Editorial

Wo ein Steg, selbst ein abgebauter, dort ein Hecht.

Liebe Fliegenbinder und Fliegenbinderinnen!

Wir müssen reden. Als ich 2018 den „FliegenBinder“ startete, war ich zunächst hocherfreut überhaupt die www-Adresse zu bekommen und hatte keine Ahnung, dass auf youtube ein Namensvetter agierte. Da war ich sozusagen der Nachmacher, und bekam einigen Spott in die Hütte, weil ich ja auch als Hommage an Schück die Ähnlichkeit zu „Der Fliegenfischer“ mit völliger Absicht gewählt hatte. Aber wie man das Kind auch nennt, es wächst heran und lässt seine Taten für sich sprechen. Gleich im ersten Monat bekam ich durch Leserbriefe bescheinigt, dass ein Blog doch völlig out sei und die Karawane längst zu Insta und TikTok umgezogen sei. Als ob ich ein Kamel wäre. Und außerdem, bemerkte ein Leser, sei Binden auf youtube viel besser erklärt. Das mag wohl sein, wenn es einem gefällt, sich 18 Minuten lang die Herstellung einer einfachen Nymphe zeigen zu lassen und dabei sechsmal von Ralf Schumacher unterbrochen werden, der unser Auto kaufen will. Man kann sich werbefrei schalten, aber das ist letztlich Erpressung. Ne, youtube ist auch keine Lösung. Nun hat Fish-Print leider angefangen, sich bei den sozialen Medien zu bedienen und holt sich die Inhalte verstärkt aus dem Netz. Das ist ein Offenbarungseid und kein gutes Zeichen. Die großen Zeitungen bedienen sich schon lange bei CNN und BBC, aber auch bei uns ist die Autorenszene weggebrochen, und gehaltvolle Bücher für Fliegenfischer sind ein vager Traum. Etabliert hat sich stattdessen ein privat publishing auf breiter Front, dessen Motor wir wohl eher im psychischen Bereich suchen müssen. Welche Persönlichkeitsstörung habe ich, weil ich hier sitze und den „FliegenBinder“ mache? Ich kann von einer Minute zur anderen das Licht ausmachen, mich umdrehen und gehen. Da fließen weder Honorare noch Tantiemen. Ihr Leute da draußen, das habe ich begriffen, möchtet nicht zahlen für Inhalte, die so viele Fischer, Binder, Bastler und Knipser ohnehin weltweit für lau ins Netz stellen, weil bei ihnen die gleiche nette Störung vorliegt. Die Ebene der Begegnung ist lau für lau. Mir machen meine Inhalte und Einfälle durchaus Freude, sie bringen mich in Gang, wecken, puschen, tun Gutes für mich. So ähnlich wie seit bald dreißig Jahren meine Labradore Dina, Milla und Janne. Nun werden die natürlich nicht so alt, und im Moment liegt Janne hinter mir auf dem Teppich. Man kann ja ohne Labi leben, aber warum sollte man. Jeden Tag zwei Stunden draußen, überlegen Sie mal, was mir das Gutes getan hat und tut. Fischen und „Der-FliegenBinder“ sind da auf einem Niveau. Beides tut einfach gut. Nach meiner fast professionellen Meinung gibt es etwa 5000 umfassend interessierte Fliegenfischer in Deutschland. Es ist mir eine Ehre und Freude, wenn Sie sich, wenn ihr euch hier zuschaltet. I do my very best. Wenn’s nicht gefällt, klick, weg. Das ist okay so. Ich muss nicht gefallen, es muss nicht gefallen. Da ist kein Vertrag. Das hat was von Punk, und das ist für so ‘nen ollen Kerl doch erstaunlich, oder? Etwas vornehmer könnte man auch sagen, ich befinde mich im Ehrenamt. Ich möchte ja auch nicht klein reden, was unser Bundespräsident so wichtig findet. Mit besten Wünschen für einen schönen Herbst an der Küste, am Äschenwasser, auf Hecht oder auf Reisen. Tight Lines.

Ingo Karwath, am 2.10.25