Die „Stimi“

Randall Kaufmanns „Stimulator“ ist die Nummer 1 der Such- und Sichtfliegen.

Randalls Buch – die Stimi-Bibel.

Apple, Mircosoft und Kaufmann‘s Streamborn sind typische amerikanische Unternehmen, die in einer Garage gestartet wurden. Da wir die ersten beiden ein wenig kennen, will ich mal vom dritten berichten. In der elterlichen Garage starteten die Brüder Lance und Randall Kaufmann 1969 in Tirgard, Oregon, ihr Unternehmen. Mit klarer Aufteilung, denn Lance managte den Warenbestand und Verkauf, Randall band Fliegen und produzierte Ware. Auslieferung mit dem Fahrrad. Das entwickelte sich gut, bis die Jungs die Idee hatten, ihre Mutter Oda Kaufmann mit der Buchhaltung zu betrauen. Ab da lief es sehr gut bis überoptimal! „Kaufmann‘s Streamborn“ entwickelte sich zu einem Unternehmen mit mehreren Zweigen, das Stammhaus in Tirgard, dazu Shops in Seattle, der internationale Versand, das Reiseunternehmen „Kaufmanns’s Streamborn Expeditions Inc.“ und das Schulungszentrum in Maupin am Deschutes, 1979 erworben. Randall Kaufmann verfasste mehrere Bücher, u.a. das „American Nymph Fly Tyers Manual“, „Lake Fishing With A Fly“ mit Ron Cordes und „Tying Dry Flies“, und etliche seiner Muster wurden weltberühmt. Viele dieser Ideen wurden natürlich durch Fliegenbinder an ihn herangetragen, die er im Laden, auf Reisen, bei Schulungen oder beim Guiding traf. Der wahre „Erfinder“ einer Fliege ist uns oft unbekannt, aber wir kennen meist den Mann, der die Fliege populär machte. Die berühmte „Stimulator“ wird eindeutig Randall Kaufmann zugesprochen, das Urmuster stammt jedoch von Jim Slattery, der das Muster 1980 für den Musconetcong erfand und zunächst „Fluttering Stonefly“ nannte, bis es dann in Anlehnung an eine New Yorker Punk Band den Namen „Stimulator“ bekam und regionale Berühmtheit erlangte. Slatterys Fliege besteht aus Hälften, und Abdomen und Thorax sind gleich lang. Der Schwanz und der Flügel werden nicht gestackt. Bei Kaufmann werden Schwanz und Flügel abgelängt, das Abdomen nimmt etwa 60 % der Fliege ein und wird mit einer deutlich kleineren Hechel gepalmert. Der kundenfreundliche Draht als Rippung ergibt die höchste Haltbarkeit. Der Thorax bedeckt das großzügige vordere Drittel und wird karotig nach vorn spitzer werden getapert. Über den Thorax windet man die größere Fronthechel. Ich empfinde die beiden Fliegen als so verschieden, dass ich eine geteilte Urheberschaft in diesem Fall nicht anerkenne. Die „Stimulator“ ist eine Randall Kaufmann Fliege! Sie funktioniert als Steinfliege, als Maifliege, als Sedge, als Grashüpfer, auf Meerforellen und Lachse, als Bissanzeiger für den Kiwi-Style und überhaupt für alles. Sie toppt eigentlich alle dicken Brummer, sogar die Wulff Fliegen. Weltberühmt und dauerhaft wie sie ist, entspricht ihr Gedeihen leider nicht der Geschichte von „Kaufmann‘s Streamborn“. Randall schied 1996 aus dem Unternehmen aus und verkaufte seinen Anteil an Bruder Lance. Er zog nach Jackson Hole, hat aber auch ein Haus in Neuseeland und ein Ferienhaus am Deschutes. So kann man leben. Und vielleicht war der Fliegenbinder Randall nach Oda doch die Seele des Geschäfts. Nach 42 Jahren ging Lance Kaufmann im April 2011 in die Insolvenz. Letztlich ohne Erklärung. Hunderte Gutscheine und bezahlte Reisen und Guidings fielen in die Konkursmaße. Das hat sicher keiner der Beteiligten so gewollt oder geplant. Es gab allerdings Gerüchte über zu viel Gewinnmitnahme. Ferrari und so. Ein Drittel aller amerikanischen Privatinsolvenzen geht jedoch auf Arzt- und Krankenhausrechnungen zurück. Kann auch sein die alleinige Übernahme war zu teuer, zu riskant. Was immer geschah, wir wissen es nicht. Kann jetzt sein, dass sie mich hier als Texter gerade doof finden. Aber ich denke an solche Sachen, wenn ich binde oder fische, weil es einen lehrt, stets im Leben auf den zu hören, der dem Triumphator von hinten auf dem Streitwagen ins Ohr flüstert:„Bedenke, dass du menschlich bist“. Also, schön genießen, dass man gesund wo sitzt und bindet, und immer Bodenhaftung bewahren. 

Einen Tiemco 200 einspannen und ab dem Punkt, den man für die Schnittstelle von 40 vorn und 60 Prozent hinten hält, ein Fundament anwinden. Randall Kaufmann hat stets Bindeseide in fluo orange benutzt. Außerdem hat er das Fundament bis über den angedrückten Widerhaken geführt. Die Verteilung 40 zu 60 ist Stimi-Merkmal 1.

Hirschhaar stacken und als sehr kurzen Schwanz einbinden, nie länger als Hakenbogenweite. Das Haar sollte über das ganze Fundament hinweg niedergebunden werden. Das trägt zur Schwimmfähigkeit bei und ergibt eine bessere Form. Der Schwanz beginnt exakt über der Hakenspitze. Ein Teil des orangen Fundaments blitzt also unter dem Schwanz hervor. Das ist Stimi-Merkmal 2.

Jetzt einen Kupferdraht einbinden und einen Körper dubben. Die Originalmischung ist Ziege mit Hare-Tron. Hare-Tron ist eine Antron-Kaninchen Mischung und ein Bindeklassiker. Man kann es auch selbst anmischen, wenn man Antron und Kaninchen hat und nicht noch mehr Dubbing kaufen will. Und Angora findet man ja überall. Die Mischung ist Stimi-Merkmal 3.

Die Körperhechel mit der glänzenden Seite nach vorn einbinden, zwei volle Wicklungen an den Anfang setzen und dann nach hinten spiralen. Mit dem Kupfer gegenrippen. Golddraht ist ebenfalls möglich. 

Nun wieder Hirschhaar stacken und so einbinden, dass es mit dem Schwanz harmonisch einen Kreisabschnitt bildet. Nicht länger, nicht kürzer! Das ist Stimi-Merkmal 4.

Jetzt eine etwas größere Fronthechel mit der glänzenden Seite nach vorn einbinden und einen konischen Thorax aus Ziegendubbing anwinden. Und ja, das wird sehr fuselig, hier mit voller Absicht so gestaltet, ist aber Teil des Plans. Form und Dubbing sind Merkmal 5.

Die Hechel nun 3 bis 5 Wicklungen über den Thorax nach vorn bringen und bei jeder Windung die Dubbinghaare nach hinten halten, ähnlich wie beim Doublen. Das bringt sie unter Kontrolle und sie werden Teil des Hechelkranzes. Einen Whip Finish setzen und mit einem Tropfen Lack abschließen. Das kann ein großer Tropfen sein, der Thorax saugt ihn förmlich auf. Die Dubbing Fibern im Hechelkranz sind Stimi-Merkmal 6. Sind alle Kontrollpunkte beachtet worden, und nur dann, ist es eine echte Randall Kaufmann „Stimulator“. 

Das Buch „Tying Dry Flies“ von Randall Kaufmann erschien erschien 1991 in erster, 1995 in zweiter und 2001 in dritter Auflage bei Western Fisherman’s Press. Es ist eine ungewöhnliche Hardcoverbindung mit Spirale. Antiquarisch ist man mit 50 bis 80 Euro dabei. Das ist für eines der besten Bindebücher, die ich kenne, auch nicht zu viel.

IK