Steelhead Flies

Portland 2006. Von John Shewey

Der Gegenstand dieses Buches sind zwar Steelheadfliegen, aber hat man sich als Binder von vorn bis hinten durchgearbeitet und beherrscht alle gezeigten Techniken, ist man auch ein Meister für alle Fliegen. Die Kapitel beschäftigen sich der Reihe nach mit dem Material, mit Basistechniken, mit Hairwings, mit Featherwings, mit Spey- und Dee-Style-Fliegen, mit Shrimps und Prawns, mit Trockenfliegen und letztlich mit einer Gallerie von weiteren Mustern. Mehr Bindepraxis kann man in einem Buch nicht unterbringen. Wie man bindet, wird an einzelnen Mustern in Bildstrecken von bis zu 25 Einzelfotos gezeigt. Jedes Foto und letztlich dann auch die Fliege zeigen absolute Perfektion. Das Objektiv einer Kamera ist ein gnadenloser Bewerter von Fliegen. Was soeben noch ganz okay aussah offenbart sich auf einem Bild als Mangelware. Handwerklich perfekte Fliegen, so wie jede einzelne von Shewey, ziehen dann gern die Kritik auf sich sie wären zu perfekt, zu glatt, museal und irgendwie kalt. Die Meinung darf man gerne haben, aber ich gebe zu bedenken, dass wir ja alle unsere Konsumgegenstände gern ohne Mängel kaufen. Natürlich kann Shewey auch lose Tags einbinden, schiefes Ribbing, schlechte Hecheln und dicke Köpfe mit Schrumpellack herstellen. Er macht‘s nur nicht. Dem Binder, der mit seinem Buch lernen möchte, bietet er das Ziel einer perfekten Fliege an. Schon die ersten Würfe, die Bäume und Steine hinten, die Hänger und Fische vorn beginnen diese Perfektion zurechtzurücken. Das ist, als würde man mit einem neuen Ferrari gleich durch den Schlamm fahren und nicht zur Eisdiele. Aber genau das ist der Kern des Fliegenbindens. Wir nehmen einen Gegenstand, den wir so gut wie möglich hergestellt haben, und machen ihn kaputt. Das stellt uns in die Tradition des Steinzeitjägers, der seine Obsidianspitze ja auch mit jedem Fehlschuss ruinierte. Darum, für alle die lernen wollen und sich von meisterlichen Fliegen nicht weiter einschüchtern lassen, ist der Shewey ein Muss. Dass seine Erscheinung vor den „Intrudern“ lag muss nicht stören, ist aber ein kleines Manko. Wer auf dem Niveau bindet kann letztlich alles, darum als Lesetipp 4 von 5 Fliegen.

Ingo Karwath