Ist das Fliegenfischen noch eine Einheit. Eine Sache. Ein Ding. Oder müssen wir uns trennen? In Traditionalisten und Modernisten.
In England und umzu, also Great Britain, hat sich eine besondere Form des Angelns entwickelt, die man entweder „classic“ oder „traditional“ nennt. Dabei kommen überwiegend alte Ruten und Rollen zum Einsatz, aber nicht nur, denn die Herstellung von gespließten Friedfischruten und Centerpins blüht sozusagen. Vergleicht man die Preise für gespließte Karpfenruten und gespließte Lachsruten kommen einem altgedienten Lachsfischer die Tränen. Während die einen deutlich über 1000 Pfund erlösen können sind die anderen nicht selten deutlich unter 300. Das war vor 20 Jahren noch andersherum.
Die klassische Friedfischangelei hat einen Superstar, den viele Fliegenfischer wohl gar nicht kennen. Seine Name ist Christopher Fernyhough Yates, besser bekannt als Chris. Er ist berühmt für seinen britischen Karpfenrekord vom Juni 1980 und war einer der zehn Fischer am bekannten Redmire Pool. Im Jahr darauf, im zarten Alter von 33, man kann nicht sagen er wandelte sich vom Saulus zum Paulus, denn ein Saulus war er nie, aber er wandelte in diesem Angeljahr seine Werte. Belegt in seinem Buch „The Lost Diary“. Der Triumph der Fischerei lässt sich nicht messen, wiegen, kaufen oder bezahlen, der Triumph ist der einfach draußen am Wasser bei den Fischen zu sein. Folgerichtig gab er jede Rekordjagd und Geräteoptimierung auf und verschrieb sich einfachem Gerät und der Krähenpose. Damit war er damals schon nicht allein, aber viele, viele sollten folgen und die etwas elitäre Gruppe der traditionellen Fischer ist heute längst in die Normalität eingemeindet. Derweil im Internet übergewichtige 19jährige Karpfenspezialisten erklären wie man Boilies montiert, kommen aus der Ecke des Traditionalisten tweedige Asketen im Nigel Cabourn Look und erklären wie man Gründlinge fängt. Außerdem wie man Tee kocht. Beides etwa gleich amüsant. Aber beide Gruppen haben sich auch nichts mehr zu sagen.
Wird sich das Fliegenfischen auch so entwickeln, und wäre das nicht sogar gut so? Für mich gehen die Zeichen in diese Richtung. Nehmen wir mal an Sie fischen mit einer 9 Fuß 5er Rute und einer 16ner „Pheasant Tail“ und treffen einen Fischer mit einer 3,30 Meter Nymphenrute, am 9 Meter langen Vorfach drei Bleiwürmer, ist Ihre kollegiale Wahrnehmung dann noch auf Fliegenfischerniveau? Oder Sie fischen einen Nachbau einer „Sawyer Nymph“ mit einer alten Perfect, DT-Schnur und eine 18ner „BWO“ Nymphe, ist der Mann mit dem langen Stecken überhaupt noch ein grüßbarer Mensch? Der andere wiederum schaut auf Ihre Ausrüstung und denkt sich aus welchem Alzheimer-Zentrum ist denn der entlaufen. Kann sein es ist noch nicht so weit, aber wie sagte der berühmte amerikanische Philosoph John Wayne: Der Tag wird kommen!
Es stellt sich die Frage, wie offensiv man an dieser Trennung arbeiten sollte. Das fragen sich nicht zuletzt auch die Marketing-Leute, die unseren Markt beackern. Ich glaube gar nicht. Wenn der wahre Wert des Fischens der ist, draußen am Wasser bei den Fischen zu sein, ist ja der Wert an sich unabhängig. Er kommt nur ganz unterschiedlich bei uns an. Der eine fischt Gründlinge mit einer einzelnen Made unter dem „crow quill“, der andere Karpfen mit Elektronik auf James Bond Niveau. WaterWolf Kamera, Bait Boat, Buzzer, Receiver, you name it. Noch ein anderer fischt eine 8 Fuß Leonard und eine 14ner Tricolore, sein Mitfischer eine Switchrute mit T14 Spitze. Und am Mühlgraben sitzt ein Junge mit einem längs geviertelten Weinkorken, den hat er selber aufgeschnitten und sich fast verletzt dabei, einem Forellenfaden und einem Stück Brot am Haken. Alle machen gemeinsam etwas richtig. Sie sind draußen am Wasser bei den Fischen. Der Wert schwebt über ihnen. Wie ein Rohdiamant. Schleifen muss man selbst. Wenn man sein Leben lang angeln möchte, dann ist es doch gut dass es alle diese Schubladen gibt. Da muss man nicht 70 Jahre in einer hocken. Man kann sich entwickeln, verändern, auch mal probieren, und wird dann schon finden was einem zuletzt gefällt. Ganz zum Schluss sitzt man dann im Seniorenheim und sagt: „Ich war früher mal Fliegenfischer!“ Es ist nur eben so, dass man mit den Polish-, Chech- und French-Nymphern vielleicht nicht an einen Tisch möchte.
Ingo Karwath