Fika

Im Jahre 1685 kamen erstmals Kaffeebohnen nach Schweden, und schon wenige Jahrzehnte später gab es über fünfzig Kaffeehäuser in Stockholm. Dass die Türken den Kaffee 1683 nach der zweiten Belagerung von Wien säckeweise zurückließen, und er von da an seinen Siegeszug durch Europa unternahm, ist zwar eine schöne Geschichte, aber leider nicht richtig. Die leckere Bohne kam eher auf normalen Handelswegen, hatte aber einen Ruf wie heute Cannabis. Man war sich nicht so ganz sicher, ob das Zeug ein schleichendes Gift sei. Der schwedische König Gustav III. verfiel darum auf die Idee, zwei zum Tode verurteilten Häftlingen die berühmte Frage: Tee oder Kaffee? zu stellen. Man erließ ihnen die Todesstrafe, aber sie mussten unter ärztlicher Aufsicht täglich mehrere Kannen trinken, der Eine Tee, der Andere Kaffee. Der Vorgang wird auch gern die erste klinische Studie Schwedens genannt. Das Ergebnis spricht für sich, denn erst starb der eine betreuende Arzt, dann der andere, am 29.3.1792 fiel der König einem Attentat zum Opfer und mit 83 Jahren verstarb der Teetrinker. Über den Kaffeetrinker ist nichts bekannt. Vermutlich stieg er als Hundertjähriger durch ein Fenster und verschwand. Völlig unbeeindruckt von solchen Mätzchen entwickelte sich der Kaffee zum schwedischen Nationalgetränk, und mit einem Jahresimport von 100.000 Tonnen, mit um die 170 Liter Kaffee pro Person, also etwa 4 Tassen täglich, ist Schweden heute Vizeweltmeister im Kaffeekonsum. Finnland führt.

Fika!

Fikapaus, die Kaffeepause, kurz Fika, ist im schwedischen Arbeitstag fest verankert und meint das Recht, jeweils am Vormittag und am Nachmittag 20 Minuten mit einem Kaffee zu verbringen. Mit den Kolleginnen, Kollegen, alle Mann, alle Frau, alle Chefis. Ein Rädchen der schwedischen Arbeitswelt. Da der Schwede statistisch 52 Minuten täglich mit Kaffee verbringt, würde das vereinfacht bedeuten, dass er daheim nur noch 12 Minuten Kaffee trinkt. Das mag sogar stimmen, denn Kaffee am frühen Abend ist ja wirklich nicht jedermanns Sache. Man trinkt in Schweden „brygg“ und „kog“, Brühkaffee oder Kochkaffee, und einen Kaffeetopf und einen Lederbeutel mit Kochkaffee im Rucksack zu haben, ist in Schweden für jeden Wanderer, Kanuten, Jäger oder Angler Pflicht. Das lernt man von Kindheit an. Darum ist in vielen schwedischen Anglerfilmen, gerade auch in denen vom Fliegenfischen, das Kaffeetrinken so eine große Sache. Kochkaffee hat einen 10% Markt, also 10.000 Tonnen, wird ja aber mit Niederdrückkannen auch im Haus getrunken. Ich trinke meinen Ngoro seit Jahren so, mit braunem Zucker und 4% Milch. Das wäre in Schweden ein Unding. Man gibt Wasser in eine Kaffeekanne und schüttet soviel Kaffee drauf, dass ein Lemming trockenen Fußes darüber laufen könnte. Dann stellt man die Kanne ins Feuer, lässt sie dreimal aufkochen, also zwischendrin herunternehmen, und dann etwas abkühlen. Der Kaffeegrus sinkt zu Boden und der Kaffee ist trinkfertig. Mit anderen Worten, es gibt kein Rezept, einfach mal machen und sich reinfummeln. Die Schweden können gar nicht angeln, sagte Preben immer, die suchen die ganze Zeit Holz, dann brauchen sie ein Feuer und dann müssen sie Kaffee kochen. Ja, antwortete Kenneth geübt, die Dänen können aber auch nicht angeln, sie sitzen ständig mit der qualmenden Pfeife am Ufer und versuchen es hyggelig zu haben. Ja gut, sagte Preben, schau‘ mal der Ingo, der angelt die ganze Zeit. Keine Kultur, der arme Kerl, der ist Deutscher! Was ja so nun auch nicht stimmt, fragen Sie mal Terry Oldfield, der meinen vor Ort handgemahlenen Kaffee aus der kleinen Bodum Kanne am Langoy mit den Worten kommentierte: My god, real coffee in Norway! Denn so eine kleine Kaffeeausrüstung habe ich immer im Auto. Früher sogar im Rucksack, aber so viel Kultur bringe ich nun wirklich nicht mehr auf. Wasser, Kessel, Kocher, Drückkanne, Kaffee, Mühle, Zucker, Becher und Milchpulver wiegen fast zwei Kilo. Eine 5,4 Gramm schwere Montechristo Nr. 5 ist mein altersgerechter Ersatz.

Schwedenkaffee. Ein Eigelb mit Zucker und 2cl Aquavit verrühren, mit Kaffee auffüllen und mit Schlagsahne krönen. Gut nach Schneidertagen.

Ingo Karwath