Das Patent für die „Sunray“ hat vermutlich nie existiert. War aber eine Super-Werbung.
Von der „Sunray Shadow“ habe ich folgende Geschichte gehört, und ich gebe sie hier mal unter Vorbehalt weiter. Ray Brooks hatte zusammen mit seiner Frau Magrit in den 60er Jahren Norwegen erkundet und an Flüssen in den Gebieten More und Romsdal auf Lachs gefischt, sogar eine eigene Hütte hatte er erbaut. Auch am Aroy gönnte er sich Tage, fand aber letztlich im Laerdal den Fluss seiner Träume. Irgendwo in seiner Praxis muss ihm die Inspiration begegnet sein, die „Sunray Shadow“ zu erfinden. Das absolute Ur-Muster ist wohl aus einem Rasierpinsel entstanden, aus dem schwarzen Haar eines Affenfellteppichs und aus ein paar Fibern Pfauengras. Der Kopf war vermutlich nagellackrot. Die Fliege machte Furore, aber es war natürlich nicht denkbar, sie in dieser kruden Form zu belassen. Dachshaar wäre viel zu teuer für eine Produktion, und so wurde an dieser Stelle Eichhorn eingearbeitet. Es erfüllt den gleichen Zweck, und hebt die Affenhaare an, stellt sie in die Strömung und hält sie leidlich vom Haken fern. Der rote Kopf wich einem schwarzen.
Eine dünne Tube bis 10 mm vor das Ende der dickeren Tube schieben, passend trimmen, wieder entfernen, die dicke Tube aufnadeln und eine Portion Eichhorn aufbinden.
Manfred Raguse, der sich schon in jungen Jahren als Student in Norwegen tummelte, hatte vor Ort für Brooks gebunden, aber die dänische Firma Lawcock stellte zunächst in Dänemark und später in Singapore das Gros begehrten Fliegen her. Ein mit Robert McGinty gezeichneter Artikel beim Schück unterstellte in Heft 6/79 Brooks auch die „Collie Dog“ erfunden zu haben, aber dazu hätte er im 18. oder 19. Jahrhundert leben müssen. Ein positiver Bericht von Manfred im „Fliegenfischer“ und dann insbesondere eine Fotostrecke über Ray Brooks machten die Fliege in Deutschland bekannt, und bei Tramm & Hinners im Chilehaus in Hamburg konnte man die blauen Fünferkarten mit den „Shadows“ kaufen. Bei einem Ausflug nach Hamburg gelang es mir zwar mich zu absentieren und den Laden zu besuchen, aber für eine Fünferkarte reichte mein Geld nicht. Der nette Herr im Laden schnitt mir eine ab, und ich erreichte die Gruppe rechtzeitig genug, um ohne Tadel davonzukommen. Lachsfischen war der Heilige Gral, von dem ich als Jungangler hinter meinen grünen Sportex-Teleruten nur träumte. Meine einzig echte „Shadow“ habe ich gefischt und verloren, als ich dann als Student meinen ersten Ausflug an den Spey machte.
Ein langes Bündel scharzes Nayat-Haar einbinden, und einen langen Kopf gestalten. Einen Tropfen Ponal wasserfest im Bindeprozess auftupfen und verteilen.
Bilder der Verpackung lassen sich ohne Mühe im Internet finden, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da eine Füller- oder Kugelschreiberverpackung für Fliegen benutzt wurde. Sehr clever. Auch der Hinweis „for streamy water“ und die Tipps „Brown hooks for clear water” und “Silver hooks for less clear water” sagen eigentlich alles. Was die Packung hätte sagen sollen, wäre noch „cast square and fish fast“, aber ich denke man wollte weder bevormunden noch die traditionellen Fischer abschrecken. Was nun an den alten „Shadows“ auffällt sind zwei Sachen. Erstens: Das Röhrchen hat einen Innenrohr und dass muss so sein. Es wurde angeblich für die „Sunray“ extra erfunden, unterscheidet sich aber kaum von den Slipstream-Tubes der Zeit. Zweitens: Der Kopf ist lang, um die acht Millimeter, fast zehn, und auch das muss so ein. Zu viele Lachsbinder sind heutzutage stolz auf kleine Köpfe, aber der Minimalkopf ist ein Merkmal der Trockenfliegen, nicht der Lachsfliegen. Klar sieht das gut aus und es ist für einen Mann ja auch sehr erfrischend, wenn er zum Kollegen sagen kann, „meiner ist kleiner als deiner“, aber an die „Sunray Shadow“ gehört ein langer, schlanker Kopf. Da man sie kaum einmal verliert, es sei denn hinten am Ufer, kann man die Fliegen recyclen. Man trennt zwei auf, entfernt die unteren Enden der abgebrochenen Haare, bildet wieder ein volles Bündel und bindet eine neue.
Fünf Pfauengräser einbinden, den Kopfknoten beenden, lackieren, und die Tube später von vorn kürzen. Nicht anschmelzen. Die dünne Tube mit einem Hauch Zap-a-Gap einkleben.
Ich habe Fliegen, in denen fischen noch Haare aus den frühen 80er Jahren, Quelle Hans de Groot. Da sowohl Colobus-Mäntel, -Capes, -Kragen, -Kissen, -Teppiche und -Sitzbezüge in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts mit chinesischer Ziege gefälscht wurden, würde ich für 300 Quadratzentimeter echten, alten Fells keine 500 Euro geben. Das ist in etwa der Marktpreis. Wenn schon in einer Zeit, in der das Echte und die Fälschung auf dem Markt war, die Kunden das nicht unterscheiden konnten, der Antikmarktverkäufer und -käufer es auch nicht erkannten, und mir nun für viel Geld in jeder Hinsicht unwissentlich womöglich für einen großen Schein Ziege verkauft wurde, wie sollen das bitte die Lachse unterscheiden? Es ist viel wichtiger die echte Tube und den echten Kopf zu binden, als das „echte“ Fell zu haben! Die verbleibenden 495 Euro lieber für einen guten Pool ausgeben.
Tipps. Das Haar kann gut dreimal so lang sein wie die Tube, also wie hier im Bild, 4 cm Tube und 12 cm Haar. Über vierfache Länge ist kritisch, aber man kann sich herantasten. Eine Sinktip fischt die „Sunray“ wohl besser als eine Schwimmschnur. Die positiven Bisse nehmen zu. An der Schwimmschnur erlebt man so manchen Pull ohne Ergebnis. Quer werfen und schnell fischen und sogar einstrippen ist sehr erfolgreich. Der Fliege keine Materialien dazu erfinden! Sie ist wie Gin Tonic. Kann man auch nicht verbessern. Na, und der alte Tipp mit den Drillingen sei nicht vergessen.
Ingo Karwath