One Turn Gordon

Ob das noch eine Trockenfliege ist, sei dahingestellt.

Es gibt Dinge, bei denen ist weniger nicht mehr. Steak zum Beispiel. Da fällt es doch sehr schwer Argumente zu finden, warum 150 Gramm Filet besser sei sollten als 250 Gramm. Zu viel des Guten kann so wunderbar sein. Das gilt ja auch für Fliegendosen. Alle meine gut strukturierten Ansätze mit 5, mit 10, mit 20 Fliegenmustern auszukommen sind gescheitert. Zwanzig Fliegenmuster mögen ausreichen, aber bei mir nicht. Der Trockenfischer kann auf einen wunderbaren Schatz von Fliegen zugreifen, mit dem eigentlich jede Forelle zu fangen ist.  Wir haben die hundert Fliegen von Halford, dann seine 33er Serie von 1910 oder die 37 Gallicas von de Boisset, wir haben die Serie von Dr. Massia, und dann jede Menge Einzelmuster, die einen Ruf wie Donnerhall haben. Die Zahl der Fliegen steht nicht zur Debatte. Man braucht so viele wie nötig und ein paar mehr. 

„Quill Gordon“, eine der schönsten und fängigsten Fliegen der Welt.

Es gibt aber auch Dinge, bei denen kann weniger dann doch mehr sein. Zum Beispiel bei der „Quill Gordon“. Sie ist seit ewigen Zeiten eine meiner Lieblingsfliegen, und es gibt wenige Muster, die einen so schönen und klaren Bindevorgang haben. Um eine dicht behechelte „Quill Gordon“ zu binden, brauchte man früher zwei Hecheln. Man konnte oft nur das obere Drittel oder Viertel einer Feder eines indischen Balges benutzen, und meist sogar nur den Anfang davon, denn zur Spitze hin wurden die Fibern wieder schlechter und schütterer. Aus dieser Not entstand zusammen mit Faulheit die sehr dünn behechelte „Quill Gordon“, wenn man nur auf eine Feder Lust hatte und nicht so viel manipulieren wollte. Das Fett der Zeit war so ein orangegelbes Entenbürzelfett, das sich etwas besser verteilte als Mucilin grün oder rot. Grün war eigentlich für Schnüre, rot für Fliegen, aber man konnte das variieren. Für zarte Fliegen war beides nicht so toll.

„One Turn Gordon“, die vielleicht fängigste Trockenfliege aller Zeiten.

Mit der faulen „Quill Gordon“ machten Udo und ich die Entdeckung, dass sie besser fing als die „Buck Caddis“, und die war an der Oder sonst das Topmuster. Dazu gab es zwei Sprüche. Stieg an einer guten Stelle kein Fisch: „Da steht nix!“, und stieg ein gesehener Fisch nicht nach der „Buck Caddis“: „Der steigt nicht!“. Bis wir die magere „Gordon“ erfanden. Sie fing sie alle. Es stellte sich heraus, je mehr man die Schwimmlage der „Quill Gordon“ gefährdete, umso besser fing sie. Wir banden sie mit einer Wicklung, zwei, drei oder vier, und stieg ein Fisch zu, dann war die Frage nicht welche Fliege, sondern wie viele Turns. Man könnte „Turn Gordon“ zu ihr sagen, und wenn Sie dem Tipp folgen möchten, und ich rate dazu, dann beginnen Sie mit der „Two Turn Gordon“. Dazu streift man an einer Blue Dun Hechel eine Seite ab und bindet dann zwei Turns, hat also im Ergebnis die Fibern von einem Turn. Der Flügel kann wichtig sein. Bei drei Enten kann man gut variieren – heller, dunkler, gelblicher. Die beiden Sprüche „da steht nix“ und „die steigt nicht“ bleiben einem dann nicht selten im Halse stecken, denn diese Fliege, die aber nur so haarscharf und gerade eben keine Nymphe mehr ist, lockt sie doch hoch. Schon auf dem Tisch kann sie nicht stehen, sondern legt sich auf die Brust oder rollt schlapp zur Seite. Genau das macht sie im Wasser auch. Man kann sie schlecht sehen. Eigentlich gar nicht. Aber das macht nix. Sie war da wo der Ring ist!

Rezept. Haken: Größe 12 bis 18. Bindeseide: schwarz. Schwanz: Hechelfibern, blue dun. Körper: Pfauengraskiel. Flügel: Brautente, Stockente oder Krickente. Hechel: Hahn, blue dun, einseitig abgezogen, zwei Wicklungen.

Ingo Karwath