Petrus, schick‘ mir bitte einen kleinen Fisch!

Warum auch kleine Lachse einen großen Kerl erfreuen.

Ein Grilse in der Mittagssonne. Den setzt man natürlich zurück, sonst müsste man in Norwegen bis Mitternacht pausieren.

Es gibt da einen Spruch unter Anglern, und der geht so: Während man als Fischer langsam älter und reifer wird, möchte man zunächst möglichst viele Fische fangen, dann möglichst viele große Fische, und später will man einzelne, besondere Fische. Für eine Verbindung der beiden letzten Ansprüche kennt man in England den Begriff „specimen-hunter“. Ein solcher Fischjäger möchte entweder einen sehr, sehr großen bestimmten Fisch fangen, sagen wir einen 60-Pfund-Karpfen, oder einen ganz bestimmten sehr seltenen Fisch, nehmen wir eine Nase im Küstenkanal bei Oldenburg. Aber wer von uns wünscht sich von Petrus einen kleinen häufigen Fisch. Das kann doch nur ein verzweifelter Anfänger sein, aber wenn ich Ihnen nun berichte, dass ich diesen Wunsch alljährlich wirklich auslebe, dann werden die Zusammenhänge vielleicht doch verständlich.

Die „Blue Charm“ geht gut auf Grilse. Die Lütten sind oft frisch aufgestiegen und mögen blau. Tag: Ovalsilber. Schwanz: Crest. Rippung: Ovalsilber. Körper: Floss, schwarz. Hechel: Hahn, blau. Flügel: Eichhorn, braun.

Eigentlich mag ich ja die kapitalen Fische. Ich träume von einem richtig großen Lachs. Mein bisher bester Atlantischer wog 12,6 Kilo, gefangen vor mehr als dreißig Jahren am Spey in Schottland, und die englische Waage zeigte 28 englische Pfund. Vor vier Jahren an der Gaula hatte ich ein großes Männchen mit 106 cm, aber ich weiß das Gewicht nicht. Die Tabelle sagt 14,28 Kilo. Die Umstände waren unglücklich, der Fisch hatte sich ins Vorfach gedreht und konnte nach über einer Stunde Drill nicht zurückgesetzt werden. Ich war der Paria in der Lodge mit meinem toten Fisch. Ich habe ihn bei Manfred abgegeben und nie wieder gefragt. Ich habe seither zwar noch Lachse gefangen, aber keinen von den Dicken. Und ich hatte im Laufe der Jahrzehnte auch nur zwei im Drill, denen ich mehr Gewicht zugetraut habe. Einen an der Mörrum und einen an der Gaula. Beide Situationen waren sehr verschieden und doch ähnlich. An der Mörrum bekam ich im ganz ruhigen Randwasser einen solchen Schlag in die Rute, dass ich mehr erschreckt als erfreut war. In Sekunden war dann alles vorbei. Eine gewaltige Kraft zog stromab durch die Stromschnelle, und Fliegenschnur und 200 Meter Nachschnur gingen komplett verloren. An der Gaula sehr ähnlich. Hier jedoch ein zarter Biss und dann eine ruhige und unaufhaltsame Flucht stromab durch eine Stromschnelle. Fliegenschnur und 250 Meter Nachschnur gingen wieder verloren. Bei einem großen Lachs wären auch 300 Meter nicht genug.

„Ally’s Shrimp“ mögen sie auch, denn das Meer steckt ihnen noch in Hirn und Gräten. Tag: Ovalgold. Schwanz: Bucktail, orange. Rippung: Ovalsilber. Körper: Floss, rot und schwarz. Flügel: Eichhorn und Tippet. Hechel: Hahn, orange. PS: Nicht ganz original. Dosenfliege.

Wann immer ich oberhalb von Stellen fische, an denen ich einem Fisch nicht am Ufer folgen kann oder auch keine Chance sehe, ein Stück stromab mit dem Fluss zu schwimmen, also in der Regel oberhalb von gefährlichen Stromschnellen, wünsche ich mir einen kleineren Lachs. Nicht gerade einen Grilse, aber doch einen Fisch mit etwas weniger als 8 Kilo. Wie die Erfahrung im Laufe der Jahr gezeigt hat, kann man diese Größe im Notfall noch so gerade eben halten. Vorausgesetzt man hat eine völlig intakte Ausrüstung von der Rolle bis zur Fliege. Eigentlich kann man einen Lachs gar nicht halten, denn selbst ein Zehnpfünder kann gewaltig schwimmen und springen, aber anscheinend reicht seine Psyche nicht für jeden Kampf. Nun sagen Sie nicht Fische habe keine Psyche. Wahrscheinlich müsste man ein anderes Wort dafür nehmen, aber es gibt doch Fische, die geben schneller auf als andere. Oder kämpfen ohne Ende. Das kann nicht rein körperlich sein.

Die „Cascade“ ist eine hervorragende Grilsefliege, denn letztlich ist sie bunt. Tag: Ovalsilber. Schwanz: Bucktail, orange und gelb. Rippung: Ovalgold. Körper: Flachsilber und Floss, schwarz. Flügel: Eichhorn, schwarz, pearl Krystal Flash. Hechel: Hahn, gelb und orange.

Ein großer Lachs schwimmt ganz selbstverständlich eine Stromschnelle runter. Ein kleinerer Lachs hatte aber viel mehr Probleme überhaupt hindurch zu kommen und schreckt vor dem schnellen Wasser zurück. Er will nicht wieder zurück. Bei den mittleren Lachsen ist der Kampf dann oft eine Charaktersache. Manche scheinen Pitbull-Gene in sich zu haben. Andere wieder sind friedlich wie ein Lamm. Aber was immer auch passiert, ein mittlerer Lachs ist eben ein mittlerer Lachs und man bekommt ihn in aller Regel sicher ans Ufer. Mittlere Lachse fangen etwa bei 3 Kilo an. Ich sage mal drei bis acht Kilo, dass ist für mich ein mittlerer Lachs. Neun Kilo ist schon ein kleiner Großer. Drei Kilo ein großer Kleiner. Und um einen von diesen „Kleinen“ bitte ich Petrus jedes Jahr. Als ich noch jünger war, habe ich jeden Lachs abgeschlagen und zur Räucherei getragen. Im Gegensatz zu anderen habe ich mich aber selten bis nie mit toten Fischen fotografieren lassen. Eine frühe, gute Einsicht. Sie entstand durch Hemingway. Wenn selbst Hemingway neben einem toten Tier würdelos aussieht, hatte ich überlegt, wie wäre es dann erst mit mir. In einem sehr guten Jahr kam ich dann mit 30 Kilo Räucherlachs wieder heim, den wir selbst gegessen, überwiegend aber verschenkt haben. Heutzutage genügt uns ein Lachs für ein ganzes Jahr, und ich nehme nur noch diesen Fisch und gebe die anderen wieder frei. Dieses Zurücksetzen hat sich auch unter Lachsfischern mehr und mehr verbreitet. Ein geräucherter Wildlachs hat nur für den einen Sinn, der ihn selbst gefangen hat. Zum Verschenken ist er zu schade.

Der „Munro Killer“ erfüllt ebenfalls alle Ansprüche, die man an eine Grilsefliege haben kann. Tag: Ovalgold. Rippung: Ovalgold. Körper: Floss, schwarz. Hechel: Hahn, orange und Perlhuhn, blau. Flügel: Bucktail, gelb und Eichhorn, schwarz.

Nun ist es aber so, dass ein Lachs über drei Kilo für mich und meine Bratpfanne einfach zu groß ist. Ich brauche einen kleinen Lachs, um mein alljährliches Ritual zu vollziehen. Das einsame Lachsbraten in der norwegischen Natur. Dazu muss man einen Grilse fangen, einen Jungfernlachs, und aus Erfahrung kann ich sagen, so ab 2,5 Kilo ergibt das soviel Filet, dass ohne Underberg nichts mehr geht. Vier Pfund sind ideal. Bin ich also ein Topf-Fliegenfischer? Na, und ob, und ich stehe dazu. Nun gibt es leider überhaupt kein Mittel, gezielt auf kleine Lachse zu fischen. Das wäre auch Unfug. Man kann an Pools gehen, die in dem Ruf stehen von Grilse bevölkert zu sein. Man kann dort fischen, wo das Wasser etwas weißer, etwas schneller und etwas flacher ist. Grilse lieben solche Stellen. Ja, und dann gibt es da noch die Grilsefliegen. Die sind etwas bunter, etwas blitzender als die üblichen Fliegen, weil Grilse sehr lebendige Fische sind und sich reizen lassen. Man kann die Chancen auf einen Grilse so auf 55 Prozent bringen, eventuell auf 60 Prozent, aber das ist immer noch eine geringe Wahrscheinlichkeit über der Hälfte. Immerhin, besser als nichts. Und wenn im flachen Wasser mal wieder ein 12pfünder auf die Grilsefliege beißt, wer wollte da Gram sein. Wenn jedoch ein Grilse beißt, dann beginnt der Countdown. Zunächst muss ich zum Kaufmann und Butter und Almrahm kaufen. Außerdem braucht man Dill. Im Auto habe ich eine kleine Kochausrüstung, bestehend als zwei Gaskochern und Zubehör. Kleine Küche ist Lachsfilet mit Brot, ein Kocher; große Küche ist Lachsfilet mit Pellkartoffeln, zwei Kocher.

Kleine Tubes mit Cone, die gut in Strömungen laufen, sind eine prima Wahl.

Der Lachs wird filetiert, was ihn zwar deutlich schlanker macht, aber bei 2 Kilo fast ein Kilo Filet ergibt. Das Filet schneidet man in Stücke, die man gut wenden kann. Kurz mit Zitrone säuern, Salz und Pfeffer auf die Stücke und dann mit wenig Mehl anstauben. Dill hacken und mit dem Rahm mischen. Das ist die Sauce. Meist brate ich zwei Portionen in brauner Butter. Gang eins und Gang zwei. Wein dazu und Schnaps danach sind unabdingbar nötig. Aber kaltes Bier von der Tankstelle ist besser als nichts. Mit dem Grilse im Bauch fühle ich mich so richtig wohl. Er bekommt mir besser als Old Shatterhand die 6 Pfund Büffellende vom Feuer. Als Nachtisch nimmt man sich einen Riegel Schokolade. Ein kleines Stück Norwegen, steht auf der Packung. Na, ein großes Stück Norwegen hat man ja schon gegessen. Bald wird es wieder Zeit die Rute zu schwingen. Erst einmal ist Pause angesagt, denn wer einen Lachs entnommen hat, so sagt die Regel, muss bis Mitternacht pausieren. Man könnte darum Petrus fragen: Schick‘ mir einen kleinen Lachs um 23.50 Uhr. Aber da wird’s unverschämt, oder? Ich nehme den Fisch lieber als unerfragtes Glück. So ab 23 Uhr wird es für Grilse gefährlich. Ich muss um Mitternacht ohnehin meinen Beat wechseln und komme an der Tankstelle vorbei. Die haben Eis. Lecker Essen zum nächsten Mittag wäre möglich. Weil ich aber wegen der Bestimmungen in Norwegen, es gab auch mal die Regel bis 12 Uhr anderntags auszusetzen, mein Grilsebraten oft schon im Mai mit einer Meerforelle in Dänemark zelebriert habe, setze ich die Kleinen neuerdings auch noch vor Mitternacht zurück. So lecker sie auch aussehen.

Diese namenlose Grilsefliege hat einen Körper aus Pearlmylar, dann Goldbraid, vorn grünes Dubbing mit gelber Hechel, gold überrippt.

Etwas Flash und roter Fuchs bilden den ersten Flügel.

Etwas länger nun grüner Fuchs und Flash.

Pfauengras, JC und eine grüne Fronthechel.

Den Cone einkleben und das Röhrchen kürzen. Fertig ist die typische Grilsetube, namenlos nach Schnut und Schnauze gebunden, aber mit Highlander Genen.

Ingo Karwath