Ernie und Charles

Erinnerung an alte Zeiten.

Hat man die Familenkutsche voll beladen und fährt in den Urlaub, dann steht man auf der Autobahn ja gelegentlich im Stau und hat einen etwas tieferen Einblick in die Nachbarautos. Dabei sind kleine Autos mit Studenten viel interessanter als andere Familienkutschen, und wahre Highlights solcher Begegnungen sind voll verqualmte Autos, mit süßlichem Geruch oder ohne, im Fond geigende Geiger, fünf junge Damen im Bikini, Chorgesang a la Comedian Harmonists und rhythmische Zwischenmenschlichkeit auf dem Rücksitz. Leider hat man dann als Familienvater oder auch als perfekt ausgestatteter, nach Norwegen reisender Lachsfischer den Eindruck, dass in diesen kleinen Autos deutlich mehr Spaß herrscht als im eigenen. Das Wissen, dass nach den Diplomen und Examen das richtige Leben lauert und dann ja fast jeden erwischt, ist immerhin ein Trost. Nachdem es bekanntlich nie zu spät ist vernünftig zu werden, ist es aber auch okay damit etwas zu warten. Man macht eben jung Dinge, die man älter dann lässt.

Als Fliegenfischer so mit Anfang 20 hatten wir ein Spiel, bei dem man sich schon am Auto oder spätestens am ersten Pool dafür entscheiden musste, welcher Prominente man heute sein wollte. Beliebt waren Ernie (Schwiebert), Charles (Ritz), Hans (Gebetsroither), Walter (Brunner), Arnold (Gingrich), Frank (Sawyer), George Edward (M. Skues), Theodore (Gordon) oder Frederic (M. Halford). Udo und ich fischten oft nur mit einer Rute, und das waren in den frühen Jahren eine braune Fenwick, eine schwarze Fenwick, verschiedene Blanks vom Frank, eine wirklich tolle 8 Fuß Hardy, eine Far and Fine, die ich heute noch habe, und, immer noch im Studium, eine Foster Airsprite und eine Brunner Cherie. In den letzten Semestern sogar die ersten Hildebrandt Ruten, die A-Serie. Wir hatten schon eine ansehnliche Waffenkammer. 9 Fuß Ruten waren noch unüblich.

Mit der Wahl des Namens war nun verbunden, dass man die gewählte Person auch fischereilich und sprachlich karikieren musste. Als Ernie konnte man recht modern fischen, musste aber viel über Wein und Käse reden, und das mit US-Akzent. Charles mochte gern über Essen und Frauen reden und wollte alles flambieren, aber mit meinem Französisch war es nicht weit her. Hans und Walter wurden österreichisch ausgeschmückt, der Hans eher lauter, der Walter vornehmer. Arnold zitierte aus Büchern was das Zeug hält und Frank fischte nur seine Nymphen, bei Theodore legte man sich auf die „Quill Gordon“ fest, bei Halford auf geflügelte Trockenfliegen und bei Skues auf leichte Nymphen. Wehe man bekam als Hans mal wieder den Daumen auf den Griff oder schielte als Halford zur „Pheasant Tail“, die gerade ging wie Schmidts Katze.

Natürlich war das typischer Studentenunfug, aber fischte man seine Rolle, gab es auch viel zu lernen. Fing oder vergeigte man einen Fisch, musste die Rute getauscht, eventuell die Fliege gewechselt werden. Schaute gerade noch Ernie bei Charles zu, war es dann Charles bei Ernie. Die „Devaux“ am Vorfach konnte bleiben. Manchmal war man am Ende des Tages erstaunt, was man alles mit der „Quill Gordon“ oder einer „BWO“ Nymphe gefangen hatte, weil man Theodore oder George Edward war. Ich habe das Spiel seit den Jahren an den Pools der Oder nicht mehr gespielt. Aber mal ehrlich, einfach immer nur zu fischen ist schön, aber ein bisschen Unfug gehört auch dazu. Selbst Halford fischte mit Fasanenfutter unter der Pose auf Forellen, wenn’s für die Küche war. Also, nur zu, wer sind Sie beim nächsten Mal? Und sollte das Auto neben Ihnen mal voll Rauch sein und es riecht als würde jemand Tee und Tomatenstängel karamellisieren, unauffällig weiterfahren.

Ingo Karwath