällt, bringe ich es trotzdem und stelle den 30. Juni ein. Aber ohne Druck eben.

Herzlichst und mit besten Wünschen

Ingo Karwath, am 2. Juli 2024