Hemsila

Eine Erinnerung für den Plan einer Wiederholung.

Aufmerksamkeit ist ja eine schöne Sache, und das kann man leicht erproben, wenn man mal wieder Blumen und Pralinen verschenkt. Anders verhält es sich, wenn es um einsame Wanderwege, romantische Lokale oder stille Radtrails geht. Kaum haben sie zu viel Aufmerksamkeit, ist es mit Einsamkeit, Romantik und Stille aber so was von vorbei. Noch schlimmer ist es mit Pilzecken, Beerensträuchern und Bärlauchwiesen. Sind die Stellen bekannt, sind sie ruiniert. Am schlimmsten ist es aber mit guten Gewässern, mit guten Angelstellen überhaupt, und so hat es sich eingebürgert, dass viele Autoren die Bäche, Flüsse und Seen nicht mehr beim Namen nennen und Pseudonyme wie Burgtaler Ache, Bear River oder Moose Lake erfinden. Die Karte, mit der man die findet, ist noch nicht erfunden und wird auch nicht erfunden werden.

Zwischenstop am Örekil. Das Zelt steht, aber nur pro forma, denn die kleine Hütte daneben ist gemütlicher. Der erste Abend. Zwei Wochen Angelurlaub stehen an, und entspannter geht’s nicht.

Vor vielen Jahren, als ich meine Hobelform bei Preben Torp Jacobsen abholte, fand ich in seiner Sawyer Ausgabe eine Notiz über die geheimen Gewässer, an die Nils Farnström Frank Sawyer geführt hatte. Ich machte ein schnelles Foto mit meiner Canon, die machte aber leider „pieppiep“, und Preben rief aus der Küche: „Junger Mann, was machst du da?“, und nur ein paar schnelle Piep-Portraits von Bulla, seinem Labrador, holten mich aus der Klemme. „Ich knips den Hund“, rief ich zurück. Ich hätte lieber offen fragen sollen, ob ich es abschreiben darf. So gesehen ein Glanzlicht und Tiefpunkt meiner Agentenkarriere.

Nachdem man schon bei der Kartenausgabe gut informiert wurde, trifft man überall an den Parkplätzen und Wegen auf weitere Erinnerungen.

An manchen Stellen ist der Fluss wohl an die 60 Meter breit, und man darf das gegenüberliegende Ufer nicht betreten. Wer mag raten wo die Fische steigen.

Die beste Möglichkeit geheime Stellen herauszufinden sind leichtsinnige Videos und ein norwegischen Geologenfreund, der bestimmte Berg- und Landschaftsformationen erkennen kann. Das hat mir bei geheimen Locations von Jazz & Flyfishing viel geholfen. Bekommt ein Gewässer freiwillig und zu viel Öffentlichkeit, dann weil an seinen Ufern etwas verdient werden soll. Die „Hemsila“ ist so ein Fluss, die mit ihren lobenden Erwähnungen gar nicht mehr mithalten kann. Dabei waren die Artikel das Mittel zum Zweck, den Fluss immer mehr in Richtung Schonstrecke und catch & release zu führen. So wird sie heute als einer der zehn besten Flüsse Norwegens geführt, und das halte ich für Quatsch. Ein Autor gab dem anderen die Klinke in die Hand, und ja, ich war auch dabei, und da kann es nicht sein, dass Einer weniger fängt als der Andere, weniger Schönes erlebt oder gar unzufrieden ist. Die Redaktionen korrigieren denn auch leichteste Kritiken, will man doch den Norwegischen Fremdenverkehrsverband als Kunden behalten. So entsteht ein völlig selbstzufriedener Kreislauf des Lobes, dem die Realität lange nicht mehr standhält.

Die Uferbänke erinnern an englische Kreideflüsse, und es ist eine Freude dort zu sitzen und auf Ringe zu warten. Klar könnte man nymphen, aber warum sollte man.

Damit nicht genug, steht der durchschnittliche Fischer mit überdurchschnittlichen Erwartungen im Wasser, und muss am Abend mal wieder mit hängenden Ohren zum Fahrzeug trotten, bekommt er auch noch mit auf den Weg, dass die Forellen eben schwierig seien und er somit nicht gut genug. So geht die Kurve der Begeisterung für einen Fluss auf ihrer anderen Seite wieder herunter und die guten Dinge, fly only, widerhakenlos, knotenloses Netz, catch & release, vielsprachige Gäste, kommen in Gefahr. Wäre es nicht eine Idee, es dann einmal mit Ehrlichkeit zu versuchen. Die „Hemsila“ hat ihre beste Zeit sicher in der frühen Saison, wenn wir, die Sommertouristen, noch nicht da sind. Die meisten Bilder mit kapitalen Fischen entstehen darum eher früh im Jahr. Der steigende Befischungsdruck führt dazu, dass diese Fische mit Drillerfahrung später schwer zu erwischen sind. Im Grundsatz bräuchte man eine Rute der noch unbekannten Klasse 3/8. Leichtester Touchdown mit größter Wurfentfernung. Die besten Ringe sind nahezu unerreichbar. So war es jedenfalls für mich. Aber Forellen um 40 cm kommen zahlreich genug vor, um den Gastfischer zu erfreuen. Doch auch sie sind keine leichte Beute und wollen technisch versiert angefischt werden. Die „Hemsila“ hat eine leicht britische Anmutung und erinnert an einen Kreidefluss, aber so ein richtiges Norwegengefühl bietet sie mit der Straße in Hörweite nicht. An den umliegenden Seen ist es viel stiller, aber achten Sie auf die Sümpfe und schreiten Sie nicht zu energisch zum Wasser. Man kann hilflos stecken bleiben, und das ist kein Spaß. So, noch einmal überlegen, war das jetzt ehrlich genug. Für eine so kleine Fahrt nach Norwegen hinein findet man kaum ein schöneres Wasser. Der Fluss ist gut, aber nicht so gut wie immer wieder behauptet. Ich kenne ihn nur als Fischerei am Wegesrand, wenn ich auf dem Weg zu den Lachsen war. Man kann das nicht vergleichen, aber Forellenfischen erholt, Lachsfischen erschöpft. Darum denkt man so gern an die erholsamen Forellen, wenn man sich an den Sommer erinnert, nicht an den ertrotzten Lachs. Ich habe Sehnsucht den Fluss wieder zu sehen, und das ist doch Werbung genug. Und überhaupt habe ich diesen ganzen Artikel nur geschrieben, weil ich auf dem alten Rechner über die Fotodatei stolperte und mich fragte, ob sich damals ehrlich war. Dafür ist es nie zu spät.

Ingo Karwath

Im Angelladen im Ort gibt es verdächtig gute Fliegen zu kaufen. Man ahnt leider warum! Baetis rhodani, die „shit weather mayfly“, bewegt sich oft kreativ beim Schlupf. CDC ist da die beste Wahl.

Eine makellose Parachute mit spanischen Fibern imitiert die Ephemerella aurivilli, für die das Gewässer berühmt ist. Ebenfalls aus dem Shop.

Der Spent Spinner der Aurivilli ist nicht minder perfekt gebunden. Die Bachforellen sind so klug wie diese Fliegen gut sind. Oft auch klüger!