Im Mai Maifliegen binden ist zu spät. Für den Binder heißt sie Aprilfliege.
Die ungeflügelte „Champion“ ist eine so sympathische Fliege, weil sie keine Flügel hat. Banal, nicht wahr. Bindet man sie nämlich nach der klassischen Anleitung mit Flügeln, hat sie das Potenzial Harry der Hubschrauber zu sein. Dann hätte sie nämlich „fan wings“ aus Hennen- oder Entendaunen , und die neigen bei minimaler Ungleichkeit dazu, die Fliege bei jedem Wurf in einen schwirrenden Propeller zu verwandeln. Hat man Daunen mit zu fester Struktur benutzt, kann man das gut hören. Nicht zuletzt darum findet man in den Fangbüchern von Halford nicht selten den Eintrag, man hätte mit der flügellosen „Champion“ gefischt. Auch Marryat wird dabei erwähnt. Wenn wir sie binden und fischen, haben wir also zwei große Vorgänger. Der Körper der „Champion“ besteht aus weißen Kiel, überwunden mit Raffia. Der unterbaute Kiel war im 19. Jahrhundert eine gebräuchliche Methode, um Schwimmfähigkeit zu erzeugen. Das Muster ist jedoch vor jeglichem Fliegenfett erfunden worden, und das Unterbinden mit Kielen wurde danach unmodern. Mit den Schwimmpräparaten unserer Tage ist so ein Unterkiel eher entbehrlich, aber wer klassisch binden möchte, mag ihn gern beibehalten. Hier zunächst einmal die klassischen Bindeanleitungen:
„Brown Champion Mayfly. Wings: Gallina or Rouen drake, dyed a distinctly brown-green tint. Hackle: A grey partridge hackle dyed in strong tee, or a hen golden pheasant hackle, and a pale ginger cock hackle. Body: Rofia grass over white quill, ribbed with fine flat gold and red silk. Whisks: Gallina, dyed dark-brown. Hook: 3 or 2.”
“Green Champion Mayfly. Wings: Gallina or Rouen drake, dyed a distinct green-olive. Hackle: A grey partridge hackle dyed in strong tee, or a hen golden pheasant hackle, and a pale ginger cock hackle. Body: Rofia grass over white quill, ribbed with fine flat gold and red silk. Whisks: Gallina, dyed dark-brown. Hook: 3 or 2.“
Die Hakengröße übersetzt sich für mich in Größe 12 4x lang. Die Hakengrößen war schon im 19. Jahrhundert ein wirres Spiel mit Tabellen und Thous, und die Annahme Größe 0 wäre unsere Größe 15, und 2 und 3 dann dementsprechend 13 und 12, ist unter Hakenexperten nur der Anfang der Diskussion. Die „Champions“ sehen jedenfalls auf Größe 12 bis 10 und 2x bis 4x lang sehr gut aus. Wie man sich denken kann, lässt man für die ungeflügelte „Champion“ schlicht die Flügel weg. Ich habe aber eine große Vorliebe für die in starkem Tee gefärbte Rebhuhnfeder und bin gern bereit, über die Vorzüge bestimmter Tees für diesen Färbevorgang zu diskutieren. Ostfriesentee besteht ja aus bis zu zehn Schwarzteesorten, vor allem jedoch Assam, und eignet sich vorzüglich zum Färben. Die „Champion“ geht nicht auf Halford, sondern auf den Fliegenbinder George Holland zurück, der in Salisbury bindend seine Kunden in ganz England damit versorgte. Marryat und Dr. Sancturary wohnten nur ein paar Schritte entfernt, und Holland verdankt gerade Marryat seinen hohen Standard. Er musste seine Anzeige in der „Fishing Gazette“ beenden, weil er auch mit Helferinnen gar nicht so viel binden konnte wie bestellt wurde. Wie schon an anderer Stelle gesagt, war die Maifliege eine Ein-Fisch-Fliege, im Extremfall eine Ein-Wurf-Fliege. Man tauschte sie nach jedem Fisch gegen eine frische Fliege aus. Die ungeflügelte „Champion“, zumal dann ja auf moderne Öhrhaken gebunden, war schon auf dem Weg in eine neue Zeit. Und außerdem gilt, wie man auf einen Blick sieht, aus Zwei mach‘ Eins, denn nur die Flügel schaffen den Unterschied von der Braunen zur Grünen. Also, wenn eine alte Maifliege als Dauergast in der Dose, dann diese. PS: Dies ist meine erste Fliege nach der Augen OP vor zwei Tagen. Ganz fit bin ich noch nicht. Wird aber zusehends besser. Danke für die guten Wünsche, die mich erreichten.
Ingo Karwath