Nach bald 50 Jahren Pause sind die Makrelen wieder in der Ostsee. Und nicht nur die.
Die Ostsee war früher einmal bekannt für eine hervorragende Fischerei auf Makrelen. Das war aber zu einer Zeit, als man für die Spitzen der berühmten Atlantik Spinnruten von ABU noch einen Pilkgriff erwerben konnte, und die Makrelenruten waren richtig lange Bambusstangen ohne Rollen, an denen man unter einer Makrelenpose mit Prallplatte einen Fischfetzen anbot. Die Schnur war aus demselben braunen Garn, das man auch für Aalschnüre benutzte. Fünf bis sieben Meter galt als die richtige Tiefe, und die beißende Makrele schlug sich selbst an. Die Posenantenne gleitet durch die Prallplatte, der Posenkopf knallt auf die Platte, der Fisch ist angehakt, zieht die dicke Pose noch ein Stück tiefer und sitzt fest. Ein Boot mit Makrelenfischern sah damals aus wie eine Galeere mit zu dünnen Rudern, denn an Back- und Steuerbordseite standen die sieben bis acht Meter langen Ruten seitlich ab. Ich weiß noch heute wie ich als kleiner Junge an der Hand meiner Eltern in Hohwacht am Hafen stand und mir sehnlichst wünschte mitzufahren. Die Bambusruten leuchteten golden in der Sonne, die Schnüre mit den rotweißen Posen war waren um die Ruten gewickelt, und Männer mit schwarzen Gummistiefeln, Pudelmützen und Elbseglern, und scheppernden Eimern bevölkerten fröhlich das Schiff. Die ganze Szene hat sich bei mir förmlich eingebrannt und sicher viel dazu beigetragen, selbst ein Angler zu werden.
Aber im Verlaufe der weiteren Jahre wurde es ruhig an der Ostsee, der Anblick der Bambusboote verschwand, und die Nordsee wurde unser Makrelenmeer. Um Sylt herum begann man mit Federködern auf Makrelen zu fischen, und die weiß befiederten Haken kamen alsbald als Sylter-Federn in den Handel. Mit einer Haspel oder einer kurzen, kräftigen Rute lässt man so ein System herab, und kurbelt es erst wieder herauf, wenn man mehrere Bisse gefühlt hat.
Aus insgesamt noch unbekannten Gründen ist die Makrele in der Ostsee wieder deutlich zahlreicher geworden. Und mehr noch, auch ihr großer Onkel, der Blauflossenthun, ist in dänischen Gewässern wieder so häufig, dass die Dänen schon über eine Fangquote nachdenken. Die ihnen hoffentlich nicht genehmig wird. Dass es wieder einen Makrelentourismus im alten Stil geben wird glaube ich nicht, aber sollte irgendwann einmal ein Kutter zu einer Retro-Tour mit Bambusruten auslaufen, bin ich für jeden Preis dabei. Bis dahin nehme ich mein Kajak.
Der sommerliche Fliegenfischer beschäftigt sich in der Regel nicht mit Bootchen. Sein Wasserfahrzeug ist die Wathose. Oft ist die Fischerei ein Teil des Familienurlaubs und von 20 bis 24 Uhr ans Wasser zu dürfen fordert schon einiges an Verhandlungsgeschick. Von 7 bis 20 Uhr gibt man den besten aller Väter und Ehemänner und hat dann, vielleicht, womöglich, eventuell, aber nicht sicher, eine Chance. Hat man sich für den Urlaub eine flache, sandige Bucht ausgesucht, ist sie schlecht und man kann weder am Tage noch in der Nacht mit Fischen rechnen. Meeräschen sind möglich, aber pelagische Schwärme von Sandaalen mit verfolgenden Meerforellen zu finden ist so selten wie ein Nugget in der Goldpfanne.
Hat man jedoch einen Strand gewählt, der sich unweit eines Kaps befindet, wo sich das Land frech in die See reckt, hat man gute Chancen auf Makrelen. Gute Stellen sind Skagen, Frederikshavn, Grena, Ebeltoft, Hundestedt, Hindsholm, Sjaelands Ode, Nakskov, Mons Klint, Bagenkop, Lohals, Bojden und die Bucht von Kerteminde. Im Prinzip sind das auch hervorragende Stellen für Forellen, bei denen frisches, tiefes Wasser nicht weit ist. Mit Glück findet man Makrelen sogar in ruhigen Buchten.
Die Fischerei selbst ist dann einfach. Während die Meerforelle gerade nicht da ist oder sich an feste Jagdzeiten hält, die Hornhechte sich nur gegenseitig haschen und die Meeräschen rumzicken, wie eigentlich immer, ist der einmal gefundene Makrelentrupp wie eine Kindergartengruppe mit einer Kilopackung Gummibärchen. Makrelen naschen rund um die Uhr.
Im Sommer 2015 waren rund um Hindsholm die Meeräschen spärlich, dafür aber die Makrelen reichlich. Das fiel mir erst auf, als ich in der Bucht von Korsholm auf Plattfisch angelte. Das spart kaum 70 Kronen für ein drei Platte am Fischwagen, macht jedoch sehr viel Spaß. Mit ein paar Wattwürmern paddelte ich hinaus und versenkte mein 30 Gramm Pyramidenblei seitlich vom Kajak. Driftanker raus und gemütlich warten. Ist wie im Schaukelstuhl, wogende Wellen wiegen das Bootchen. Plötzlich ist die braune Fenwick PLS 65, 1975 gekauft, vollständig krumm. Die kleine Multi gibt Schnur und ich bin in Sorge, als Fliegenfischer eine Meerforelle am Wurm zu haben. Die letzten sechs Abende hatte ich keinen Biss auf meinen schwarzen „Muddler“. Jetzt eine Forelle wäre der Hohn. Der Untergang des christlichen Abendlandes. Dann beginnt der Fisch ein paar Meter unter dem Boot kleine Kreise zu ziehen. Das ist thuntypisch, auch für Makrelen. Ich bin tief erleichtert. Die recht dicke Makrele darf wieder schwimmen, denn ich will meine kleine Sitzwelt nicht voller Blut haben. Wenig später kommen dann die ersten Platten, und mit einer bunten Strecke von Flunder, Scholle und Kliesche geht’s zur Hütte zurück. Da ich der Koch bin trickse ich später die Flunder auf meinen Teller. Die mag ich am liebsten. Ich tausche die Fenwick gegen eine Fliegenrute und wandere zum Boot zurück. Mit einem langen Vorfach und einer „Sea Habit“ kommt Karibik-Feeling auf, denn die Sonne scheint, es beißt und die Bremse knarrt. Als dann noch eine Meerforelle zufasst, ist mein Glück perfekt. Und das am hellen Nachmittag. Sollten Sie irgendwann demnächst, weil Sie mit Ihrem Handy oder anders beweisen können, dass Sie reisen dürfen, zwischen Maspalomas und Trondheim ans Meer kommen, ruhig mal schauen ob da Makrelen sind.
Ingo Karwath