Pike Flies

Das Fliegenfischen auf Hecht und das entsprechende Binden dazu erfreuen sich einer Entwicklung, die andere Sparten unserer Fischerei leider vermissen lassen. Der modernen Landwirtschaft ist es anscheinend gelungen, 75% der geflügelten Insekten in Feld und Flur auszurotten. Das holt die ehemaligen Trockenfischer ins Hechtboot. Viele Jig- und Jerk-Fischer beginnen sich mit ihren Ködern zu langweilen, und die Lachsfischer und Tarponfischer kommen zum Hecht, weil der immerhin halb so lang wie ein Tarpon und oft ähnlich schwer wie ein Lachs ist. Dass man ihn auch auf Sicht fängt interessiert den Bonefischer, und dass er Äschen frisst wie ein Fünfjähriger Gummibärchen mag den Äschenmann reizen sich zu rächen.

Obwohl es nicht so aussieht, sorgt der hintere Bucktailkranz für Ordnung. Flashabou und Federn fügen sich beim Wurf und bei der Fischerei zwischen die Haare. Zusätzlich wird Wasser verdrängt. Der „Körper“ besteht aus Schrumpfschlauch.

Warum die Jungs, die uns im Internet Hechtfliegen vorbinden, allesamt aussehen wie Berliner Szenefrisöre, ist mir ein Rätsel. Wenn man sich die Bildszenen zu Anfang anschaut, wird man bemerken, dass der Ständer mit dem vielfältigen Flashabou kaum schmaler ins Bild gestellt wurde als der Mann hinter dem Bindestock. Damit kommen wir zu des Pudels Kern. Diese zu Streifen geschnittenen Kunststoffe werden uns zu Preisen verkauft, die sogar Trump Enterprises auf den Plan rufen könnten. Oder BlackRock. Durch den hohen Preis dieser Fusel, deren Fängigkeit uns einzureden der Job dieser sogenannten „Fliegenfischer“ oder „Fliegenbinder“ ist, ich nenne sie pauschal gern Herr Kaiser, kann auch eine selbstgebundene Hechtfliege schnell mal 8 Euro kosten. Wollen wir mal rechnen. Eine Tube für 40 Cent. Das geht noch. Wir möchten mit einem Rig fischen und brauchen einen Haken und eine Stinger, sagen wir zusammen 1,80. Der Kunststoffkopf 1 Euro, die Klebeaugen kosten 60 Cent, und da wären wir bei 3,80 Euro. Beim Draht nehmen wir einen preiswerten und sagen mal pauschal 4 Euro für die Zutaten bis hierher. Bindet man ein halbes Päckchen Flashabou mit ein, 3 Euro, dazu eine Rattle, 1 Euro, und noch so dies und das an Megahair und Superchenille, sagen wir 50 Cent, sind wir bei 8,50 Euro. Das ist das Starbucks-Prinzip. Immer noch was dazu bis der Kaffee 9 USD kostet.

Das Tolle für den Handel ist nun, dass seine Bindezutaten kaum 10 % davon kosten, eher weniger, und dass so ein Brummer in Vietnam schneller entsteht als ein belegtes Brot. Da einige Hechtstreamer ganz knapp vor der Grenze von 30 Euro stehen, erkennt man mühelos warum Hechtfischen für die Industrie so eine große Nummer ist. Kann man dagegen was machen? Ja, die Preisbrecher beim Material suchen und dann selber binden. Alles andere macht keinen Sinn. Die Fliegen sind einfach gut.

Vor den Schrumpfschlauch wurde ein weiterer Bucktailkranz gebunden und mit allerlei Flashabou umgeben. Den Kopf habe ich aufgebohrt, damit er über die XXL-Tube passt. Ergebnis: Ein typischer No-Name Streamer im modernen Baukastenstil.

Im Prinzip hat sich eine Formensprache entwickelt, die man immer wieder erkennt. Hinten der Bucktailkranz, von den Intrudern abgeschaut, der das Material kontrolliert und Wasser puscht. Der Körper ist nicht so wichtig, der Flügel wiederum beim Lachsfischen abgeschaut, eigentlich wie „Tempeldog“, komplex gemischt und längenverteilt, oft in eine Schlaufe gebunden, wieder das Intruderprinzip. Der Kopf wurde aus dem Salzwasser importiert, Epoxy oder Plastik, die Augen ebenfalls, und so sind Hechtstreamer eine kluge Mischung geklauter Ideen. Bis hin zum Rig, den ein Däne erfunden hat. Da aber, wo es wirklich viele Hechte gibt, Wollaston Lake Lodge, 8 Tage für 10.000 USD, wo allein die Guides die Fliegen ohne kommerzielle Interessen entwickeln, haben sich sehr einfache Muster fast ohne Flash ergeben. Purer schwarzer Kaffee, sozusagen. Das gibt zu denken. 

Dieses und mehr ist völlig egal, denn schon ein mittlerer Hecht an der Fliegenrute ist so klasse, dass ich diesen ganzen teuren Mist, auf den ich immer wieder hereinfalle, einfach nur liebevoll angrinse, wenn er einem Hecht aus dem Maul hängt wie einem Hund, der einen Kringel mit Lametta vom Weihnachtsbaum stibitzt hat. IK