Deerstalker – Trockenfliege des Monats 5

Was mich damals vor über 40 Jahren geritten hat, kann ich gar nicht mal sagen, aber beim Schlendern im Oldenburger Kettner Laden entdeckte ich einen Deerstalker aus grünem Tweed und folgte der Eingebung ihn zu kaufen. Die Dinger heißen ja auch Fore & Aft, nautisch für vorn und achtern, weil sie vorn und hinten einen Schirm haben. Warum ich das Teil haben musste war ja klar, denn in „Der Fliegenfischer“ sah man schon hin und wieder einen Kollegen mit so einer Kappe. Im Freundeskreis hieß der Autor mit Spitznamen „Zigeunerbaron“. Völlig ungehörig heute. Auch George Solohow und Hans Steinfort sah man mit solchen Kappen, und wer dieser Tage eine haben möchte, der schaue mal bei Lockes of London im Internet, die für 145 Pfund den Klassiker anbieten. Ich find‘ den Hut immer noch cool – retro, egozentrisch, analog – das Ding pottert jede Basecap ins Nirwana. Spott natürlich frei Haus. Udo hatte eine helle Freude daran, das Teil aufzusetzen, wenn wir an der Generalsstrecke der Oder eine Wechsel-Rute fischten.

Drei bis fünf schwarz gefärbte Fasanenfibern als Schwanz einbinden. Fasan ist notorisch brüchig. Darum nehme ich immer fünf wo drei verlangt sind.

Hinten gewachstes schwarzes Floss und dünnes Ovalsilber einbinden. Vorn ein Bündel weißes Hirschhaar anschlagen.

In unser visuelles Gedächtnis kam die Kappe durch Sherlock Holmes, vertreten durch die Darsteller Basil Rathbone, Peter Cushing, Michael Caine, Hans Albers und Benedict Cumberbatch. Es gibt mehr als 200 Holmes Filme, und davon mal die guten zu schauen ist gegen das tägliche Fernsehen echt Champions League. Aber, Sie ahnen es schon, da will ich eigentlich gar nicht hin. Mir geht es natürlich um die Fliege „Deerstalker“, die dem Bindestock von Neil Patterson entschlüpfte und in seinem Buch „Chalkstream Chronicle“ mit einer herzerwärmenden Geschichte über die Fischerei in der Normandie vorgestellt wird. Es beginnt in einem Garten in Vraiville, wo ein paar After-Lunch „Deerstalker“ gebunden werden, und geht dann weiter an einem kleinen, privaten Abschnitt der Charentonne, ein Nebenfluss der Risle. Die Beschreibung der Fischerei lässt einem natürlich das Wasser im Mund zusammenlaufen, aber die normanische Realität sind eher kurze Strecken und sehr, sehr schwierige kleine Forellen, jedoch gesund und fit und stramm wie ein frisch aufgepumpter Kinderhandball. Eine ansehnliche Forelle hat einige Jahre die Meppsgrößen 1 bis 3 überlebt und ist auch bei Naturködern Experte. Die „Deerstalker“ wird oft genommen, weil sie wirklich in der Oberfläche schwimmt und nicht zuletzt auch wegen des unpassenden Flügels. Das Schwarz der Dämmerung ist Rot, eine alte Weisheit unter Trockenfischern.

Das Hirschhaar um den Haken verteilen und mit dem Floss rippen, dann mit dem Ovalsilber dem Floss folgen.

Eine schwarze Hechel einbinden, winden und stutzen.

Ein Wort zum Haken noch. Ich binde Maifliegen gern auf Nymphenhaken und handle mir damit einen Nachteil ein, den man in der Größentabelle ablesen kann. Ein 10er Nymphenhaken hat eine Drahtstärke von 0,70 mm, ein spezieller Maifliegenhaken in Größe 10 hat eine Drahtstärke von 0,52 mm. Ein 10er Trockenhaken ist gar 0,75 mm dick. Dünne Haken zu fischen habe ich mir 1985 am Madison abgewöhnt. Biss, Flucht, ab! Die dicken Forellen dort bogen einfach alles auf, was an der Diemel, an der Oker und an der Traun funktioniert hatte. Ein Wort der Warnung also, man kann einen 0,52 Draht fischen, und ein „Deerstalker“ damit schwimmt ganz wunderbar und viel besser als auf einem 0,70er Draht, aber den FISCH, den man schon immer mal fangen wollte, eine plus 50er Bachforelle, bekommt man nur mit einem unverantwortlich druckfreien Drill in den Kescher. Vermutlich totgedrillt. In Irland, wo Forellen bis zu 10 Pfund nach der Maifliege steigen, kann man dünne Drähte ganz vergessen. Es nervt total wenn ein Spinner absäuft, aber immer daran denken, dass die Maifliege schon zu Halfords Zeiten eine One Cast Fliege oder besser One Trout Fliege war. Man darf von ihr nicht verlangen nach einem Fang noch zu funktionieren. Mit Amadou und Trockenpulver kann man gegensteuern, und das hilft auch bei einem 0,70er Draht 10er Haken. Die Zeit beim abendlichen Spinnerfall ist stets zu kurz bemessen, aber Spinner funktionieren auch am hellelichten Tage inmitten von Danica Duns, weil Forellen die Schwimmlage einfach lieben. Es nervt darum zu kämpfen, dass die Fliege überhaupt schwimmt, aber genau das macht den Unterschied.

Eine große rotbraune Hechel einbinden und winden, dann alle Fibern in Spentposition drücken und mit zwei gewachsten Flossfäden fixieren. Ich nenne das die Pippi Langstrumpf Technik und es ist möglich, dass ich sie erfunden habe. Wir haben heute den 27.5.22, wenn jemand die Technik in einer früheren Publikation findet, habe ich sie natürlich nicht erfunden. Nach dem Zopfen etwas Lack in den Thorax geben, so zwei Tropfen.

Das Floss entfernen, der Lack hat alles fixiert, und ohne Achterschlaufen oder stutzen hat man den schönsten Spinner.

Ingo Karwath