„Bomber“ und Kollegen – Ingo Karwaths Fliegenlexikon Nr. 18

Ein „Bomber“ ohne Flügel ist ein „Bug“, aber ein dünner „Bug“ ist eine „Machine“, außer in blau, da ist es ein „Smurf“, lang jedoch eine „Cigar“. Alles klar?

Carter’s Bug.

Carter’s Bug. Haken: Lachstrockenhaken Gr. 4 bis 10; Bindeseide: gelb; Schwanz: Hirschhaar; Hechel: Hahn, braun, möglichst weich, vier Windungen; Körper: Hirschhaar, sehr lose, sehr unordentlich.

Die Geschichte ist legendär. Pfarrer Elmer Smith fischte in der Saison 1961 am Miramichi und beobachtete einen Jungen, der mit einem aus Hirschhaar gebundenen Basspopper einen Lachs fing. Mit diesem Erlebnis im Kopf setzte er sich an den Bindestock und band eine erste Hirschhaarfliege für Lachse, die sich aus dieser Urform und Variationen bis 1967 zu dem Muster entwickelte, das wir heute kennen, der berühmte „Bomber“. Kaum hat man dieses Wort getippt, dreht man sich um und fühlt sich beobachtet, und wo immer Menschen digital miteinander kommunizieren, sind Algorithmen am Werk, mit denen die NSA und andere uns nachspüren. Man wird sicher daran getüfftelt haben, den Zusammenhang von „Bomber“ und „salmon“ zu erfassen und den tippenden Fliegenfischer aus dem Netz der Überwachung zu entlassen. Es ist ja durchaus möglich mit einer Rute und Rolle aus der Zeit von Rev. Smith zu fischen, aber die Welt hat sich doch sehr verändert. Die Fliegen irgendwie nicht, und das ist gut so. Aus dem „Bomber“ entstand eine Reihe von ähnlichen Fliegen, und ich möchte versuchen, sie ganz so wie in der Biologie in Familien einzuteilen. Es gibt da ein paar Merkmale, die das zulassen, und dann muss man schauen, ob die Einteilung Bestand hat. Die Familie der „Bomber“ zeichnet sich dadurch aus, einen Schwanz und Flügel zu haben, der Flügel entweder einteilig oder zweiteilig, und die Hechel hat in der Regel fünf Windungen. Der Körper ist mittelkräftig, mit einem Taper zu beiden Seiten, nach vorn gern etwas fülliger. Die Farbgebung ist völlig beliebig, und viele Kombinationen haben sich bewährt. Der „Smurf Bomber“, der „Schlumpf-Bomber“, nimmt eine Sonderstellung ein, weil sich blaue „Smurf“ Muster durch alle Familien verbreitet haben. Bindet man den „Bomber“ länger und mit mehr Hechel, entsteht die Zigarre, „Cigar“, eine eigene Familie, die man selten sieht, vermutlich weil die Binderei so umständlich ist. Bei richtig langen „Cigars“ muss man in der Mitte eine zweite Hechel ansetzen, und das ist eine schwierige OP.

Bomber.

Bomber. Haken: Lachstrockenhaken Gr. 4 bis 10; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Kalbschwanz, weiß; Flügel: Kalbschwanz, weiß; Hechel: Hahn, braun, fünf Wicklungen; Körper: Hirschhaar, natur.

Brown Bomber.

Brown Bomber. Haken: Lachstrockenhaken Gr. 4 bis 10; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Eichhorn, braun; Flügel: Eichhorn, braun; Hechel: Hahn, braun, fünf Wicklungen; Körper: Hirschhaar, braun.

Bee Bomber.

Bee Bomber. Haken: Lachstrockenhaken Gr. 4 bis 10; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Kalbschwanz, weiß; Flügel: Kalbschwanz, weiß; Hechel: Hahn, braun, fünf Windungen; Körper: Hirschhaar, schwarz und gelb im Wechsel.

Etwas leichter zu binden und darum beliebt sind die „Bugs“, gern auch „Buck Bugs“, die etwas pummeliger daherkommen als die „Bomber“ und keinen Flügel haben, aber sehr wohl einen Schwanz oder ein Anhängsel, ein „butt“, also einen Arsch. Möglich ist auch ein Schwanz aus Flash, dann spricht man von einem „Glitter Bug“. Ein „Bug“ hat in der Regel vier Hechelwindungen. Ideal für Anfänger könnte der „Carter’s Bug“ sein, den man in keinem Fall verpresst und dicht binden darf. Er muss schön schlampig lose rüberkommen, und genau das ist eine Kunst für sich. Es gibt sogar den Tipp ein Stück Hirschfell im Garten verwittern zu lassen, damit es die gewünschte Farbe und Struktur bekommt. Ein anderer Tipp ist Karibu, das hat ohnehin so weiche Haare. Eine vierte Familie sind die „Machines“, die sich aus der Stammmutter „Green Machine“ gebildet haben. „Machines“ haben in keinem Fall einen Flügel und sind zu einem dünneren Zylinder gestutzt. Und eher kurz. Es wird kein Material hinter der Hakenspitze verarbeitet. Die Hechel wird in der Regel viermal gewunden und die Fliegen haben ein Anhängsel. Wenn sie doch einmal mit einem Schwanz gebunden werden, so ist dieser kurz und buschig. Eine schwarze „Machine“ ist eine „Shady Lady“. Wie man sich denken kann, ist eine Schnittmenge zwischen diesen Familien möglich, und dann muss man allein entscheiden, wie man ein Muster einordnen möchte.

Smurf Bomber.

Smurf Bomber. Haken: Lachstrockenhaken Gr. 4 bis 10; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Kalbschwanz, weiß; Flügel: Kalbschwanz, weiß; Hechel: Hahn, blau, fünf Windungen; Körper: Hirschhaar, blau.

Green Machine Red Butt.

Green Machine Red Butt. Haken: Lachstrockenhaken Gr. 4 bis 10; Bindeseide: schwarz; Butt: Flachgold, Floss, rot; Hechel: Hahn, braun, vier Windungen; Körper: Hirschhaar, grün.

Green Machine White Tail.

 Green Machine White Tail. Haken: Lachstrockenhaken Gr. 4 bis 10; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Kalbschwanz, weiß; Hechel: Hahn, braun, vier Windungen; Körper: Hirschhaar, grün.

Smurf Machine.

Smurf Machine. Haken: Lachstrockenhaken Gr. 4 bis 10; Bindeseide: schwarz; Butt: Flachsilber, Floss, blau; Hechel: Hahn, blau, vier Windungen; Körper: Hirschhaar, blau.

Glitter Bug.

Glitter Bug. Haken: Lachstrockenhaken Gr. 4 bis 10; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Kristal Flash, pearl; Hechel: Hahn, braun, vier Windungen; Körper: Hirschhaar, natur.

Das ist ja letztlich auch gar nicht so wichtig, aber es bringt unser Verständnis dieser Fliegentypen auf den Punkt, wenn wir Merkmale benennen und vergleichen können. Dabei gibt es Variationen, etwa bei der Zahl der Hechelwicklungen, aber die Grundsätze bleiben gewahrt. Die „Smurfs“, die Schlümpfe, die es von jedem dieser Muster gibt, sind besonders geeignet um das zu tun. Praktisch gesehen stellt sich die Frage, ob eine „Smurf Machine“ genommen wird, während der „Smurf Bug“ verweigert wird. Und kann man einen Fisch mit einer „Smurf Cigar“ hochlocken, mit dem „Smurf Bomber“ aber nicht. Da fehlt mir echt die Erfahrung das beurteilen zu können. Die Zahl meiner Bomberlachse ist bescheiden. Aber Steelheads hatte ich deutlich über hundert. Es ist darum eine Glaubensfrage, und ja, ich glaube, dass Unterschiede, wenn sie groß genug sind, über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Die Freude aber, die Muster zu binden, ist stets die gleiche. Zunächst hat man diese ungeheure Bürste von Haaren vor sich, die man mit ersten Schnitten ein wenig rundet. Dann tastet man sich an den perfekten Zylinder heran und stutzt die Neigungen nach vorn und hinten. Dann dämpft man die Fliege, und die Haare erheben sich wieder zu einer raueren Form. Dann kommt der finale Schnitt, und mit angehaltenem Atem windet man die Hechel. Derweil der Bindetisch aussieht wie Sau, Hemd und Hose auch, man hat Hirschhaar in der Nase und im Bart, aber letztlich gelingt alles und ein frischer „Bomber“ steckt in der Dose. Vor unserem inneren Auge sehen wir eine Rückenflosse hinter ihm auftauchen, 70 Zentimeter dahinter die Spitze einer Schwanzflosse. Diese Visionen, mit denen man gewiss nicht zum Arzt muss, haben nur Fliegenbinder. Sie sind gesund, positiv, motivierend und oft eine sich erfüllende Prophezeiung. Fliegenbinder sind Propheten in eigener Sache. Darum ran an den Stock, denn diese Saison wird die beste aller Zeiten.

Brown Bug Orange Hackle.

Brown Bug Orange Hackle. Haken: Lachstrockenhaken Gr. 4 bis 10; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Kalbschwanz, braun; Hechel: Hahn, orange, vier Windungen; Körper: Hirschhaar, natur oder braun.

Orange Bug Orange Butt.

Orange Bug Orange Butt. Haken: Lachstrockenhaken Gr. 4 bis 10; Bindeseide: schwarz; Butt: Flachgold, Floss, orange; Hechel: Hahn, braun, vier Windungen; Körper: Hirschhaar, orange.

White Bug Orange Hackle.

White Bug Orange Hackle. Haken: Lachstrockenhaken Gr. 4 bis 10; Bindeseide: weiß; Schwanz: Kalbschwanz, weiß; Hechel: Hahn, orange, vier Windungen; Körper: Hirschhaar, weiß.

White Cigar Blue Hackle.

White Cigar Blue Hackle. Haken: Streamerhaken Gr. 2 bis 4; Bindeseide: schwarz; Schwanz: Kalbschwanz, weiß; Flügel: Kalbschwanz, weiß; Hechel: Sattelhechel, blau; Körper: Hirschhaar, weiß.

Ingo Karwath