Alte Kameraden 5 – Meerforellenfliegen aus den frühen Jahren

Die alte „Mysis“ auf dem GRS 12 ST. Dazu knüpft man sich ein langes Vorfach und fischt so leise, als würde man um Mitternacht zum Kühlschrank schleichen.

Auf einem leicht krummen Haken der Größe 8 bis 14 eine Bleiwicklung anbringen und ein gelbes Fundament anlegen. Hinten ein Stück Pearlmylar und einen Faden Allesnäher einbinden.

An der Uni Göttingen gab es zu meiner Zeit die Vorlesungen Statistik 1 und Statistik 2 für Naturwissenschaftler, die man im Vorstudium Biologie bestehen musste. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass es mir gelungen ist, eine Rechteckschwalbe von der hintersten Reihe bis zur Tafel fliegen zu lassen, aber Inhalte habe ich nicht mehr im Kopf. Nur noch so ein paar Begriffe wie Mittelwert, Median, Modus und Standardabweichung sind gespeichert, aber die Formeln sind vergessen. Als Fischer können wir Statistik erst nach dem Fang, nach dem Urlaub oder nach dem Jahr anwenden, und die einfachste Rechnung hat leider oft der Lachsfischer. Bei ihm stehen sieben Tage und achtzig Stunden im Wasser zu Buche, Fang null. Leider ist es mir gelungen mal eine sehr ähnliche Rechnung zu gestalten, als ich mit Sabine und Milla, das war unsere zweite Labradorhündin, Janne ist die aktuelle dritte, eine Woche in Kerteminde ausspannte. Das war kein eigentlicher Angelurlaub, eher Familie, und so ging ich jeden Abend nur drei Stunden ans Wasser. Ich hatte mir eine Stelle ausgesucht, die ich gemütlich fand, und konnte es am ersten Abend nicht fassen, dass es da nicht beißt. Um es mir selber zu beweisen stellte ich mich jeden Abend genau dort hin, benutzte immer wieder dieselbe Fliege, und fing – nichts. Die ganze Woche nichts. Natürlich ein bemerkenswertes Zeugnis meiner Geduld, meiner norddeutschen Sturheit, gepaart mit universeller Dummheit. Ich hätte ja mal ein Stück gehen können. Aber wenn man etwas wissen will, wie anders soll man es herausfinden als im Experiment. Das Wetter und das Meer stellen genug unbekannte Variablen, meine Füße aber stellten keine, und am Freitag um Mitternacht war das Ergebnis klar. Arschkarte. Schön geworfen, schlecht gefischt. Dass da kein Fisch war ist unwahrscheinlich. Auch ohne eine solche Woche kann man natürlich leicht auf die Idee verfallen, alle Stunde den Platz gründlich zu wechseln, und in der Stunde, die man fischt, vier Fliegen zu probieren. Dafür bin ich nicht der Typ, aber ich habe Freunde, die so fischen, und auch schon sieben bis zwanzig Tage ohne Biss erleben mussten. Immerhin hat man das Gefühl, so richtig was getan zu haben. Da ich mit großer Zuversicht und Geduld fische, hat sich halt so ergeben, mag ich gern lange an Stellen bleiben, wechsle ungern die Fliege und fische gern kleine Muster an langen Vorfächern und entsprechend langsam. Eine zweite Fliege am Vorfach mag ich nicht so gern, denn das gibt ja ab und zu doch Verwicklungen, und dann muss ich mit der Lesebrille fummeln und Probleme lösen, was ich im Leben überhaupt gern vermeide. Und ja, ich habe auch gelernt Probleme Chancen zu nennen, aber Knoten sind da wohl eine Ausnahme. An der Spitze meines Vorfachs ist im Sommer nicht selten eine Fliege aus der Fliegendose von Jens Staal. Es muss Ende der 80er gewesen sein, als er mir ein Muster schenkte, nicht ohne zu erwähnen, dass diese Fliege eine Gemeinschaftsentwicklung ist, an der andere Fliegenbinder und auch Per Karlsen beteiligt waren. Obwohl ich nicht zu speziellen Haken neige, muss ich hier doch sagen, dass der Partridge GRS 12 ST sehr viel zu diesem Muster beiträgt. Da es den nicht mehr gibt, nimmt man ein anderes Modell mit einer moderaten Biegung. Wichtig ist die krumme Anmutung, und die „Mysis“ zeigt einmal mehr, dass es so viel Neues unter der Sonne nicht gibt. Mit einem Plastikrücken würde man denken sie wäre aus Prag. Wir kennen diese Fliege seit über 40 Jahren, was sie mühelos für die alten Kameraden qualifiziert. Gehen Sie mal mit ihr los, gerade im Sommer, und nicht wundern, wenn nach einem Biss mal 80 Meter Schnur auslaufen. Meeräschen mögen sie auch.

Den Körper schön mit Hasenwolle aufbauen. Das Mylar nach vorn winden und überfangen. Eine Hechel einbinden.

Die Grizzlyhechel, Cree ist auch möglich, nach hinten winden und mit dem Allesnäher gegenrippen. Die Fliege hübsch abschließen und lackieren. Stutzen ist eine Option.

Waschen, schneiden, legen – fangen. Vermutlich eine der fängigsten Sommerfliegen überhaupt. Und man kann es ihr ansehen!

Ingo Karwath