Ja, wie heißen sie denn?

Ein kleiner Leitfaden zur Benennung Tschechischer Nymphen.

Czech Faggot. Nun, wie soll ich sagen, da müssen die Verantwortlichen wohl mal alle zum Wochenendseminar mit der Gleichstellungsbeauftragten. Angeblich übersetzt sich das mit Reisigbündelnymphe, aber doch nur für Leute, die sich ihre Hose mit der Kneifzange anziehen. Korrekt ist das die „Schwule Nymphe“ oder auch „Schwulennymphe“, denn mit Reisig redet sich da keiner raus, weil diese Nymphen alle Rosa sind. Das weckt schlimme Erinnerungen an die Zeiten des Rosa Winkels, und in einem Land, dass von den Nazis überfallen wurde, sollte man mit Faggot, Rosa und Reisig keine Wortspiele spielen. Da hilft nur Farbe bekennen: Ja, das hat sich unter Männern halt so eingebürgert mit Faggot, und nun stehen wir da und tragen die Schuld. War nicht wirklich böse gemeint, aber es hat sich auch keiner bemüht, das in Richtung Barbienymphe, Ferkelnymphe oder Cup Cake Nymphe zu verändern. Die Fettnäpfchen lauern ja überall. So oder ähnlich könnte man sich rausreden, aber es ist vermutlich besser, den Namen grundsätzlich zu radieren und Rosa einfach Rosa zu nennen. Damit würde diese Familie aufhören zu existieren und könnte bei den anderen subsummiert werden. Eine „Pink Larvae“ wäre dann eben nur das, Rosa halt.

Czech Hermit. Dieser Nymphentyp zeichnet sich durch einen zotteligen dunklen Thorax aus, der an den struppigen Bart eines Eremiten erinnert. Prima Name und über jede Kritik erhaben. Wann man den Thorax dunkel und zottelig genug findet, um den Namen zu rechtfertigen, bleibt jedem Binder selbst überlassen. Aber das ist eine Unschärfe, die man gut zulassen kann.

Czech Bobesch. Das ist das Grundmuster dieser Nymphen an sich. Um in diese Definition zu gelangen, muss eine Nymphe einen erkennbar abgesetzten Thorax haben und eine ausgekämmte Unterseite. Weitere Details sind möglich, aber nicht nötig. Also auch mit einem roten Punkt und/oder einer Tungstenperle bleibt ein entsprechendes Muster ein Bobesch.

Czech Handsome Bobesch. Das sind die Schönlinge unter den Bobesch Nymphen. Thorax und ausgekämmte Beine müssen sein, aber diese Beautys haben einen Körper aus mehreren abgestuften Dubbingtönen, mehrere Rippungen und/oder einen Glitzerrücken.

Czech Larvae. Sehr schlank gebunden und ohne erkennbaren Thorax. In keinem Fall ausgebürstet. Mit diesen Eigenschaften ist eine Nymphe eine Larvae. Die wenigen Nymphen, die ein bestimmtes Insekt imitieren sollen, kann man entweder unter dieser Gruppe erfassen oder einzeln benennen. Meist geht es dabei um die Hydropsyche.

Czech Bug oder Czech Mate. Unqualifizierte Namen ausländischer Ignoranten, von den Tschechen nur akzeptiert, weil sie aus den Ländern wichtiger Geschäftsfreunde kommen.

Czech Scud. Diese Nymphen sollen einen Flohkrebs imitieren oder karikieren. Es gibt sie in natürlichen Farben, aber auch in bunt oder mit einem farbigen Akzent, der in der Natur ja von Parasiten erzeugt werden kann. Typisch sind diese Nymphen ohne Thorax und mit nach unten ausgekämmten Beinchen. Der runde Rücken wird oft besonders betont.

Czech Carrot. Eine Carrot muss eine auffällige Rippung zwischen orange und rot haben, also mindestens ein Knopflochgarn, besser noch Floss oder einen Kunststofffaden. Die Grundform ist in der Regel die der Larve, damit die reizende Rippung nicht im ausgekämmten Dubbing verschwindet. Geht aber auch als Bobesch.

Wild Czech Nymph. Das sind Nymphen, die farblich über alle Stränge schlagen und aus sämtlichen Farb- und Glitzerreizen kombiniert werden, die man so kennt. Lassen sich als Larvae und Bobesch binden. Ihr berühmtester Vorläufer ist vermutlich die Traunnymphe, und es ist schön zu sehen, dass grundlegende Überlegungen und Lösungen aus den 60ern bis heute Bestand haben, wenn auch auf einem krummeren Haken.

Wie man jetzt schon ahnen kann, werden sich wohl keine Eigennamen für Tschechische Nymphen entwickeln, denn ich könnte ja z.B. eine „Handsome Carrot Eremit“ binden“, indem ich abgestufte Dubbings kräftig orange rippe und einen schwarzen Thorax einbinde. Bei uns ist es ja üblich, eine von einem anerkannten Binderezept abgewandelte Fliege Spezial zu nennen, im Englischen sagt man Variant, und eine „Red Tag“ mit einem blauen Schwänzchen ist dann eine „Red Tag Spezial“. Auch nicht so doll. Das von Karel Krivanek erdachte tschechische System der Benennung ist deutlich viel besser, denn wir haben sozusagen eine Taxonomie, die so etwas wie Klasse, Gruppe, Familie und Art anbietet. Tschechische Nymphe wäre dann die Klasse, Bobesch wäre eine Gruppe, Handsome Bobesch eine Familie, und Green Handsome Bobesch eine Art. Die Hermit passt wegen des Thoraxes in die Bobesh Gruppe. Larvae und Scuds wären Familien unterhalb einer Gruppe, die man Naturals nennen könnte, und imitative Ansätze könnte man unterordnen. Unklare Variationen sind Hybriden. Wilde Nymphen sind Mutanten, die überall vorkommen können. Nicht nötig sie erfassen zu wollen. In der Kommunikation über Fliegen können wir natürlich jederzeit die Makrolinse vom Phone einsetzen und visuell informieren, aber es muss ja auch möglich sein, einem Freund zuzurufen, welche Nymphe man gerade fischt. Natürlich wird eine Polbrille der Zukunft das sowieso nebenbei aufnehmen und man kann es über Satellit mit einem Freund zwei Pools weiter stromauf teilen, aber es ist ja doch eine Grundlage des Zusammenlebens, für die Dinge auch Worte zu haben. Vielleicht hilft dieser Ansatz da ein wenig weiter.

Ein Auszug aus dem neuen Fliegenlexikon Nr. 21, Czech Nymphs. Werden Sie Patron. Kostet weniger als ein Kaffee oder ein Bier und lohnt sich.

Ingo Karwath