The Steech

Die pfandfreie Fliege aus der Guideszene

Einen zum geplanten Kopf passenden Faden anlegen und ein Bündel Fuchshaar als Schwanz einbinden.

Junge Fliegenfischer, die gern im Umfeld ihrer Passion arbeiten möchten, beginnen meist mit einem Job im Tackle-Shop, und treffen dann eine wichtige Entscheidung. Entweder man fängt eine Ausbildung oder ein Studium an, und geht dann später mit dem bürgerlich erworbenen Geld angeln, oder man versucht als Guide, Fliegenbinder, Kursleiter, Autor, Rutenbauer oder Reiseleiter dem geliebten Fliegenfischen möglichst nahe zu bleiben. Das kann gut gehen, wenn man so bis Anfang Mitte dreißig genug Erkenntnisse gesammelt hat, sich irgendwie selbstständig zu machen, und es kann auch sehr gut gehen, wie etwa bei Hakan Norling oder Jim Vincent. Bespricht man mit seinen Eltern, zum Beispiel Guide werden zu wollen, ist das in etwa so als wollte man Künstler oder Schauspieler werden. Ein schwieriges Gespräch. Jura, BWL, selbst Lehramt, alles erscheint Eltern besser. Es kann nämlich auch sehr übel ausgehen. Ich selbst habe es in meinem Fliegenfischerleben hochgradig vermieden, geguidet zu werden, aber es lässt sich mancherorts eben nicht vermeiden. Und einen Tag habe ich als Guide gearbeitet. So ehrenamtlich. Mein Klient war ein Angeljournalist, der bei Martin Schmiderer in Terrace aufgelaufen war.  Die richtigen Guides waren alle im Einsatz, aber ich kannte mich ganz gut aus. Eine eigene Rute nahm ich nicht mit, denn das gehört sich nicht. Guides fischen nicht, wenn Klienten in der Nähe sind. Na ja, mein Kunde war schon morgens betrunken, er war dramatisch frisch geschieden, kaufte sich in Terrace noch eine Flasche, und war dann mühsam durch den Tag zu steuern. Ich hatte Sorge er könnte ertrinken. Wir fanden zwei Fische, die für einen Bomber hochkamen, und fingen sie mit einer Nassfliege. Beide knapp 36 Inches. Schöne Fische. Der Typ wollte Fotos und ließ den ersten Fisch dabei auf die Steine fallen. Beim zweiten stellte ich ihn für die Bilder tiefer ins Wasser, und er ließ den Fisch wieder fallen. Einen zweiten Tag mit ihm zu gehen habe ich verweigert. Seine Frau hatte ihn aus Gemeinheit mit einem seiner angehimmelten Fliegenfischergötter betrogen, und ich gönnte ihm das von ganzem Herzen. Heute habe ich mehr Mitgefühl, aber damals war ich echt sauer. Was also Guides mit ihren Kunden so alles erleben, kann man nur ahnen. Da die geführten Gäste oft weit hinter den Möglichkeiten zurückbleiben, kommen aus der Guideszene die narrenfesten Methoden des Fischens. Nymphe und Indicator, Streamer und Indicator oder irgendwas mit Swing bringen die Fische ins Boot. Da ein Guidingtag je nach Guide und Gewässer 500 bis 800 Dollar kostet, für zwei Angler, können bei einem Boat & Walk & Wade Trip bei zwei Anfängern flott mal 50 Fliegen verschwinden. Die erwarten ja, bei dem Preis, dass der Guide sie da bedient. Grundhänger, Baumhänger, Abknaller, Aufbieger, you name it. Wären diese Fliegen z.B. „Boogie Man’s“ zu 7 Dollar das Stück, müsste der Guide 350 Dollar draufzahlen. Aber da kommt auch schon die „Steech“ ins Bild, der Guideszene Einfall für fliegenfressende Klienten. Allein schon dass es sie gibt ist mir diesen Artikel wert. Auch wenn sie bindetechnisch ungefähr so kompliziert ist wie einen Nagel einzuschlagen, kann das ja nicht davon abhalten das Muster zu erwägen. Mein Gedanke war, dass man damit sehr gut einen Fliegenfischer losschicken kann, der gerade begonnen hat, die Rute zu schwingen. Natürlich lernt man Schulter an Schulter auch, aber so ein Alleinflug ist durch nichts zu ersetzen. Man bindet für den Kollegen ein Dutzend in zwei Farben, was in 15 Minuten zu schaffen ist, und sendet ihn los sein Glück zu versuchen. Fliegenfischen in Vereinsgewässern ist ja gar nicht so leicht, und gibt es viele Bäume und Gehölz im Wasser, könnten auch mehr Fliegen nötig sein. Aber damit angstfrei fischen zu können ist ein hoher Wert, denn für den nächsten Versuch macht man dem Kollegen wieder 12. Damit ist er vermutlich besser bedient als mit irgendwelchen experimentellen Fliegenresten, die wir ja wohl alle rumliegen haben. Die „Steech“ hat ihren Namen daher, eine Mischung von Streamer und Leech zu sein. Das Muster wurde erfunden, von Mike Schultz von Schultz Outfitters, zum Steelheadfischen in den Zuflüssen der Großen Seen. So in Größe 4 bis 6. Lässt man da ein wenig die Luft ab und bindet mit einem 8er oder 10er Haken, dürfte das Muster für Regenbogenforellen sehr erfolgreich sein. Es kann alles mögliche sein und bietet einen kleinen Hitpunkt. Man hofft geradezu sie möge nicht zu gut fangen, denn das wäre ja ein Tritt in der Hintern für unsere schwarze Steinfliege mit den drei lackierten Flügelköchern. Aber nehmen wir’s sportlich.  Den „Woolly Bugger“ haben wir ja auch geschultert.

Zwei füllige weiche Hecheln einbinden. Die Fülle verhindert das Eintailen.

Ice Dubbing anspinnen und einen Kopf aufbauen. Sekundenkleber auf den Faden tupfen und abbinden. In der Anmutung hat man einen eistehlenden „Woolly Worm“. Schon schlau. Beschwerung, wenn gewünscht, Schrot auf dem Vorfach. Perle wäre zu teuer!

Ingo Karwath