Mouche Noyée – Ingo Karwaths Fliegenlexikon Nr. 16

Die Weisheiten des Monsieur Carrere. Zarte Fliegen aus alter Zeit.

Sich sehr schnell für oder gegen etwas zu entscheiden ist eine Herausforderung, der sich Börsenmakler jeden Tag stellen müssen. Das ist im Grundsatz ungesund, macht aber wohlhabend. Nun kennen wir wohl alle das Experiment, bei dem ein studierter Börsenmakler, ein Laie und ein Kamel gegeneinander antraten und je ein Portfolio betreuen mussten. Der Börsenmakler wurde letzter, das Kamel zweiter, und der aus dem Bauch handelnde Laie gewann haushoch. Man hat auch Affen gegen Börsenmakler zocken lassen, und stets gewinnen die Affen. Also hat man Computer wie ein Affenhirn programmiert und legt nun damit Geld an. Und nur weil Affen keinen Krawattenknoten binden und Computer nicht mit Anlegern verhandeln können, und der Laie den Stress nicht will, sind die Jobs an der Börse sicher. Na gut, bis dahin, jetzt aber rauf auf’s ganz dünne Eis. Wenn das bei Aktien klappt, mit Affen und so, was ist dann mit Fliegen. Oder anders, wäre uns ein Laie bei der Fliegenwahl überlegen, weil er sich für die hübsche Gelbe entscheidet, derweil wir von zu viel Wissen gebeugt falsch liegen. Man bräuchte für das Experiment einen überhaupt nicht an Fischen interessierten Turnierwerfer und zwei Fliegenauswähler, aber wie immer man das gestaltet, es wird keine wissenschaftlichen Erkenntnisse geben. Bestenfalls eine Pointe. Und dafür haben wir in Deutschland schon genug Komiker. Ich gehe davon aus, dass ein erfahrener Fliegenfischer gewinnen würde, denn Fische sind keine Aktien und in der Jagd und Fischerei zahlt sich Erfahrung aus. Im Garten ebenfalls. Eine Möglichkeit seine Erfahrungen in einen Auswahlprozess einzubringen ist die Verkleinerung der Wahlmöglichkeiten. Die Fliegenserien von Halford oder auch die Serien von De Boisset oder Dr. Massia oder Dr. Juge sind Beispiele. Eine weitere und wenig bekannte Serie ist die von Louis Carrere, die, weil sie sich mit Nassfliegen beschäftigt, natürlich auch weniger berühmt wurde. Sie geht auf das Jahr 1937 zurück. Man wirft dem Nassfischer genau das vor, was ihn auszeichnet. Dass er das Wasser absucht, simple Fliegen benutzt, und überhaupt intellektuell und kulturell weit, weit unter dem Trockenfischer steht. Bedenkt man nun aber, dass moderne Nymphenfischer neun Meter lange Vorfächer bewegen oder mit drei schwersten Nymphen an einem Vorfach angeln, mit einer Pose darüber, ist der Nassfischer doch mindestens zur oberen Mittelklasse aufgerückt. Mit einer Gespließten, pssst, 2,60 Meter, die sich richtig gut für seine Methode eignet, und einer DT, nicht minder perfekt, ist er wie eine Überlieferung aus alter Zeit.

Ma Favorite.
Ma Favorite. Montage espagnole.

Ma Favorite. Haken: Nasshaken Gr. 10 zum Saisonanfang, dann 12. Saison: Juni bis Oktober. Position: Strecker. Bindeseide: schwarz. Schwanz: Wolle, rot. Körper: Pfauengras. Hechel: Hahn, rotbraun. Spanische Montage: rubio.

Pallareta.
Pallareta. Montage espagnole.

Pallareta. Haken: Nasshaken Gr. 10. Saison: Februar bis . Position: Strecker. Bindeseide: schwarz. Rippung: Seide, schwarz. Körper: Seide, gelb. Hechel: Hahn, blaugrau. Spanische Montage: indio plateado.

Professeur.
Professeur. Montage espagnole.

Professeur. Haken: Nasshaken Gr. 14. Saison: gesamte Saison. Position: Springer, am Saisonanfang auch Strecker. Bindeseide: schwarz. Rippung: beliebig (aucun). Körper: Seide, hellgrau. Hechel: Hahn, blaugrau. Spanische Montage: indio claro.

Die Fliegenserie, die Louis Carrere in seinem Buch „Technique de la Mouche Noyee“ aufzeigt, meine Ausgabe ist von 1957, besteht aus neun Fliegen in drei Variationen. Eine Variante ist die mit der rundherum gewundenen Hahnenhechel, so wie wir sie alle kenne. Die zweite Variante ist die spanische Montage, und da gibt es bei Carrere einiges zu lernen. Ich habe über diese Fliegen schon einmal geschrieben, 1988, und ich gebe mir für den Artikel von damals keine gute Note. Es hilft schon sehr, so wie jetzt, eine zusammen mit dem Besitzer gealterte Bibliothek zu haben. In einem Nachsatz unter den Bindeanleitungen empfiehlt der Verfasser für Bergbäche die Fliegen mit „mou de poulet“, weicher Hechel, oder aber Rebhuhn zu binden. Die spanische Bindung ist natürlich von höchstem Interesse. Carrere erklärt es nämlich so. Ausgangspunkt ist immer eine Coq de Leon Feder aus Leon! Man verwirft den unteren Abschnitt und streift die Fibern dann so nach unten, dass sie in einem rechten Winkel vom Kiel abstehen. So sind alle Spitzen auf gleicher Höhe. Man legt sich einen weißen Teller oder eine weiße Fliese zurecht. Mit Daumen und Zeigefinger greift man die Spitzen von sechs bis acht Fibern und zieht sie vom Kiel ab. Dieses Bündel, immer noch an den Spitzen gehalten, also nicht umgreifen, legt man auf der Fliese ab. Das wiederholt man fünfmal und legt die Bündel jeweils so ab, dass ihre Spitzen sich an einem Punkt treffen. Man hat 36 bis 48 Fibern, die man dann zu einem Bündel fügen kann. Carrere nennt es eine Locke. Diese Angabe auf Seite 34 bei Carrere sagt uns also genau, welches Volumen ein spanischer Flügel haben soll. Dieses Fibernbündel soll man nun an seiner Spitzen halten und einbinden, also genau anders herum als wir es mit Bündeln gewöhnt sind, die man ja eher unten hält. Das hat den Vorteil, den oberen Halbkreis schon angelegt zu haben. Die Fibern sollen knapp über den Hakenbogen reichen. Hat man die ersten Wicklungen fest, soll man mit dem Daumennagel der Bindehand die Fibern von oben so pressen, dass sie von oben einen Halbkreis um den Körper bilden, wenn sie es nicht schon freiwillig taten. Alle weiteren Wicklungen dienen dazu, dieses Ergebnis zu sichern und die Fibern in einem 45 Grad Winkel vom Haken abstehen zu lassen.

Torrent.
Torrent. Montage espagnole.

Torrent. Haken: Nasshaken Gr. 14. Saison: März bis September. Position: Springer. Rippung: Seide, 10 Windungen, grün. Körper: Seide, gelb. Hechel: Hahn, blaugrau, mit 12 Entendaunenfibern darüber. Spanische Montage: pardo claro.

Cardinal.
Cardinal. Montage espagnole.

Cardinal. Haken: Nasshaken Gr. 14. Saison: Februar, März, April und Oktober. Position: Springer. Rippung: beliebig. Körper: Seide, weinrot. Hechel: Hahn, blaugrau, mit 12 Entendaunenfibern darüber. Spanische Montage: indio claro.

Merveilleuse.
Merveilleuse. Montage espagnole.

Merveilleuse. Haken: Nasshaken Gr. 14. Saison: Februar bis Oktober. Position: Springer. Rippung: beliebig. Körper: Seide, altrosa. Hechel: Hahn, blaugrau und braunrot gemischt. Spanische Montage: pardo tostado.

Die Behechelung ist sicher das zentrale Element der Carrere-Fliegen. Für die rundum behechelten Fliegen gibt er keine Anweisung, und es kommt ja auch sehr auf die Hechel an, wie viele Fibern pro Windung man erhält. Orientiert man sich an der Höchstzahl der spanischen Bindeweise, dann sind etwa 4 Wicklungen richtig. Beim Rebhuhn ist es einfacher, denn die Hechel gibt meist nur drei Turns her. Auch bei der Rippung der Seidenkörper gibt es eine Anweisung, denn Carrere wünscht manchmal zehn Wicklungen, damit entweder die Farbe oder auch das Metall gesehen werden. Das verdoppelt die üblichen Fünf und ist wesentlich. Bei der Nachempfindung der Fliegen habe ich meine ältesten Haken, französische Seide auf Holzspulen und wirklich echte Leonfedern herausgesucht. Und mir damit ein Bein gestellt. Die sehr ausgeprägten Widerhaken lassen sich nicht andrücken. Die Haken brechen. Und noch einmal binden möchte ich nicht. So muss die Serie im historischen Kontext wahrgenommen werden. So geht man damit nicht angeln. Wer sie modern bindet, wird widerhakenlos binden und neue Seiden verwenden. Es war ein Erlebnis zu sehen wie ungewachste Seide und Gossamer vom Haken abflitzen, wenn man nur einen Moment locker lässt. Und nicht minder ein Erlebnis, mal eine Serie 14ner Nassfliegen vor sich zu sehen. Sie sind zarter und imitativer als ich es vorher gedacht hätte. Carrere empfiehlt Springer und Strecker etwa 60 cm auseinander zu halten. Und für Fischer, die ihre Fliegenkörper lackieren möchten, rät er zu mercerisierter Baumwolle. Man muss kein großer Seher sein, um eine Renaissance der Nassfischerei zu erwarten. Sie war und ist schon immer sinnvoller als viele andere Blüten, die das Fliegenfischen so treibt. Denn was will man uns sonst verkaufen. Der Neunfußbereich wird seit Jahrzehnten beackert, bei Switch und Czech trennen sich die Geister, ich besitze nichts in der Richtung und will’s nicht mal geschenkt, aber kürzer lohnt der Wiederbelebung. Auch Bambus in 8 bis 8,5 Fuß sollte man in den Blick nehmen. Sag‘ ich mal so.

Soleil.
Soleil. Montage espagnol.

Soleil. Haken: Nasshaken Gr. 14. Saison: Gesamte Saison. Position: Springer und Strecker. Rippung: Seide, goldgelb. Körper: Seide, gelb. Hechel: Hahn, blaugrau. Spanische Montage: indio plateado.

Indispensible.
Indispensible. Montage espagnole.

Indispensible. Haken: Nasshaken Gr. 14. Saison: März bis September. Position: Springer und Strecker. Rippung: Seide, gelb oder Ovalgold, 10 Windungen. Körper: Seide, bronze. Hechel: Hahn, dunkelgrau. Spanische Montage: pardo tostado.

Manne. Haken: Nasshaken Gr. 14. Position: Springer und Strecker. Rippung: Ovalsilber, 10 Windungen. Körper: Seide, weiß. Hechel: Hahn, hellgelb. Spanische Bindeweise wird nicht vorgeschlagen.

Ingo Karwath